Trump könnte Microsoft und Meta zwingen, Europa zu verlassen
Red. Als Vizekanzlerin im Bundeshaus von 1991 bis 2005 leitete die Autorin verschiedene Digitalisierungsprojekte. Nach der Pensionierung engagierte sie sich ehrenamtlich für die Digitalisierung im Bildungsbereich. Heute analysiert Hanna Muralt Müller Chancen und Risiken der künstlichen Intelligenz in ihren Newslettern.
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Die EU reguliert mit drei unterschiedlichen, aber aufeinander abgestimmten Gesetzen wichtige Bereiche ihrer Digitalisierungspolitik. In Ergänzung zum Wettbewerbsrecht bekämpft der Digital Markets Act (DMA) marktbeherrschendes Verhalten und die Bildung von Monopolen bei den grossen Tech-Unternehmungen. Der Digital Services Act (DSA) will auf den Plattformen die Grundrechte schützen.
Die Betreiber sind für den Content rechenschaftspflichtig und sollen mit ihrer Moderation gegen Falschmeldungen und andere, den demokratischen Diskurs gefährdende Inhalte vorgehen. Die beiden Gesetze regulieren mit ihren Massnahmen längst bekannte, überschaubare Probleme und entfalten seit rund einem Jahr ihre volle Wirkung.
Beim dritten Gesetz, dem AI Act, bewegt sich die EU auf dem hochkomplexen und sich dynamisch entwickelnden Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Wie bei den beiden anderen Gesetzen erfolgt die Umsetzung stufenweise, beim AI Act ab 2025. Die Vorgaben im AI Act mussten zuerst in technische, mess- und überprüfbare Massnahmen umgesetzt werden. Hierfür leistete die ETHZ Pionierarbeit, die von der EU begrüsst wurde.
Fortschritte in der KI-Sicherheitsforschung wirken sich auf den Regulierungsbedarf aus. Deshalb beabsichtigt die EU, die Wirkungen des AI Act im Jahr 2028 gemäss Zeitplan zu überprüfen. Auch in diesem Bereich leisten die beiden Eidgenössischen Technischen Hochschulen ETHZ und EPFL, hervorragende Arbeit.
USA lehnen die EU-Regulierungen ab – Trump droht mit Zöllen
Präsident Trump kritisierte gleich zu Beginn seiner Amtszeit die von der EU bereits verhängten, sehr hohen Bussen und erwähnte gemäss der US-(Online-)Zeitung The Hill vom 23. Januar 2025 die Strafen gegen Apple und Google. Apple sollte Irland Steuern im Umfang von 13 Milliarden Euro nachzahlen. Google wurde eine Strafe von 2,4 Milliarden wegen kartellrechtlicher Verstösse auferlegt.
Am 21. Februar 2025 erliess Präsident Trump ein Memorandum mit dem Titel «Defending American Companies and Innovators From Overseas Extortion and Unfair Fines and Penalties». Aus seiner Sicht werden die US-Unternehmen erpresst und mit unfairen Strafen belegt. Er droht mit Zöllen als Gegenmassnahme.
Speziell im Visier sind jene Länder, die mit ihren Vorschriften für digitale Dienste US-Unternehmen Milliardenstrafen (…to plunder American companies…) auferlegen.
Inzwischen dürfte Trumps Ärger noch grösser geworden sein. Trotz mehrfacher Einschüchterungsversuche und Drohungen scheint die EU gewillt zu sein, ihre Regulierungen durchzusetzen.
EU-Bussen im April 2025 gegen Apple und Meta
In Ergänzung zum bestehenden EU-Wettbewerbsrecht wurde der Digital Markets Act (DMA) ab März 2024 rechtsverbindlich. Dieser unterstellt die sogenannten Gatekeeper – Tech-Giganten, die mit ihrer marktbeherrschenden Position kleinere Konkurrenten ausschliessen können – strengeren Kontrollen. Zum ersten Mal, nach rund einjährigen Untersuchungen, verhängte die EU im April 2025 Strafen von 500 Millionen Euro für Apple und von 200 Millionen Euro für Meta wegen Verstössen gegen den DMA (Pressemitteilung der EU-Kommission vom 23.4.2025).
Die EU-Kommission stellte fest, dass Apple andere Entwickler, die ihre Apps über den App Store vertreiben, daran hindere, ihre Angebote zusätzlich auf anderen Vertriebskanälen zugänglich zu machen. Wie das US-Technikportal und Mediennetzwerk The Verge am 23. April 2025 berichtete, habe Apple in engem Kontakt mit der EU bereits zahlreiche Änderungen vorgenommen, um dem DMA zu entsprechen. Umso mehr ist Apple verärgert über die Strafe und wird deshalb Berufung einlegen.
