Röstis Flüsterbeläge: Kurzlebig und teuer
«Innerorts sollen auf stark befahrenen Strassen lärmarme Beläge eingebaut werden, um die Vorgaben der Lärmschutzverordnung einzuhalten. Temporeduktionen aus Lärmschutzgründen können vorübergehend angeordnet werden – bis der lärmarme Belag eingebaut ist und die Lärmbelastung dadurch behoben wird.» Das hat der Bundesrat diese Woche beschlossen und ist damit dem Willen von Albert Rösti (SVP) gefolgt.
Und damit den Unmut des Gemeinde- und des Städteverbands auf sich gezogen. In einer gemeinsamen Medienmitteilung schreiben die beiden Verbände, der Handlungsspielraum der Gemeinden «darf keinesfalls durch weitere Vorgaben auf Bundesebene eingeschränkt werden». Die Vorgaben des Bundesrats würden «zu Mehrkosten, Verzögerungen und zusätzlichem Aufwand führen», schreiben die Verbände.
Warum reagieren sie so heftig? Was haben sie gegen Flüsterbeläge?
Zuerst einmal zum Verkehrslärm: Bei einem Auto, das mit konstanter Geschwindigkeit fährt, dominieren schon ab etwa 20 Kilometern pro Stunde die Abrollgeräusche. Weil Autos in den letzten Jahren schwerer geworden sind und weil sie auf breiteren Pneus rollen, hat sich das Problem der Abrollgeräusche eher noch verschärft. Autos mit Elektromotor bringen da keine Linderung, weil sie noch schwerer sind als Autos mit Verbrennungsmotor.
Glatte Oberfläche, viele Poren
Linderung kann aber ein geeigneter Strassenbelag bringen. Entscheidend sind die Beschaffenheit der Oberfläche und die Hohlräume. Je glatter die Oberfläche ist und je mehr Poren der Belag hat, desto weniger Lärm verursachen die Fahrzeuge, die darüber rollen. Als Flüsterbeläge gelten Beläge dann, wenn sie anfangs eine Lärmreduktion von drei Dezibel bewirken – was einer Halbierung der Verkehrsmenge entspricht – und am Ende der Lebensdauer eine Reduktion von einem Dezibel.
Damit ist schon das erste Problem benannt: Die Wirkung der Flüsterbeläge nimmt mit der Zeit ab – und zwar schon ziemlich rasch. Denn sie sind empfindlich. Wenn kleine Asphaltstücke herausbrechen (in der Fachsprache: Kornausbrüche), dann büssen sie einen Teil ihrer Wirkung ein. Und zu diesen Kornausbrüchen kommt es ziemlich leicht. Zum Beispiel dann, wenn Wasser eindringt und gefriert. Mit Mikrofräsen kann ein Teil der Schäden wieder ausgeschliffen werden.
Nicht sehr robust
Die Flüsterbeläge verlieren einen Teil ihrer Wirkung aber auch, wenn sie stark belastet werden. Zum Beispiel in engen Kurven, bei Lichtsignalanlagen, wo Fahrzeuge bremsen und beschleunigen, sowie in Steigungen. Eine Studie der Bundesämter für Strassen (Astra) und Umwelt (Bafu) hat gezeigt, dass Flüsterbeläge bereits im ersten Jahr ein halbes bis drei Dezibel ihrer Wirkung verlieren.
Die Wirkung beeinträchtigen nicht nur Belagsschäden, sondern auch Schmutz. Deshalb müssen Flüsterbeläge bereits gereinigt werden, bevor der Schmutz sichtbar ist. Spezielle Reinigungslastwagen spritzen Wasser in die Poren und saugen es gleich wieder ab.

Gemindert wird die Wirkung von Flüsterbelägen auch von Schachtdeckeln, von Betonelementen an Bushaltestellen und in Kreiseln, von Fussgängerstreifen und von anderen Fahrbahnmarkierungen mit rauer Oberfläche (so genannte Strukturmarkierungen). Vor allem bei besonders lärmarmen Belägen sind die Geräusche solcher Elemente störend. Deshalb müssen Schachtdeckel und Betonelemente besonders passend eingebaut werden. Zudem eignen sich Farbmarkierungen besser als Strukturmarkierungen. Allerdings halten sie weniger lange.
Nachteile haben Flüsterbeläge gegenüber herkömmlichen Belägen auch bezüglich der Griffigkeit. Weil die Oberfläche sehr glatt ist, kann sich der Bremsweg der Fahrzeuge verlängern.

Das grösste Problem sind allerdings die Kosten. Viel teurer als ein herkömmlicher Belag ist ein Flüsterbelag zwar nicht. Aber der Unterhalt ist teuer. Und die Lebensdauer ist wesentlich kürzer. Ein herkömmlicher Belag muss nach 25 bis 30 Jahren ersetzt werden. Ein Flüsterbelag hingegen schon nach 10 bis 15 Jahren.
«Weniger Lärm, flüssigerer Verkehr, mehr Sicherheit»
Massnahmen wie Lärmschutzwände und Lärmschutzfenster sind unbefriedigend, weil sie nur Symptome bekämpfen. Besser ist es, den Lärm an der Quelle zu reduzieren. Dazu eignet sich – auch wenn der Bundesrat das anders sieht – neben den beschriebenen Flüsterbelägen besonders Tempo 30.
Die Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern hält auf ihrer Website schon länger fest: «Bei tieferer Geschwindigkeit entsteht weniger Lärm. Brems- und Beschleunigungsvorgänge nehmen ab. Zudem wird je nach Strassengestaltung der Verkehr flüssiger. Gleichzeitig wird die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer erhöht.»
Und der Städteverband hebt hervor, Tempo 30 sei «eine wirkungsvolle, kostengünstige und einfach umsetzbare Massnahme – namentlich im Vergleich zu baulichen Massnahmen». Also auch im Vergleich zu Flüsterbelägen, die der Bundesrat forcieren will.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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