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Kein SRF-Empfang auf diesem Radio: Seit der UKW-Sender-Abschaltung rauscht es nur noch. © Marco Diener

Katastrophale Hörerzahlen: angeblich im Rahmen der Erwartungen

Marco Diener /  Die Radios der SRG haben nach der UKW-Abschaltung weit mehr als eine halbe Million Hörer verloren. Die SRG tut, als ob nichts wäre.

Bei jeder normalen Firma würden bei diesen Zahlen die Alarmglocken schrillen. Aber die SRG-Verantwortlichen sind die Ruhe selbst. In einer Medienmitteilung schrieben sie: «Radio-Nutzungszahlen weiterhin im Rahmen der Erwartungen.»

Was ist nun Sache? Riesenverluste? Oder alles in bester Ordnung?

Anfang Jahr schaltete die SRG ihre UKW-Sender ab. Bereits nach zwei Wochen zeigte sich, dass die Hörerzahlen eingebrochen waren. Damals teilte die SRG mit, die Zahlen seien statistisch zu wenig belastbar. Und: «Deswegen können wir sie nicht kommentieren.»

Nach dem ersten Quartal waren die Zahlen nicht besser. Trotzdem hiess es: «Wir haben mit einer vorübergehenden Bewegung gerechnet; auch damit, dass sich dieser Prozess in die Länge ziehen kann.»

Alles normal also? Nicht unbedingt. Infosperber hat aufgrund der neusten Zahlen gerechnet (siehe Tabelle unten):

  • Insgesamt haben die SRG-Radios im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem ersten Halbjahr 2024 560’100 Hörer und Hörerinnen verloren.
  • In absoluten Zahlen sind die Verluste in der deutschen Schweiz am höchsten: 378’700 Hörer und Hörerinnen.
  • In Prozenten sind die Verluste im Tessin am grössten: 27,5 Prozent.
  • Besonders gelitten haben die dritten Programme: SRF 3 mit einem Minus von 26,6 Prozent, Rete 3 mit 38,1 Prozent und Couleur 3 mit sagenhaften 45,5 Prozent.
Hörerverlust absolutHörerverlust in Prozent
Deutsche Schweiz
SRF 1233’00021,5
SRF 2 Kultur30’40020,3
SRF 3238’30026,6
SRF total (inkl. SRF 4 News, Virus etc.)378’70017,9
Französische Schweiz
RTS Première76’10019,3
RTS Espace 219’70048,6
RTS Couleur 356’10045,5
RTS total (inkl. Option Musique etc.)133’80023,0
Italienische Schweiz
Rete Uno26’50025,5
Rete Due560033,1
Rete Tre30’10038,1
RSI total (inkl. Radio Swiss Jazz etc.)43’50027,5
Rätoromanische Schweiz
RTR410016,7
SRG total560’10019,5

Trotzdem versucht die SRG, den Ball flach zu halten. Sieben Mal schreibt sie in ihrer Medienmitteilung, dass sie einen solchen Rückgang erwartet habe. Auch sonst beschönigt sie. In der Medienmitteilung steht das Rätoromanische Radio betreffend: «Die Nutzung des Radiosenders Radio RTR zeigt sich auch nach der UKW-Abschaltung stabil.» Wer rechnet, stellt fest: Für die SRG ist ein Minus von 16,7 Prozent «stabil».

Ganz anders als die Zahlen der SRG-Radios sehen diejenigen der privaten Radios aus:

  • Von den zehn grössten Deutschschweizer Privatradios verzeichneten neun ein Plus.
  • Sie gewannen insgesamt über 188’000 Hörer und Hörerinnen dazu.
  • Das gleiche Bild in der Romandie. Neun der zehn grössten Sender legten zu.
  • Ihr Plus betrug gesamthaft fast 87’000 Hörer.
  • Im Tessin gibt es nur drei Privatsender. Alle gewannen Hörer.
  • Das Plus im Tessin: insgesamt knapp 22’000.

