Lawinen: Ein kleines Gerät kann Verschütteten helfen
Lebendig unter dem Schnee begraben werden: 24 Freiwillige haben das mit sich machen lassen. Bäuchlings liegend und warm angezogen wurden sie 50 Zentimeter tief in den Schnee eingegraben und genauestens überwacht: Geräte erfassten den Sauerstoffgehalt in ihrem Blut, das Atemzugvolumen, ihre Atem- und Herzfrequenz und weitere Werte. Sowohl über Funk als auch durch Ziehen an einem Seil konnten sie signalisieren, wenn sie das Experiment abbrechen wollten.
Das Ziel dieses Versuchs: Die Teilnehmenden sollten ein Gerät testen, das Lawinenopfern halfen soll. Schon nach zehn Minuten sinken in dieser Situation die Überlebenschancen. Etwa 70 Prozent aller Lawinenopfer ersticken innerhalb von 35 Minuten.

Mal lief das Gerät nur zum Schein, mal lief es wirklich
Ein kleines, batteriebetriebenes Gerät namens «Safeback SBX» im Rucksack soll das verhindern. Wird es aktiviert, saugt es Luft aus dem Schnee in der Umgebung an und bläst sie über zwei durchlässige Schläuche, die links und rechts auf den Rucksackträgern montiert sind, wieder aus. Das soll den Verschütteten Zeit verschaffen, in der sie hoffentlich von Rettern gefunden werden. Laut dem Hersteller halten die leistungsstarken Batterien das Gerät selbst bei minus 30 Grad Celsius mindestens 60 Minuten lang in Gang.
Bei dem Experiment, das im Winter 2023 in Italien stattfand, wussten die Teilnehmenden nicht, ob dieses Gerät wirklich arbeitete oder nur zum Schein lärmte, aber keine Luft abgab. Auch die Wissenschaftler vor Ort wussten es nicht, mit Ausnahme einer Person, die für die Sicherheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer verantwortlich war.
Genug Sauerstoff für mindestens 35 Minuten
Lief das Gerät nur zum Schein, wurde das Experiment im Mittel nach 6,4 Minuten abgebrochen. Sei es, weil elf der zwölf Versuchspersonen Atemnot oder Panik bekamen oder weil der Sauerstoffwert in ihrem Blut auf unter 80 Prozent abfiel, so dass ein Weitermachen nicht mehr vertretbar war. Letzteres passierte im Mittel nach 11 Minuten. Mit jeder Minute stieg ihre Atemfrequenz. Eine Versuchsperson hielt 35 Minuten lang durch.
War das Gerät hingegen eingeschaltet, hielten elf von zwölf Teilnehmenden die veranschlagte Versuchsdauer von 35 Minuten durch. Die Messwerte zeigten, dass alles im grünen Bereich war. Sie bekamen genügend Sauerstoff. Eine Person bekam Gefühlsstörungen in den Armen und brach den Versuch deshalb ab.
Um ganz sicher zu gehen, dass dies dem Safeback SBX zu verdanken war, wurde das Gerät bei diesen Teilnehmenden nach 35 Minuten ferngesteuert abgeschaltet. Der weitere Verlauf war wie in der Gruppe mit Scheingerät: Nach im Mittel 7,2 Minuten hielten es die Versuchspersonen entweder nicht mehr aus oder ihre Werte verschlechterten sich so stark, dass abgebrochen werden musste, um sie nicht zu gefährden.

Schneedichte spielt eine Rolle
Damit bestand das Gerät seinen Härtetest – allerdings nur in 50 Zentimeter Tiefe. Typisch bei Lawinenunfällen seien jedoch 80 Zentimeter, schreiben die Wissenschaftler in der US-Ärztezeitung «Jama», zu denen auch der Leiter des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung in Davos zählte. Zudem muss der von der Lawine erfasste Mensch noch fähig sein, den Auslöser für das Gerät zu betätigen.
Auch die Schneedichte spielt bei Lawinen eine Rolle. Bei lockerem Schnee könnten Verschüttete noch eher Luft aus dem Schnee einatmen, schreiben die Wissenschaftler. Ihr Experiment fand bei einer Schneedichte von rund 500 kg/m3 statt. Das entspricht gelagertem Schnee. Zum Vergleich: Pulverschnee hat eine Dichte von 100 bis 200 kg/m3.
Der Ventilator sei nebst dem Airbag-Rucksack und dem Suchgerät nur eines von verschiedenen Hilfsmitteln, die bisher nicht kombiniert getestet wurden. Sie alle könnten aber gutes Training, Sachkenntnis, Umsicht und Vorsicht nicht ersetzen. Der norwegische Hersteller verkauft den Safeback SBX in Westen oder Rucksäcke integriert für umgerechnet circa 525 bis 710 Franken.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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