Verletzter Soldat

Waffen verletzen Soldaten und Zivilpersonen. © zabelin / Depositphotos

Der internationale Rüstungswahnsinn in Zahlen

Heinrich Frei / Martina Frei /  Mehr als die Hälfte der weltweiten Ausgaben für Waffen und Rüstung gaben 2024 die Nato-Länder aus.

Red. – Heinrich Frei ist Vorstandsmitglied von Swisso Kalmo und setzt sich für eine nachhaltige Friedenspolitik ein.

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Nie zuvor seit 1990 gaben Regierungen so viel Geld für Waffen und Kriegsmaterial aus: 7,1 Prozent aller Staatsausgaben weltweit wurden 2024 in (potenzielle) Verteidigung und/oder Angriff investiert. Pro Person und Tag macht das circa 0,92 US- Dollar. 

Zum Vergleich: Etwa 690 Millionen Menschen – rund 8,5 Prozent der Weltbevölkerung – leben in extremer Armut. Ihnen stehen weniger als 2,15 Dollar pro Tag zur Verfügung.

Laut dem «Stockholm International Peace Research Institute» (Sipri) war 2024 ein beispielloser Anstieg der Militärausgaben zu verzeichnen – der stärkste Anstieg gegenüber einem Vorjahr seit dem Ende des Kalten Krieges. Die weltweiten Militärausgaben stiegen gegenüber 2023 um 9,4 Prozent auf nunmehr 2718 Milliarden US-Dollar. Das schreibt das Sipri in einem aktuellen Bericht über «Trends bei den weltweiten Militärausgaben».

Über die Hälfte des weltweiten Militärbudgets entfielen auf die Nato-Länder

Fast die Hälfte dieses Geldes bezahlten die Menschen in den USA und China – wobei die USA 3,2-mal mehr für Waffen und andere Kriegsgeräte ausgaben als China. Etwa 80 Prozent der weltweiten Militärausgaben werden von der Bevölkerung in 15 Ländern finanziert. 

Die 32 Mitgliedsländer der Nato gaben letztes Jahr laut Sipri 1506 Milliarden Dollar fürs Militär aus. Das sind 55 Prozent der weltweiten Aufwendungen. (Diese Summe weicht aufgrund etwas anderer Berechnungsmethoden von den offiziell ausgewiesenen Zahlen der Nato ab.)

Zum Vergleich: Alle afrikanischen Länder zusammen trugen 1,9 Prozent (rund 50 Milliarden Dollar) zu den weltweiten Militärausgaben bei.

Schätzung der Pro-Kopf-Militärausgaben 2024

weltweite Militärausgaben 2024
Quelle für die Bevölkerungszahlen: Wikipedia, Quelle für die Militärausgaben: Sipri. Etwas grössere Auflösung hier.

Forscher warnt vor erheblichen gesellschaftlichen Folgen

«Über 100 Länder auf der ganzen Welt haben ihre Militärausgaben im Jahr 2024 erhöht. Da die Regierungen der militärischen Sicherheit zunehmend Priorität einräumen, oft auf Kosten anderer Haushaltsbereiche, könnten die wirtschaftlichen und sozialen Kompromisse in den kommenden Jahren erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaften haben», so Xiao Liang, Forscher beim Sipri-Programm für Militärausgaben und Waffenproduktion.

Laut dem Sipri-Bericht habe beispielsweise Frankreich evaluiert, ob es private Ersparnisse nützen könne, um die französische Waffenindustrie zu unterstützen. Grossbritannien plane, bei der Entwicklungshilfe zu kürzen. Japan habe vor, die Einkommens-, Unternehmens- und Tabaksteuern zu erhöhen. Andere Länder schufen Extra-Fonds oder liehen sich Geld in grossem Stil, um die Ausgaben zu finanzieren. 

Militarisierung von Deutschland: an vierter Stelle weltweit

«Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung wurde Deutschland zum Land in Westeuropa mit den höchsten Militärausgaben, was auf den 2022 angekündigten Verteidigungssonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro zurückzuführen ist», zitiert Sipri Lorenzo Scarazzato, Forscher beim Sipri-Programm für Militärausgaben und Rüstungsproduktion. «Die jüngste Politik in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern deutet darauf hin, dass Europa in eine Phase hoher und steigender Militärausgaben eingetreten ist, die wahrscheinlich in absehbarer Zukunft anhalten wird.»

Deutschland, Grossbritannien, Frankreich und Italien wendeten 2024 zusammen 273 Milliarden Dollar für das Militär auf – 1,8-mal mehr als Russland. Deutschland stand 2024 mit Militärausgaben von 88,5 Milliarden Dollar an vierter Stelle weltweit. Diese Rechnung gilt allerdings nur, wenn man die Waffenlieferungen an die Ukraine dem deutschen Budgets zuschlägt. Würden alle Rüstungsgüter, welche die Ukraine von anderen Ländern erhielt, der Ukraine zugerechnet, dann hätte dieses Land mit 125 Milliarden Dollar bei den Rüstungsausgaben im Jahr 2024 weltweit an vierter Stelle gestanden. 