Bei Meta geht es um das «Pay or consent-Modell», das zwischen März 2024 (ab diesem Datum war der DMA rechtsverbindlich) und November 2024 den Nutzenden von Facebook und Instagram nur die Wahl zwischen einer monatlichen Gebühr für eine werbefreie Version oder einem kostenlosen Angebot mit personalisierter Werbung beliess.
Als Reaktion auf die EU-Kritik bietet Meta seit November 2024 eine neue, kostenlose Version mit weniger personalisierten Daten an. Diese wird zurzeit von der EU-Kommission darauf geprüft, ob sie den Vorgaben entspricht. Auch Meta taxiert – so zitiert in The Verge – die Busse in der Terminologie der Trump-Regierung als nichts anderes als ein «Zoll» (…This isn’t just about a fine; the Commission forcing us to change our business model effectively imposes a multi-billion-dollar tariff on Meta…).
USA im Handelskrieg
Trump teilte am sogenannten «Liberation Day» vom 2. April 2025 mit, er wolle die Zölle, die er bereits im Memorandum ankündigte, in zwei Schritten – am 5. und 9. April 2025 – heraufsetzen. Seit 5. April betragen sie 10 Prozent für alle US-Importe. Da die Börsen scharf reagierten, sistierte er die für 9. April vorgesehenen, noch massiveren Zölle für vorerst 90 Tage. Inzwischen laufen zahlreiche bilaterale Verhandlungen im entfachten Handelskrieg.
EU verteidigt ihre Bussen
Wie Reuters bereits am 7. März 2025 berichtete, erklärten EU-Kartellkommissarin Teresa Ribera und EU-Tech-Chefin Henna Virkkunnen, dass es sich bei den DMA-Bussen um keine Zölle handle, da der DMA gegenüber allen grossen Anbietern – beispielsweise auch gegen das chinesische Technologieunternehmen ByteDance mit Tiktok – in gleicher Weise durchgesetzt werde. Gemäss The Guardian vom 2. Mai 2025 wurde Tiktok inzwischen mit einer Geldstrafe von 530 Millionen Euro belegt, weil es nicht garantieren kann, dass China keinen Zugriff auf die Daten der Nutzenden hat. Damit verstösst die Plattform gegen die Datenschutz-Grundverordnung der EU.
Die EU argumentiert, es gehe ihr nicht in erster Linie um Bussgelder, sondern darum, dass die Tech-Unternehmen die nötigen Anpassungen vornehmen, um den Vorgaben zu genügen. Sie hat mit ihren Bussen das im DMA verankerte Höchststrafmass bei weitem nicht ausgeschöpft. Diese betragen zehn Prozent vom weltweiten Jahresumsatz und zwanzig Prozent im Wiederholungsfall und würden gemäss The Verge 16 Milliarden US-Dollar für Meta und 39 Milliarden US-Dollar für Apple betragen. Die Tech-Unternehmen sind offensichtlich bereit, Anpassungen vorzunehmen, wenn auch – wie in den beiden vorliegenden Fällen – nicht in genügendem Ausmass. Es ist anzunehmen, dass die EU mit nur moderaten Bussen den Handelskonflikt nicht weiter anheizen wollte. In beiden Fällen ist mit einem längeren Rechtsstreit zu rechnen.
Kartellrechtliche Verfahren auch in den USA
Im Übrigen verwies die EU auf die kartellrechtlichen Verfahren, die in den USA gegen Google und Meta laufen. Das US-Justizdepartement (Department of Justice, DOJ) verlangt von Google verschiedene Massnahmen zur Öffnung des Suchmarkts, so Reuters am 22. April 2025. Unter anderem könnte Google zum Verkauf des Chrome-Browsers gezwungen werden. Gemäss Ars Technica vom 22 April 2025 – einem US-Blog mit vielen wissenschaftlichen Beiträgen – hat OpenAI zum Ärger von Google bereits Interesse am Chrome-Browser angemeldet.
Bei Meta versucht die Federal Trade Commission (FTC) – so Reuters am 16. April 2025 – die früher bewilligte Übernahme von Instagram und WhatsApp rückgängig zu machen. Meta wird ebenfalls ein monopolistisches Verhalten vorgeworfen.
Aufgrund gesetzlicher Vorgaben dauern kartellrechtliche Verfahren meist lange, aber unbeeinflusst von politischen Konstellationen. Dies könnte dieses Mal anders sein. Die beiden Verfahren wurden zwar in der ersten Amtszeit von Trump initiiert. Allerdings standen Google und Meta damals klar auf der Seite der Demokraten. Heute hofieren beide Tech-Moguln Präsident Trump. In einem Artikel vom 24. April 2025 räsonierte The Washington Post über die Frage, ob sich ihre politische Kehrtwende auszahlen werde oder ob Trump noch eine Rechnung aus der ersten Amtszeit offen habe.
