Donald Trump, Vladimir Zelenskyy und Vladimir Putin.

Alle reden von Frieden, sind sich aber uneinig. © weyo/Depositphotos

Warum die Ukraine-Verhandlungen bisher scheiterten  

Markus Mugglin /  Was man aus dem Scheitern der bisherigen Ukraine-Friedensverhandlungen lernen kann. Ein Vorschlag aus den USA.

Die Europäer fordern einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine und beschliessen neue Sanktionen gegen Russland. Der russische Präsident Wladimir Putin gibt sich verhandlungsbereit, sofern auch die Gründe des Konflikts Thema sind, der ukrainische Präsident Selensky setzt auf mehr Druck auf Russland, US-Präsident Donald Trump will ein schnelles Ende des Krieges, schafft aber nicht, was er grossmaulig versprach.  

Die Prioritäten driften weit auseinander. Immerhin reden seit Trumps-Amtsantritt alle über ein Ende des Krieges. Doch der Weg dorthin fällt schwer.  Wie es gehen könnte und welche Lehren aus «drei Jahren zermürbendem Krieg und stockenden Verhandlungen» zu ziehen sind, analysieren der Sicherheitsexperte Samuel Charap vom auf militärstrategische Fragen spezialisierten Think Tank Rand Corporation und der Historiker Sergey Radchenko von der John Hopkins University in der amerikanischen Strategiezeitschrift «Foreign Affairs». Auf die Frage «Warum Friedensverhandlungen in der Ukraine gescheitert sind» antworten sie mit fünf Lektionen.

Die fünf Lehren

  • Das oberste Gebot für beide Seiten ist die Gewährleistung ihrer langfristigen Sicherheit.
  • Alle Parteien, deren Interessen bei den Verhandlungen auf dem Spiel stehen, müssen am Tisch sitzen.
  • Die mangelnde Bereitschaft des Westens, der Ukraine Sicherheitsgarantien zu geben, bleibt ein Hindernis für eine Einigung.
  • Der Optimismus einer Kriegspartei über ihre Aussichten auf dem Schlachtfeld kann ihr Interesse an einer Einigung schmälern
  • Die Mechanismen eines Waffenstillstands sind nicht weniger wichtig als die hochpolitische Einigung über die Nachkriegsordnung. Die Parteien müssen beides parallel verhandeln, wenn sie den Krieg beenden wollen.

Ängste beider Seiten ernst nehmen

Ein dauerhafter Frieden sei nur möglich, wenn ein Abkommen die Ängste beider Seiten auf lange Sicht adressiere. Aus der Sicht Russlands gehe es um den Verzicht der Ukraine auf eine Nato-Mitgliedschaft und um eine «gewisse Begrenzung» der militärischen Bewaffnung. Die Ukraine wolle sich umgekehrt militärisch verteidigen können und wünscht sich Sicherheitsgarantien westlicher Mächte im Falle neuer Angriffe auf ihr Territorium.

Gegenüber diesen gegenseitigen Sicherheitsvereinbarungen stufen Charap und Radchenko den Status der umstrittenen Territorien wie die Krim, die Frage der Sanktionen und der Wiederaufbau nach dem Krieg – so wichtig diese auch seien – trotzdem nur als zweitrangig ein. Dass zuletzt mehr über die Kontrolle der Krim oder von Donbass und Luhansk diskutiert wurde, beurteilen sie als Ablenkung von den letztlich entscheidenden Streitpunkten und Hauptsorgen sowohl der Ukraine als auch Russlands.

Alle am Verhandlungstisch und Sicherheitsgarantien

Erfolgreich könnten die Verhandlungen nur sein, wenn alle involvierten Parteien mit am Tisch sind. Daran habe es schon vor drei Jahren in Istanbul gemangelt, wo sich nur die Ukraine und Russland trafen. Sie tauschten sich aber auch über die Rolle aus, welche die USA und ihre Verbündeten bei den Sicherheitsgarantien erfüllen sollten.

Die Ukraine habe es offenbar – wie Charap und Radchenko schreiben – ohne Konsultation der USA und anderer westlicher Verbündeter getan. Das sei ein Grund gewesen, weshalb die Verbündeten abgeneigt waren, die damalige Verlautbarung zu den Verhandlungen zu begrüssen. Noch wichtiger sei wohl gewesen, dass die USA sich hätten bereitfinden sollen, im Falle eines neuen Angriffs auf Seiten der Ukraine zu intervenieren. Die Verpflichtung sei noch strikter formuliert gewesen als die Beistandspflicht in Artikel 5 des Nato-Vertrags.

Auch die Europäer hätten keine Sicherheitsgarantien gewähren wollen. Die jetzigen Diskussionen über europäische Truppen in der Ukraine würden keine Antwort auf die Forderung von Sicherheitsgarantien bieten. Eine Truppenpräsenz erachten Charap und Radchenko nicht als Voraussetzung für Sicherheitsgarantien.  

Lage auf dem Schlachtfeld und der Einfluss der USA

Entscheidend für den Erfolg von Verhandlungen sei auch die Lage auf dem Schlachtfeld. Je nach Stärke oder Schwäche sinke oder steige das Interesse daran. Auch das habe sich vor drei Jahren in Istanbul gezeigt. Russland sah sich zum Rückzug aus der Region Kiew gedrängt, die Ukraine fühlte sich militärisch im Vorteil und deshalb weniger zu Konzessionen gezwungen.