Anteil der Länder an den Rüstungsausgaben
Die 15 Länder mit den höchsten Militärausgaben im Jahr 2024.

Schätzung für Russland und China ist unsicher

Laut Sipri betrugen 2024 die Militärausgaben der USA 997 Milliarden US-Dollar, jene von Russland schätzungsweise 149 Milliarden USD. Allerdings schränkt Sipri ein, dass Russlands Militärbudget «zunehmend undurchsichtig» geworden sei und das Land vermutlich mehr aufwende als diese Schätzung. Schätzungsweise 19 Prozent aller Ausgaben der russischen Regierung seien 2024 ins Militär geflossen. 

Das «Stockholm International Peace Research Institute» ist mit rund 55 Mitarbeitern der Buchhalter der Kriege, der Militär- und der Rüstungsausgaben. Finanziert wird das Sipri zur Hälfte von der schwedischen Regierung. Diese erlaubte es 2024 der schwedischen Rüstungsindustrie, für 29 Milliarden Kronen (3 Milliarden US-Dollar) Kriegsmaterial zu exportieren. Das waren 63 Prozent mehr als 2023.

Laut dem Sipri-Chef Dan Smith würden viele Länder «gravierende Lücken in ihrer Verteidigungsfähigkeit» feststellen. Er hält das aktuelle Ausmass an Aufrüstung für «vernünftig» – eine ungewöhnliche Aussage des Leiters eines internationalen Friedensforschungs-Instituts.

Land«Rangliste» bei den Militär-ausgabenMilitär-
ausgaben 2024 in Milliarden Dollar
Steigerung gegenüber 2023 in ProzentSteigerung gegenüber 2015 in ProzentAnteil an den weltweiten Militär-ausgaben in ProzentAnteil an der Welt-bevölkerung in Prozent
USA19975,719374,24
China2[314]7,059[12]8,96
Russland3[149]38100[5,5]1,75
Deutschland488,528893,31,04
Indien486,11,6423,217,49
Grossbritannien681,82,8233,00,85
Saudi-Arabien7[80,3]1,5minus 20[3,0]0,45
Ukraine*864,72,912512,40,44
Frankreich964,76,1212,40,85
Japan1055,321492,01,53
Südkorea1147,61,4301,80,65
Israel1246,5651351,70,12
Schweiz376,73,1260.20,00001
Philippinen406,119670,21,47

*Waffenlieferungen von anderen Ländern an die Ukraine wurden den Geberländern zugeordnet; Angaben in [Klammern] bedeuten ungefähre Schätzung. Quellen: Sipri, «Trends in World Military Expenditure», April 2025; CIA, «The World Factbook»

Knapp 17 Milliarden Dollar bräuchte es, um die Hungerkrise zu beheben

Vergleich Militärausgaben
Ein Bruchteil dessen, was für Waffen ausgegeben wird, würde genügen, um den Hunger zu stillen.

Wenn nur ein Bruchteil der weltweiten Militärausgaben von 2718 Milliarden US-Dollar für Schulbildung, medizinische Behandlung und Altersversorgung eingesetzt würden, müsste niemand mehr hungern. Alle Kinder dieser Welt könnten in die Schule gehen. Jedermann könnte Hilfe erhalten, wenn er krank und alt wird. Aber nur schon bei der Finanzierung des Welternährungsprogramms (WFP) harzt es.

Das WFP forderte kürzlich rund 16,9 Milliarden US-Dollar, um die eskalierende globale Hungerkrise zu bewältigen. Diese Summe entspricht in etwa dem, was Regierungen weltweit in 2,5 Tagen für das Militär ausgeben. Finanzierungslücken im Jahr 2024 zwangen das WFP, seine Aktivitäten zu reduzieren, wodurch einigen der Schwächsten nicht geholfen werden konnte. Sie verhungerten.

Die Weltbank spricht von einem Stillstand bei der Armutsbekämpfung. Nach Angaben des WFP nimmt der Hunger weiter zu: 343 Millionen Menschen in 74 Ländern seien heute von akuter Unsicherheit in der Versorgung durch Nahrung betroffen – ein Anstieg von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dazu gehören 1,9 Millionen Menschen, die am Rande einer Hungersnot stehen, wobei in Regionen wie Gaza, Sudan, Südsudan, Haiti und Mali katastrophaler Hunger zu verzeichnen ist.

Bisher waren die USA mit Abstand der wichtigste Unterstützer des Welternährungsprogramms. Doch die neue US-Regierung reduzierte die Unterstützung von UNO-Organisationen, was bereits katastrophale Auswirkungen hatte. (hf)

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Heinrich Frei ist ist Vorstandsmitglied von Swisso Kalmo, Passivmitglied der «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee» GSoA und setzt sich für eine nachhaltige Friedenspolitik ein.
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