Unvereinbarer Dissens betreffend Meinungsäusserungsfreiheit
Wenn es allenfalls in den USA ein gewisses Verständnis dafür gibt, dass monopolistische Praktiken nicht marktverträglich sind, geht es in der US-Kritik am Digital Services Act (DSA) um einen grundsätzlichen Dissens. In den USA wurde seit jeher die Meinungsäusserungsfreiheit viel offener interpretiert als in Europa. Neu und schockierend ist die fundamentale Kritik der Trump-Regierung, der DSA sei ein Instrument zur Unterdrückung der Meinungsäusserungsfreiheit. Vizepräsident Vance tadelte die EU bereits am AI Summit vom Februar 2025 in Paris und stellte an der Münchner Sicherheitskonferenz kurz darauf die EU auf die Ebene autoritärer Regimes mit ihrer Zensur (siehe Infosperber vom 19.3.2025).
Der DSA verlangt von den Betreibern, dass sie bei illegalen Inhalten, Falschinformationen und bei Online-Aktivitäten, die dem demokratischen Diskurs schaden, für Korrekturmassnahmen sorgen. Die Betreiber sollen insbesondere auch Auskunft darüber geben, wie ihre Algorithmen die Inhalte steuern. Zur Überprüfung hat die EU eine Fachstelle, das Europäische Zentrum für algorithmische Transparenz, geschaffen.
Drohende Strafen bei Nichteinhaltung des DSA
Die massive Kritik am DSA erklärt sich mit den drohenden, vermutlich hohen Strafen bei Nichteinhaltung. Gegen Elon Musk und seine Plattform X läuft bereits ein Verfahren der EU. Am 17. Januar 2025 berichtete The Guardian, die EU-Kommission verlange Einblick in die Algorithmen, um zu prüfen, ob diese gezielt rechtsextreme Inhalte fördern.
Ins Visier des DSA dürfte auch Mark Zuckerberg geraten. Wie Reuters bereits am 8. Januar 2025 berichtete, stoppte er in den USA – nicht in Europa – den langjährigen bisherigen Faktencheck durch externe Faktenprüfer und führte – wie X – die sogenannten Community Notes ein. Danach können die Nutzenden der Plattform die Inhalte kommentieren. Es gilt, nicht was Fakt ist, sondern was Zustimmung findet. Mit dieser Massnahme versuchte Mark Zuckerberg, sich mit Präsident Trump gut zu stellen.
Es wird sich zeigen, ob die EU auch in diesem hochgradig explosiven Konflikt den DSA durchsetzen wird. Auch hier ist vorerst mit längeren Verfahren zu rechnen.
Europa sucht seinen eigenen Weg
Mit seinen Regulierungen, dem DMA, dem DSA und dem AI Act sucht die EU ihren an den europäischen Werten ausgerichteten eigenen Weg. Sie will offensichtlich diesen auch in der aktuellen, schwierigen politischen Lage verteidigen. Sollten die USA nach den 90 Tagen doch noch die Zölle weiter erhöhen, schliesst die EU Gegenmassnahmen – auch gegen Big Tech – nicht völlig aus. So erwähnte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der deutschen Tagesschau am 11. April 2025 eine Abgabe auf den Werbeeinnahmen der US-Digitalkonzerne. Allerdings ist dies wegen der völligen Abhängigkeit Europas von den digitalen Diensten der Big Tech gut zu überlegen.
Wie das US-Online-Nachrichtenportal TechCrunch am 16. März 2025 berichtete, verlangen europäische Tech-Unternehmen griffige Aktionen zur Förderung der digitalen Souveränität Europas, da nicht auszuschliessen sei, dass Trump die Big Tech zwingen könnte, digitale Dienste einzustellen (…forcing US firms to switch off service provision or terminate a supply chain at a pen stroke…), was Europa in grösste Schwierigkeiten brächte. Trump, der gemäss The Guardian vom 4. Mai 2025 militärische Gewalt zur Kontrolle von Grönland nicht ausschliesst, könnte ja auf die Idee kommen, vorerst einmal Dänemark den digitalen Stecker ziehen zu lassen.
Big Tech ist sich der Gefahr bewusst, dass schwindendes Vertrauen bei den europäischen Partnern den wichtigen Europa-Markt beeinträchtigen könnte. Microsoft kündigte bereits am 30. April 2025 zusätzliche Investitionen in Europa an und versicherte seinen Kunden, im unwahrscheinlichen Fall, dass die Firma gezwungen würde, die digitalen Dienste in Europa abzuschalten, alle, auch juristische Massnahmen zu ihrer Aufrechterhaltung ergreifen zu wollen (.. In the unlikely event we are ever ordered by any government anywhere in the world to suspend or cease cloud operations in Europe, we are committing that Microsoft will promptly and vigorously contest such a measure using all legal avenues available, including by pursuing litigation in court…).
Eines ist klar: Die EU ist völlig abhängig von Big Tech, aber Big Tech braucht den europäischen Markt.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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