BhrleKanonen

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Eine Bührle-Kanone für das neue Zürcher Kunsthaus

Wolfgang Hafner /  Standortmarketing oder Auseinandersetzung mit der Vergangenheit? So lautet die Frage beim Neubau des Kunsthauses in Zürich.

Red. Wolfgang Hafner ist Wirtschaftshistoriker und Co-Autor des Buches «Schwarzbuch Bührle», das im Rotpunktverlag erschienen ist.

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Die Provenienzforschung, das heisst die Forschung rund um Raub, Enteignung und den zwangsweisen Verkauf von Kunstgegenständen sowie das damit verbundene Geschäft, können eine Dynamik entfalten, die alles andere dominiert und notwendige politische Auseinandersetzungen verdrängt. Tritt dieser Fall ein, sind es die Anwälte, die das Bild der Geschichte prägen. Das hat die Schweiz bereits bei der Aufarbeitung des zweiten Weltkriegs erlebt: Zwar wurde weit über eine Milliarde an internationale jüdische Organisationen zur Weiterverteilung an die Opfer und deren Nachkommen ausbezahlt, der Bericht der Bergier-Kommission zur Kenntnis genommen, aber letztlich kam es zu keiner breiteren, nachhaltigen Diskussion.

Im Zentrum steht die Frage des «gerechten» Preises

Meistens geht es bei der Provenienzforschung um die Situation zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft. Letztlich wird bei dieser Forschung ein komplexes historisches Ereignis wie der zweite Weltkrieg und die damit verbundene Verfolgung und Vernichtung von Millionen von Menschen auf einen vor allem juristisch definierten Teilaspekt reduziert. Im Zentrum steht die Frage des «gerechten» Preises. Und diese juristischen Fragen – wo wurde wann welcher Preis bezahlt beziehungsweise nicht bezahlt – alimentieren das millionenschwere Provenienz-Business.

Die Provenienzforschung hat den Diskussionen um die Ausstellung der Bührle-Sammlung im geplanten Kunsthaus-Neubau* den Stempel aufgedrückt. Sowohl die Vertreter der Bührle-Stiftung als auch deren Kontrahenden, die Herausgeber des «Schwarzbuch Bührle», fochten in den Medien beinahe ausschliesslich um das richtige, auch transparente Vorgehen bei der Provenienzforschung. So, wenn etwa die Vertreter der Bührle-Stiftung, versichern: «We mainly focus on the works. We do not deal with the family story at all. No matter where you look in the world, if you have a big family name, even the Rockefellers, you never say their money was always clean.»

Dass Bührles Sammlung von vorwiegend französischen Impressionisten im Kunsthaus ausgestellt wird, ist nach der Volksabstimmung klar. Unklar bleibt jedoch, inwiefern Bührle als reichem Zürcher mit dem Pavillon im Zeichen der Standortförderung ein Denkmal errichtet werden soll, das keinen Bezug auf seine persönliche – auch «braune» – Vergangenheit machen will.

Die Beziehungen Bührles mit dem Nazi-Regime

Tatsächlich schloss sich Emil G. Bührle nach dem ersten Weltkrieg, den er als Leutnant beendete, einem der berüchtigten Freikorps als Adjutant an. Die Freikorps setzten mit Waffengewalt rücksichtslos Ruhe und Ordnung im Nachkriegsdeutschland durch. Der deutsche Historiker Hans U. Wehler schrieb zu den Freikorps: «Abseits der Haager Landkriegsordnung folgten sie (die Freikorps) ihren eigenen brutalen Regeln und einem verstiegenen Macho-Ehrenkodex, der sie vor Mord, Gefangenenerschiessung und Folter nicht zurückschrecken liess.» Dieses Umfeld mit den Freikorps als Herolde des kommenden Dritten Reiches prägte im Wesentlichen die folgenden Jahre Bührles: Bereits bei der Gründung der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon wurde Bührle als Direktor eingesetzt.

Nach der Gründungsphase in der Mitte der 20er Jahre, die im Wesentlichen unter der Kontrolle der Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik erfolgte und unter der Leitung des Generaldirektors und Waffenkonstrukteurs Hans Lauf stand, gingen knapp unter 50 Prozent der Aktien 1927 in den Besitz der Grafen Solms-Laubach und deren Vermögensverwaltung über. In dieser Veränderung des Aktionariats widerspiegelt sich die zukünftige Entwicklung im damaligen deutschen Reich: Ein wichtiger Repräsentant der Familie der Solms-Laubach hatte bereits 1923 Hitler um eine Unterredung gebeten.

1925 gründete einer der Grafen zusammen mit einem späteren SS-General den «Nationalblock in Hessen», einen Zusammenschluss nationalsozialistischer und völkisch ausgerichteter Parteigänger und Orden. Ein anderes Familienmitglied wurde 1931 NSDAP-Abgeordneter im hessischen Landrat. Und 1932 fand auf dem gräflichen Besitz die Sonnenwendfeier statt, an der zahlreiche nationalsozialistische Prominenz (unter anderm Göring) auftrat. Einer der Grafen sprach an der Veranstaltung unter dem Hakenkreuz in einer NSDAP-Uniform. Der andere Bruder, Georg Friedrich, der als ältester der Familie vorstand, trat 1933 mit seiner Kämpfervereingung «Stahlhelm» unter fliegenden Fahnen in die NSDAP ein.