Der Grund für die guten Zahlen der Privatsender: Die meisten verbreiten ihre Programme weiterhin über UKW. Sie haben wohl die Hörer, die kein DAB-Radio haben von den SRG-Sendern «geerbt». Doch die Freude könnte von kurzer Dauer sein. Denn auf Ende 2026 ist die Abschaltung der UKW-Sender auch für die Privatradios geplant.

Widerstand gegen Abschaltung

Gegen die Abschaltung regt sich nun Widerstand. Im Parlament ist eine Motion der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats hängig. Darin verlangen die Kommissionsmitglieder vom Bundesrat, «auf die Einstellung des UKW-Rundfunks (…) zu verzichten und stattdessen die aktuellen UKW-Funkkonzessionen zu verlängern oder ein neues Ausschreibungsverfahren für die Zuteilung der UKW-Funkkonzessionen ab 1. Januar 2027 – gegebenenfalls mittels einer Auktion – durchzuführen».

Schawinski: «Schildbürgerstreich»

Radiopionier Roger Schawinski schrieb in der «Sonntags-Zeitung» dazu: «Diesem Schildbürgerstreich – dem kompletten Verbot der weltweit meistverbreiteten Radiotechnologie UKW – muss vom Parlament unbedingt Einhalt geboten werden.» Wenn nämlich die privaten Radios ähnliche Hörerverluste erleiden, werden die Werbeeinnahmen einbrechen und die Radios in existenzielle Nöte geraten.

Die SRG ihrerseits hat möglicherweise gemerkt, dass die UKW-Abschaltung überstürzt war. Sie hat nun ein grosses Interesse daran, dass auch die privaten Radios möglichst bald nicht mehr über UKW senden. So könnten die SRG-Radios vielleicht Hörer und Hörerinnen zurückgewinnen. Die SRG schreibt dazu: «Wir gehen davon aus, dass sich dies positiv auf unsere Hörerzahlen auswirken wird. Weiter zeigt die Erfahrung aus Norwegen (UKW-Abschaltung 2017), dass sich, nach einer Übergangsphase von etwa einem Jahr, die Hörerzahlen wieder stabilisierten.»

Tausende von Gratis-DAB-Radios

Während Jahren propagierten die SRG-Radios gegenüber den Hörern den Wechsel von UKW zu DAB. Bei jeder Gelegenheit verschenkten sie DAB-Radios. Manchmal reichte ein Anruf in die Sendung, manchmal brauchte es die richtige Antwort auf eine Wettbewerbsfrage. Infosperber wollte wissen: «Wie viele DAB-Radios hat die SRG auf diese Weise verschenkt.» Die SRG konnte die Frage nicht beantworten, da sie keine Übersicht hat. Aber es dürften Tausende gewesen sein.


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2 Meinungen

  • am 29.07.2025 um 12:09 Uhr
    Permalink

    Wie immer redet/schreibt die SRG die Situation schön. In den Statistiken von Mediapulse fehlt eine wichtige Kategorie von Radios, nämlich die nicht identifizierten UKW Radios, dies sind nach der UKW Abschaltung zu einem guten Teil auslänsdische Radios, zu denen die Zuhörer gewechselt haben, welche nicht zu den schweizer Privatradios gewechselt haben. Die Zahlen zu Streaming werden auch manipulativ interpretiert, eigetlich sollte man unterscheiden zwischen Zuhörer, welche die ehemaligen UKW-Programme streamen und andere Programme. Das Märchen von Norwegen, welches sich nach einem Jahr erholt haben soll, entspringt wohl eher den Erzählungen der Gebrüder Grimm und hat wenig mit der Realität zu tun. Das dieser Schlamassel nicht vorhersehbar gewesen sein soll, ist auch eine dieser unglaubwürdigen Aussagen, Roger Schawinski hat es schon immer kommen sehen, aber er ist natürlich gegnüber seinen Widersachern im Vorteil, denn er kann Rechnen und kennt die Wünsche des Publikums.

  • am 29.07.2025 um 13:11 Uhr
    Permalink

    ….und wenn dann alle ein DAB-Radio haben, muss nach ein paar Jahren wieder was Neues, «noch Besseres» her, damit der Rubel rollt (und der Elektroschrott nur ja nicht weniger wird!)

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