Kommentar

Warum wenige vielen zu danken haben

Hanspeter Guggenbühl © bm

Hanspeter Guggenbühl /  Wie sich die Abstimmung über die Erbschaftssteuer vom Luftkampf um England unterscheidet.

«Noch nie hatten so viele so wenigen so viel zu verdanken.» Das sagte Englands Premierminister Winston Churchill am 20. August 1940, nachdem seine Militärpiloten den deutschen Luftangriff abgewehrt und damit Grossbritannien vor Hitlers Herrschaft bewahrt hatten.

Am 14. Juni 2015 kann die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf das Churchill-Zitat umdrehen: «Noch nie hatten so wenige so vielen so viel zu verdanken.» Bei den «Vielen» handelt es sich um die Mehrheit des Schweizer Stimmvolks, das an diesem Tag die Erbschaftssteuer-Initiative ablehnen wird.
Die «Wenigen» sind Leute, die ihren Kindern einen Nachlass von mehr als zwei Millionen Franken vererben – und ihnen damit ein leistungs- und steuerfreies Einkommen bescheren. Diesen wenigen erspart das Volks-Nein die von der Initiative verlangte Nachlass-Steuer von 20 Prozent oder eine Summe von rund drei Milliarden Franken pro Jahr. Damit schenken viele Abstimmende wenigen Profiteuren nicht nur viel Geld, sondern sie nehmen selbst auch weniger. Denn mit ihrem Nein verzichten sie auf einen Zustupf von zwei Milliarden an die AHV, die allen dient.

Nun werden Sie vielleicht fragen, warum ich so sicher bin, dass die Mehrheit die Erbschaftssteuer-Initiative ablehnen wird. Oder anders gefragt: Warum machen derart viele einer kleinen Gruppe von Multi-Millionärskindern, deren Eltern ihr Vermögen mehrheitlich ebenfalls aus Erbschaften oder steuerfreien Kapitalgewinnen äufneten, ein Steuergeschenk von drei Milliarden und verzichten auf zusätzliches Geld für ihre Altersvorsorge? Ganz einfach: Das Schweizer Volk hatte schon immer ein ausgeprägtes Gespür für Minderheitenschutz – sofern die Minderheiten reich sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20180909um13_36_58

Reich, arm, ungleich

Grösser werdende soziale Kluften gefährden demokratische Rechtsstaaten.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

8 Meinungen

  • am 18.05.2015 um 12:21 Uhr
    Permalink

    Trotz viel Verständnis für die Ironie im Artikel, hoffe ich noch immer, dass sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger diesmal nicht für dumm verkaufen lassen und der extrem reichen Minderheit – es betrifft ja gerade nur die 2% welche allein über gleichviel Vermögen verfügen wie die andern 98% zusammen – diesmal den nicht vertretbaren Schutz verweigern. Es gibt kaum eine gerechtere Steuer als die Erbschaftssteuer. Jeder Lohn, jeder Einkauf, jeder Lotteriegewinn wird besteuert, aber ausgerechnet das leistungslose Erbeinkommen nicht. Weil das an sich nicht plausibel ist, wird jetzt landauf landab behauptet, diese Initiative schade der AHV und den Familienbetrieben. Dass der AHV ausdrücklich 2/3 des Ertrags (geschätzte 2-4 Mia) zufliessen würden und für Betriebserbschaften eine grosszügige Ausnahmsklausel vorgesehen ist, verdreht die Millionen-Kampagne wahrheitswidrig ins Gegenteil. Die immer reicheren Reichen verweigern nicht nur einen gerechteren Steueranteil, sie verfälschen mit ihrem Geld und der Kampagne der «Wirtschaft» und der Rechtsparteien auch die demokratische Debatte. Dies ist eigentlich leicht durchschaubar. Ich gebe jedenfalls die Hoffnung auf ein gerechtes und soziales JA der Mehrheit zur Erbschaftssteuer nicht auf und setze mich dafür ein. Sie ist ja vollständig im Interesse dieser Mehrheit.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 18.05.2015 um 13:03 Uhr
    Permalink

    Stehlen ist seliger als geben. Die Juden und vielleicht sogar die Homosexuellen waren und sind auch meist nicht viel mehr als zwei Prozent! Grossartige Argumentation! Es lohnt sich allenfalls, Interview mit Peter Spuhler im Tagesanzeiger von heute zu lesen. Wer sich philosophisch mit der Sache auseinandersetzen will, kann Peter Sloterdijks Ausführungen studieren. Die Abstimmung hat allerdings einen Glaubensbekenntnis-Charakter für solche, welche primitiverweise wirtschaftliche Probleme mit Umverteilung bzw. gerecht verteilter kubanischer Armut lösen wollen. In der alten Schweiz war Erbschaftssteuer hauptsächliches Merkmal der Leibeigenschaft. Paracelsus, Leibeigener des Abtes von Einsiedeln, musste sein bestes Erbstück, einen goldenen Kelch mit Löwenköpfen, am 8. Dez. 1541 dem Abt von Einsiedeln überlassen. Dieser liess das wertvolle Stück einschmelzen und dessen Wert war dann via Konsum, wie nicht nur bei Diebstählen üblich, schnell vernichtet. Beim Erben kommen freilich, wie Machiavelli exakt beschrieb, sowohl familienintern als auch extern die gierigsten menschlichen Eigenschaften zum Vorschein. Darum schlug er vor, politische Gegner lieber umzubringen als zu enteignen, da Enterbte die aggressivsten Gegner seien. Das war schon der Fehler des Schahs, als er die reiche schiitische Kirche enteignete bzw. enterbte, das nützte für die Agrarreform nichts und später mussten das dann viele mit dem Leben büssen. Die Sache wird in der vernünftigen CH aber vermutlich abgelehnt.

