Kommentar

Peter Studer: Er liebte das Haptische

Bruno Glaus ©

Bruno Glaus /  Der frühere Chefredaktor des Schweizer Fernsehens und des «Tages-Anzeigers» ist 88-jährig gestorben. Eine persönliche Würdigung.

Red. Rechtanwalt Bruno Glaus arbeitete in den 80er Jahren als juristischer Redaktor unter Chefredaktor Peter Studer. Mehr als zwanzig Jahre später schrieb er mit ihm die Bücher «Kunstrecht» (im Werkverlag) und «Kunst- und Kulturrecht» im Saldoverlag. 

Im Buch «Läufer, Mietmaul, König» (Orell Füssli 2005) ist Peter Studer einer der 17 porträtierten Anwälte und Anwältinnen. Untertitel: «Anwälte an der Schnittstelle von Recht und Macht». Peter Studer wählte die Medien. Sein Credo: Neugierde, Wahrhaftigkeit, Transparenz und Fairness. Er focht nicht mit Paragrafen, sondern mit Ethik und Moral. Audiatur et altera pars.

Als erster vollamtlicher USA-Korrespondent des «Tages-Anzeigers» erlebte er die Watergate-Affäre hautnah mit: «Eine Sternstunde des investigativen Journalismus». Als Chefredaktor des Tages-Anzeigers (1978-1987) räumte er den «muckrakers» oder Schmutzaufwühlern viel Raum und Vertrauen ein. Thalmann (Verena) und Glaus (Bruno) durften zum berüchtigten «Narkoseunfall» an der Frauenklinik über Tage ganze Seiten füllen mit Frontanrissen. Die Rekonstruktion des tödlichen Endes eines Rasers in der Siedlung «Im Eisernen Zeit» in Zürich schaffte es gar in Lehrbücher. Die Wahrheit aufzudecken war sein höchstes Anliegen. Noch im hohen Alter hielt er mir vor, nie die «Hintermänner» der 80er Jugendunruhen aufgedeckt zu haben. Dies mit verschmitztem liebevollem Lachen. Die Journis waren seine Kinder.

Peter Studer
Peter Studer im Jahr 1999 als abtretendere Chefredaktor des Schweizer Fernsehens. Von 1978 bis 1987 war er Chefredaktor des «Tages-Anzeigers».

Peter Studer war im Journalismus um die Jahrhundert-Wende, was Gerhard Pfister heute in der Politik: Er wirkte und argumentierte von einem nachvollziehbaren ethisch-philosophischen Fundament aus. Immer wieder verwies er auf die Fairness-Theorie des amerikanischen Philosophen John Rawls in den Büchern «Theorie der Gerechtigkeit» und «Politischer Liberalismus». Auf dem Prinzip Fairness fusste sein Konzept der «Forumszeitung»: Alle Standpunkte gehören ins Blatt. Jahre später allerdings fragte er an einer Tagung nicht unkritisch: «Fairness – Leerformel oder durchsetzbare Forderung?» Als Präsident des Presserates (2001-2007) hätte er für Sünder gerne die Strafzahlung eingeführt – auch zur Finanzierung des Presserates. 

Die physische Kraft holte Peter bis ins hohe Alter mit sportlichen Aktivitäten. Im Winter Skilanglauf in Einsiedeln, im Sommer tägliches Schwimmen im Zürichsee und zwischendurch auch Bergwandern. Im Alter von 76 Jahren bestieg er noch den Haldensteiner Calanda. Und regelmässig tankte er mit seiner Frau Margaret in Australien auch auf der Rottnest Island mit Radfahren Energie. Das «Rattennest» ist eine kleine Insel in der Nähe von Perth, nur 18 km von Fremantle entfernt. Auf der Insel leben noch 300 Einwohner. Hier, in der Einsamkeit, fühlte er sich ebenso wohl wie in den urbanen Zentren der Welt. In der Einsamkeit der Alterskrankheit wird er sich oft an Rottnest-Island erinnert haben.

Bruno Glaus über Peter Studer gegenüber «persönlich»

Peter Studer liebte das Haptische, die Zeitung in der Hand. Auch während seiner Fernsehzeit. Er las mit dem Stift in der Hand. In seinem Büro zuhause lagen riesige Stapel von Zeitungsausschnitten, auf welchen jeder dritte Satz mit Wellenlinie unterstrichen war. Seine rechte Hand las mit, markierte, kommentierte. Als Journalist wie auch als Publizist schöpfte er aus dem Vollen.

Längst pensioniert prägte er vier Auflagen von «Medienrecht für die Praxis». Parallel dazu vertiefte er sich im Bereich «Kunstrecht». Der Sammler und Galeriegänger – regelmässig an Samstagen, zusammen mit seiner Frau Margaret – wusste, was Kunstkonsumenten beschäftigte. Im Medien- wie im Kunstrecht ging es ihm weniger um den wissenschaftlichen Fussnotenapparat als um den Praxisbezug. Seine Bücher erschienen meist im Saldoverlag. Zum Dr. honoris causa erkoren wurde er trotzdem. Oder gar deswegen?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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