Freiburger Nachrichten Zeitungsständer

«Berührungspunkte zwischen redaktionellen, gesellschaftlichen und kommerziellen Interessen liegen in der Natur der Sache», sagt der publizistische Leiter der Freiburger Nachrichten. © Esther Diener-Morscher

«Die Texte sind nicht der Gipfel des kritischen Journalismus»

Esther Diener-Morscher /  Für die Freiburger Nachrichten sind Behörden und Unternehmen Partner. Derart unkritischen Journalismus lehren sie auch Kindern.

Die Freiburger Nachrichten definieren den Journalismus neu: Sie fühlen sich nicht nur ihren Leserinnen und Lesern verpflichtet. Sondern auch den Behörden und Unternehmen – also jenen, die sie eigentlich kritisch hinterfragen müssten.

Der Schweizer Presserat hat die Zeitung kürzlich dafür gerügt, dass sie ihr bigottes Verständnis von Journalismus auch Schülerinnen und Schülern weitergibt. Unter dem Titel «Zeitung in der Schule» lassen die Freiburger Nachrichten immer wieder ganze Schulklassen recherchieren und schreiben. An sich eine gute Sache.

Der Presserat kam beim näheren Hinschauen zum Schluss: «Das Projekt ist geeignet, den Teilnehmenden ein grundlegend falsches Bild des Journalismus zu vermitteln.» Denn die Freiburger Nachrichten lassen sich ihre Arbeit von lokalen Unternehmen über Sponsorenbeiträge finanzieren. Als Gegenleistung können die Unternehmen Themenvorschläge einbringen. Zudem werden ihre Firmenlogos in der Zeitung unter den entsprechenden Texten publiziert. Die Sponsoren durften auf Wunsch auch Texte gegenlesen und «inhaltliche Fehler» korrigieren.

Kein Wunder, sind manche Texte eher Werbebotschaften: Wohlwollend, unkritisch und immer mit häufiger Nennung des Firmennamens. Kurz: Den Schülerinnen und Schülern wird gezeigt, was Journalismus nicht sein dürfte: Die Vermischung von Werbung mit dem redaktionellen Teil eines Mediums.

Der Presserat riet «zu einer Überprüfung des medienpädagogischen Projekts». Haben die Freiburger Nachrichten das getan? Marc Lehmann, der publizistische Leiter, schreibt Infosperber: «Uns ist bewusst, dass diese Texte nicht den Gipfel des kritischen Journalismus› darstellen, aber sie sind ein medienpädagogisch wertvolles Projekt. Wir haben die Kritik des Presserats zum Anlass genommen, die Darstellung des Projekts ‹Zeitung in der Schule› noch deutlicher als bisher schon vom herkömmlichen Layout zu differenzieren.»

Immer noch unkritisch – aber nun besser gekennzeichnet

Am 12. März veröffentlichte die Zeitung wieder einen Artikel im Rahmen des Schulprojekts: Das Energieunternehmen Groupe E – notabene eine der Sponsorinnen des Projekts – durfte ihre Strategie für die Zukunft darlegen. Und zwar im Werbe-Jargon: Die Vergütungen für Solarstrom hat das Unternehmen «angepasst» und nicht gesenkt. Kritische Stimmen von Kunden, «die sich durch diese Anpassung benachteiligt fühlen», nimmt der Chef angeblich ernst, obwohl an den Preisen nichts geändert wird, weil «solche Massnahmen notwendig» seien. Charakterisiert wird die Groupe E mit folgenden Worten: «Klare Ziele, moderne Technologie und Innovation.»

Auch wenn zwischendurch ein neutraler Artikel – etwa über Caritas-Märkte – erscheint: Die Schulkinder lernen weiterhin, dass es zwischen Journalismus und Werbung keine klaren Grenzen gibt. Marc Lehmann erklärt: «Dass Berührungspunkte bestehen zwischen redaktionellen, gesellschaftlichen und kommerziellen Interessen, liegt in der Natur der Sache. Angesichts der extrem angespannten Lage in der gesamten Medienbranche, geht es darum, einen für alle Seiten gangbaren Weg zu finden. Wer glaubt, das publizistische Geschäft könne im lokalen Raum völlig losgelöst von den Akteuren funktionieren, scheint die Mechanismen in dieser räumlichen Nähe nicht ganz zu verstehen.»

Für diese «Berührungspunkte zu den kommerziellen Interessen» hat auch die Freiburger Erziehungsdirektion Verständnis. Andreas Maag von der Freiburger Erziehungsdirektion lobte das Projekt: Kritisches Denken im Umgang mit Medien werde gefördert. Und das Projekt werde durch kompetente und erfahrene Fachpersonen begleitet, schrieb er einst.

Dieser Meinung ist er immer noch, wie er Infosperber mitteilt. Er betont, dass die Lehrpersonen «zu 100 Prozent den Lead über das Projekt haben und bestimmen, zu was recherchiert wird, zu welchem Thema ein Artikel publiziert werden soll». Die Lehrerinnen und Lehrer werden auf ihre Redaktionsaufgabe vorbereitet. Und zwar mit einem eintägigen Workshop, den die Freiburger Nachrichten zusammen mit dem Institut für Objektivierung von Lern- und Prüfungsverfahren (IZOP) aus dem deutschen Aachen organisieren.

Newsletter Balken gelb

So bietet sich die Zeitung für Schleichwerbung feil

Unverhohlen propagieren die Freiburger Nachrichten die Vermischung von Werbung und Journalismus. So wirbt sie bei ihren Inserenten: «In unseren Zeitungen erscheinen regelmässig Themenseiten, welche bestimmten Branchen eine gezielte Werbeplattform bieten.»

Ein Beispiel: In der Rubrik Mobil erschien ein Text über ein neues SUV-Modell von Opel. Der einseitige Bericht warb hemmungslos für das Auto. Das Auto «gefällt durch schnörkelloses Design.» Ob die elektrische Version die versprochene Reichweite auch tatsächlich hat? Oder ob die Verbrauchsangaben der Hybrid-Version stimmen? Das hat der Autor natürlich nicht nachgeprüft. Bei der Testfahrt reichte es dafür zu folgenden wichtigen Beobachtungen: «Auffällig beim Start ist, dass nach wie vor ein Zündschlüssel eingesteckt und gedreht werden muss.» Und: «Praktisch dann, dass so nervende Warnsysteme wie das Tempo-Limit-Gepiepse durch Drücken eines Schalters einfach eliminiert werden können.»

Der Bericht wirbt hemmungslos für das vorgestellte Auto.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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