  • am 18.05.2015 um 14:16 Uhr
    Permalink

    Der Föhn, der Neid, die Gier und die Eifersucht sind die vier ältesten Einwohner der Schweiz!…. (Die letzten Drei sind nicht nur Einwohner der Schweiz!) Selbstverständlich kann man jedes hart erarbeitete Vermögen, ich meine nicht jenes der Abzockerkaste (einige Neureiche des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts) zwei, drei oder gar viermal versteuern, der lieben Allgemeinheit zuliebe, die es nicht soweit gebracht hat (Geld macht bekanntlich nicht glücklich!). Aber die Welt ist doch schizophren, da verdammen wir allen alten Kommunismus der vom Osten kommt, sind aber nicht bereit, nach kapitalistischen Prinzipien zu leben, auch wenn wir es «trotz» diesen Prinzipien viel weiter gebracht haben als der Kommunismus. Liebe Sozialdemokraten, das ist doch «Klassenkampf pur». «Arbeiter aller Klassen, erhebt euch?»……….

  • am 18.05.2015 um 14:19 Uhr
    Permalink

    Mein Vater brachte es vom einfachen Arbeiter zum Milionär indem er mit harter Arbeit und verzicht auf Ferien ein erfolgreiches Geschäft aufbaute. Dabei wurden wir Kinder knapp gehalten und wir mussten sehr oft, in unserer Freizeit, im Geschäft tatkräftig mithelfen!!!! Nun ist er gestorben und unser Elternhaus + eine weitere Liegenschaft hat allein schon einen Wert von 3Mille. Da wir 5 Geschwister sind müssen wir die ganze Erbschaft durch 5 teilen. Der Freibetrag von 2 Miiionen ist eindeutig zu tief angesetzt!!!! Es trifft leider auch die Falschen!!!!! Monika

  • am 18.05.2015 um 14:25 Uhr
    Permalink

    Weder die sachfernen Grössenvergleiche (Juden oder Homosexuelle!?) noch die historischen Anspielungen überzeugen. Sie weichen der Grundfrage aus: Die immer einseitigere Vermögensverteilung – eben 2% haben gleichviel wie 98% – ist sozial-, gesellschafts- und staatspolitisch höchst problematisch. Steuerfreie Erbschaften sind dafür eine wesentliche Ursache. Sie sind aber auch im Vergleich mit Steuern auf Erwerbseinkommen ungerecht. Vorliegend wirkt die Steuer mit der AHV-Zweckbindung zusätzlich sozial. Verständlich deshalb, dass mir nur fadenscheinige Vergleiche entgegengehalten werden. Treffende Argumente sind nicht leicht zu finden.

  • am 18.05.2015 um 14:34 Uhr
    Permalink

    @Frau Casanova: Fragen Sie doch mal bei Nationalräin Jacqueline Badran nach, welche nun von einer Freigrenze von CHF 4 Millionen spricht. – Wundersame Limitenerhöhung! Damit machen sich die Initianten völlig unglaubwürdig.

  • am 18.05.2015 um 14:47 Uhr
    Permalink

    Nichts von ‹wundersam›: Die 4 Millionen sind nich neu sondern gelten bei Ehepaaren, weil beim ersten Erbgang mit der Ehegatten-Hälfte ’nur› 2 Mio vererbt werden und der Rest erst später anfällt. Zudem: In Frau Casanovas Fall ist offenbar 1 Mio über der m.E. hohen Freigrenze. Für diese Million würden die 5 Erben gem. Initiative 200’000 Franken Steuern bezahlen, also 40’000 pro Kopf, bei einem Erbanteil von Fr. 600’000 pro Kopf. Das ist nicht unverschämt sondern bescheiden für ein arbeitsloses Einkommen.

  • am 18.05.2015 um 15:20 Uhr
    Permalink

    @Rolf Zimmermann: Diese Antwort ist leider eine Mogelpackung. Eltern, welche ihr ganzes Leben arbeitsam aber durchaus bescheiden gelebt haben, haben einen Ehevertrag abgeschlossen, da gibt es beim Hinschied des ersten Elternteils nichts zu erben, wohl aber bei Hinschied des zweiten Elternteils. Und das Haus ist bis zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich schuldenfrei. – Nicht alle Eltern habe fünf Kinder! Und die Erbschaft war niemals arbeitslos, für die Erbschaft ihrer Kinder haben die Eltern hart gearbeitet! Ich weiss nun schon was kommen wird, Herr Zimmermann.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...