Die USA hätten grossen Einfluss auf das Kriegsgeschehen. Sie müssten ihre militärische Hilfe «sorgfältig» dosieren und könnten zeigen, dass sie sich für die Wahrung der Souveränität der Ukraine einsetzen, einen russischen Sieg verhindern, die Ukraine aber nicht bis zur Wiederherstellung ihrer international anerkannten Grenzen unterstützen. Es entstünde eine Pattsituation, die für beide Seiten Gespräche attraktiver machten als weitere Kämpfe.

Mechanismus für Waffenstillstand

Für den Erfolg der Verhandlungen sei auch wichtig, wie ein Waffenstillstand erreicht werden kann. Das sei weder in den Verhandlungen von 2022 in Istanbul noch in den Bemühungen des US-Präsidenten Donald Trump geschehen.

In Istanbul hätten sich die Ukraine und Russland fast nur mit dem Schlussergebnis der Verhandlungen beschäftigt. Beide versuchten mit «bewundernswerter Ambition»  die grossen geopolitischen Streitpunkte zu überbrücken: die Frage der Nato-Erweiterung, die Rolle der Ukraine in der europäischen Sicherheitsordnung und die Sicherheitsgarantien der USA im post-sowjetischen Raum. Wenig bis nichts sei über den Weg zu einem Ende des Krieges verhandelt worden.

Umgekehrt habe sich US-Präsident Trump zuerst vor allem um einen Waffenstillstand bemüht. Er forderte einen bedingungslosen vollständigen 30-tägigen Waffenstillstand, danach ein Abkommen, das Angriffe auf die Energieinfrastruktur und die Schifffahrt im Schwarzen Meer ausschliessen sollte. Als beides fehlschlug, setzte Trump vor allem die Ukraine unter Druck. Sie müsse auf die Krim und auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten. Später ging es Trump vor allem um seinen Rohstoffdeal mit der Ukraine, und er drohte, sich aus der Rolle des Friedensmachers zurückzuziehen.

Fortschritte in mehreren Bereichen gleichzeitig nötig

Sowohl die vor drei Jahren gescheiterten Istanbul-Verhandlungen als auch die aktuellen Schwierigkeiten von Donald Trump, den Krieg zu einem Ende zu führen, zeige – so folgern Charap und Radchenko – dass «die Mechanismen des Waffenstillstands als auch die Elemente einer politischen Lösung» parallel auszuhandeln sind. Fortschritte in einem Bereich würden von Fortschritten im anderen Bereich abhängen.

Noch gibt es keine Anzeichen, dass die Akteure die von den US-amerikanischen Strategieexperten Charap und Radchenko vorgeschlagenen Lektionen aus den gescheiterten Friedensbemühungen gelernt haben. Die Europäer fordern einen Waffenstillstand und setzen auf Sanktionen vor weiteren Verhandlungen. Russland rückt die Beseitigung der Ursachen des Konflikts ins Zentrum, US-Präsident Trump priorisiert mal einen sofortigen Waffenstillstand, mal den Deal über die ukrainischen Rohstoffe oder schliesst eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine aus und gibt die Krim preis oder  droht mit dem Rückzug aus den Verhandlungen. Ukraines Präsident Selensky wirbt bei den Europäern und den USA um grösseren Druck auf Russland.

All das sieht nicht nach einem schnellen Ende des Krieges aus. Die Konferenzen, Telefongespräche und Reisediplomatie nach Istanbul, Kiew, Tirana oder Brüssel seit der Publikation der Analyse von Samuel Charap und Sergey Radchenko vor zwei Wochen haben wenig bewirkt. Aussichtslos schätzen die Autoren die Lage aber nicht ein. Die Verhandlungen in Istanbul vor drei Jahren hätten gezeigt, dass Selensky und Putin für «politisch riskante Kompromisse, die für den Frieden notwendig sind, offen sein können».  


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Ukraine_Sprachen

Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden

Eine Meinung zu

  • am 24.05.2025 um 10:44 Uhr
    Permalink

    Naja, Trump hat wenigstens probiert, einen Frieden zu installieren, was man von keinem Politiker des Wertewesten sagen kann. Europa hat diese Bemühungen klar torpedierr, mir ihrer Ankündigung von weiteren milliardenschwere Waffenlieferungen. Denke Europa muss erkennen, dass sie Putin was anbieten müssen,anstatt weitere Sanktionspakete zu schnüren. Die Krim und der Natobeitritt sind eh völlig unrealistisch, zurzeit ist die militärische Entwicklung auf dem Kampfgebiet auf Russlands Seite, das müsste eingesehen werden. Russland kann auch auf harte Fakten dort setzen,deshalb hat es Putin nicht eilig, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. Der Westen sollte endlich die Lage richtig einschätzen, etwas das sie seit 2014 nicht machen zum Leid der Ukrainischen Bevölkerung. Unglaublich wie viel sinnloses Blut dort vergossen wurde, dank den hohlen Phrasendrescher und ideologisch verblendeten Politiker.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...