Waffenproduktion, Korruption, Bestechung und Geldwäscherei

In dieser Zeit der politischen Schulterschlüsse in Deutschland wurde die 20-mm-Kanone in der Schweiz unter der Leitung Bührles mit Hilfe deutscher Konstrukteure perfektioniert. Diese Phase bis zur Mitte der 30er Jahre war für das weitere Schicksal des Bührle’schen Unternehmens entscheidend – und gerade während dieser Zeit konnten die mit den Nationalsozialisten verbundenen, beziehungweise sympathisierenden Grafen Solms-Laubach mit ihrem Aktienpaket einen zentralen Einfluss auf das Unternehmen ausüben. Sie konnten auch missliebige Verwaltungsräte verhindern. Erst 1936/37 wechselten diese Aktien der Solms-Laubach in die Hände Bührles und seiner Familie.

Das Aktionariat war nur ein Aspekt der Verbindung Bührles mit dem nationalsozialistischen Umfeld. Ein weiteres waren seine Geschäftskontakte. Zu ihnen gehören etwa Waldemar Pabst, der Mörder Rosa Luxemburgs; auch einer der Initiatoren des Kapp-Putsches, Max Bauer etc. Dazu kam ein geheimer Vertrag mit dem deutschen Heereswaffenamt, das diesem gegen eine Beteiligung an den Entwicklungskosten der 20-mm-Kanonen ein Recht auf die Konstruktionspläne und einen Einfluss auf den Vertrieb der von Bührle entwickelten Geschütze einräumte. Und während dem zweiten Weltkrieg – den Jahren, in denen Bührle sein Vermögen machte – waren die Korruptions- und Bestechungszahlungen Bührles zeitweise grösser als alle Lohn- und Honorarzahlungen des Unternehmens. Die Werkzeugmaschinenfabrik Bührle-Oerlikon war nicht nur ein grosser Umschlagplatz für Waffen, sondern auch eine riesige Geldwaschanlage im Dienste des nationalsozialistischen Filzes.

Fragwürdige Äusserungen des Sprechers der Bührle-Stiftung

Diese wenigen Hinweise dokumentieren die engen Beziehungen Bührles zu den kriegstreibenden Kräften im Dritten Reich. Dabei davon zu reden – wie das der Sprecher der Bührle-Stiftung tut, dass eben überall wo es Licht hat, auch Schatten sei – ist fragwürdig, wenn nicht grotesk. Es sei denn, die Vertreter der Stiftung empfinden das Verhalten Bührles und sein Beziehungsfeld vor und während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft als «normal».

Dass die wichtigsten politischen Kräfte der Stadt Zürich die Bilder der Sammlung Bührle im Rahmen des Kunsthaus-Neubaus der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen, ist begrüssenswert. Die Kunstwerke sind für die Öffentlichkeit bestimmt und sollten nicht als Vermögensanlage in den Tresors verschwinden. Allerdings werden mit der Ausstellung grosse moralische Risiken eingegangen, falls nicht zumindest bis zum Zeitpunkt der Eröffnung der Austellung die überwältigend dunklen Schatten offen gelegt werden.

Wieso nicht eine 20-mm-Kanonen im neuen Pavillon ausstellen?

So stellt sich für die Behörden der Stadt Zürich die Frage, wie dynamisch und offen Zürich mit dem widersprüchlichen Vermächtnis eines seiner reichsten Bürger umgehen soll: Soll sich die Stadt offensiv um die Bührlesche Vergangenheitsbewältigung bemühen oder soll sie den vorgeschlagenen, engen Weg der Vertreter der Bührle-Stiftung weitergehen mit dem Risiko, dass die Bührle-Sammlung zu einem Rohrkrepierer wird?

Eine aktive Auseiandersetzung mit der Geschichte könnte auch die Künstler der Stadt miteinbeziehen. Sie müssten versuchen situativ und der Aufgabe des Kunsthauses entsprechend Kunst und deren Zurschaustellung auch gesellschaftlich-kreativ auf ihre historischen Hintergründe zu befragen. Warum nicht eine der 20-mm-Kanonen, die ja das Fundament für den Wohlstand Bührles bildeten, im neuen Pavillon ausstellen, flankiert von Bildern und Fotos mit den frühen Aktionären? Anish Kapoor hat im Gropius-Bau in Berlin mit seiner blutverspritzenden Kanone bereits eine erste Idee für eine mögliche diskursive Präsentation geliefert.

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* Die Bührle-Bildersammlung soll im Jahr 2020 in den Neubau des Zürcher Kunsthauses überführt werden, den die öffentliche Hand mit 90 Millionen Franken unterstützt.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Wolfgang Hafner ist Wirtschaftshistoriker und Co-Autor des Buches «Schwarzbuch Bührle: Raubkunst für das Kunsthaus Zürich?», das im Rotpunktverlag erschienen ist.

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