Leinsamen geschrotet Warnhinweis

Der neue Warnhinweis verängstigt Personen, die regelmässig Leinsamenschrot roh essen. © em

Trotz Warnung: Ein Esslöffel rohe Leinsamen ist unbedenklich

Esther Diener-Morscher /  Ein neuer Hinweis auf Leinsamen-Packungen verängstigt Menschen, welche die verdauungsfördernden Samen roh essen. Zu Unrecht.

Viele Menschen essen regelmässig eine Portion Leinsamen oder streuen sie übers Joghurt und den Salat. Sie enthalten viele Ballaststoffe, Omega-3-Fettsäuren und Proteine, und sie fördern die Verdauung – und zwar vor allem dann, wenn sie geschrotet gegessen werden.

Doch seit kurzem steht auf vielen Leinsamen-Packungen ein erschreckender Warnhinweis: «Nur zum Kochen und Backen. Nicht roh verzehren!»

Der Grund für diesen Hinweis: Leinsamen enthalten – wie auch die Kerne von Mandeln und Aprikosen – von Natur aus Stoffe, aus denen sich Blausäure bildet. Und die ist giftig. Sie kann ab einer gewissen Konzentration zu Kopfschmerzen, Atemnot und Schwindel führen – in sehr schweren Fällen bis zum Koma oder sogar zum Tod.

Mehr Blausäure nach dem Schroten

Unzerquetschte Leinsamen durchqueren den Magen weitestgehend unverdaut und geben auch kaum Inhaltsstoffe ab. Erst wenn die Samen geschrotet oder gekaut werden, beginnen sie zu wirken – dann entsteht aber auch die giftige Blausäure.

Damit sich niemand mit grossen Mengen an Leinsamen vergiftet, hat die EU verordnet, dass Leinsamen für den Rohverzehr höchstens 150 Milligramm Blausäure pro Kilogramm enthalten dürfen. Ein Blausäuregehalt bis zu 250 Milligramm pro Kilo ist dann erlaubt, wenn die Hersteller einen Warnhinweis auf die Packung drucken, dass die Leinsamen nicht roh gegessen werden dürfen.

Die Schweiz hat diese Vorschriften 2024 in ihre «Verordnung über die Höchstgehalte für Kontaminanten» übernommen. Der Warnhinweis steht meistens nur auf bereits geschroteten Samen, weil in der Regel nur diese einen höheren Blausäuregehalt haben.

Die neue Warnung bedeutet nun aber nicht, dass künftig alle auf die tägliche Portion geschroteter Leinsamen verzichten müssen. Aber sie sollten massvoll konsumiert werden. Eine Tagesration von 15 bis 20 Gramm, was einem bis zwei Esslöffeln entspricht, gilt für Erwachsene als unbedenklich. Kinder sollten höchstens einen Teelöffel essen, und Kinder unter 4 Jahren gar keine rohen Leinsamen.

Wer den Blausäureanteil senken möchte, kann die geschroteten Leinsamen leicht erhitzen. Denn Blausäure verflüchtigt sich schon bei 25 Grad. Allerdings werden beim Kochen und Backen auch die wertvollen Omega-3-Fettsäuren zerstört, welche die Leinsamen so gesund machen. Unbedenklich sind geröstete, gebackene oder gekochte Leinsamen, ebenso Leinöl.

Warnhinweis: Meistens gut versteckt

Dass geschrotete Leinsamen nicht in grossen Mengen roh gegessen werden sollen, ist wichtig zu wissen. Doch der Warnhinweis «Nur zum Kochen und Backen geeignet. Nicht roh verzehren!» ist einerseits übertrieben – andererseits aber auch meistens viel zu klein und unauffällig auf der Verpackung aufgedruckt. Deutlich und gross stehen hingegen Auszeichnungen wie «Reich an Ballaststoffen» oder «Bio».

Der Warnhinweis widerspricht häufig sogar der Abbildung auf der Verpackung: etwa dann, wenn eine Schale mit Joghurt und Früchten mit Leinsamen bestreut ist, die Leinsamen also roh verwendet werden.

In Deutschland hat die Verbraucherzentrale Hessen die Aufdrucke kritisiert: «Was Verbraucher und Verbraucherinnen mit diesem Hinweis anfangen sollen, bleibt unklar. Besser wäre stattdessen, eine sichere maximale Verzehrmenge anzugeben oder zu erklären, dass sich Blausäure bei höheren Temperaturen verflüchtigt und Leinsamen daher vor dem Verzehr erhitzt werden sollen.»

Vorsicht bei rohem Kuchenteig

Auf Empfehlung des Dachverbands Schweizerischer Müller steht auch auf Mehlpackungen immer häufiger die Warnung: «Nur zum Backen und Kochen». Rohes Mehl kann Shigatoxin-bildende Escheria-Coli-Bakterien (STEC) enthalten. Diese gelangen über Tiere oder Dünger aufs Feld. Die Bakterien produzieren starke Zellgifte, die schwere Magen-Darm-Erkrankungen verursachen können. Beim Backen und Kochen werden sie abgetötet. 

Cookie-Dough-Glacen sind sicher

Teige, die vom Hersteller speziell zum Roh-Essen produziert werden, sind unproblematisch. Diese Naschteige werden in der Regel mit vorbehandelten Zutaten hergestellt. In der Schweiz wird roher «Cookie Dough»-Keksteig vor allem in Glacen als Zutat verwendet.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...