Kommentar

Der Spieler: Training für den Spielernachwuchs

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Seit 13 Jahren gibt es das «Kinderspiel des Jahres». Der Preis ist Orientierungshilfe fürs Publikum und Ansporn für Verlage.

Langsam, müsste man meinen, sollten sich Inka und Markus Brand daran gewöhnt haben, dass sie mit ihren Spielen eine Auszeichnung nach der anderen holen. 2012 bekamen sie für «Village» den Preis für das «Kennerspiel des Jahres», die höchste Anerkennung, die ein anspruchsvolles Gesellschaftsspiel erringen kann, sowie den «Deutschen Spiele Preis». Zuvor hatten «Burg der 1000 Spiegel» und «Monsterfalle», die aus der Brandschen Ideenküche stammen, beim «Deutschen Kinderspiel Preis» den ersten Platz gewonnen. Doch als ihr jüngstes Werk, «Der verzauberte Turm», vor knapp zwei Wochen in Hamburg von der Fachjury zum «Kinderspiel des Jahres 2013» ausgerufen wurde, war es für das preiserfahrene Autorenpaar fast zu viel. Tom Felber, Präsident der Jury «Spiel des Jahres», schrieb dazu in der «Neuen Zürcher Zeitung»: «Es war wohl eine der emotionalsten Szenen in der Geschichte der Auszeichnung, als die beiden sich nach der Enthüllung des Siegerspiels in den Armen lagen. ‚Es zittert alles, ich kann es noch gar nicht glauben‘, sagte Markus Brand als Erstes ins Mikrofon.»

Vor 13 Jahren noch hätte man über einen solchen Gefühlsausbruch gestaunt. Damals, bei der ersten Durchführung, hatte die Verleihung des Preises «Kinderspiel des Jahres» eher noch Experimentiercharakter. Die Jury «Spiel des Jahres» wollte mit diesem neuen Preis «sowohl Familien mit Kindern als auch Erziehern eine eigene Orientierungshilfe geben und auf herausragende Kinderspiele aufmerksam machen». 2001 wusste man noch nicht, ob die Auszeichnung «Kinderspiel des Jahres» von der Öffentlichkeit – Verlage und Autoren auf der einen und Publikum auf der anderen Seite – akzeptiert würde. Deshalb sahen die Beteiligten damals den Preisverleihungen auch nicht mit jener Spannung entgegen, wie das heute der Fall ist. Heute fiebern Verlage und Autoren der Bekanntgabe des Entscheides der Kinderspiel-Jury entgegen, die Temperaturkurve steigt wie im Vorfeld der Preisverleihung von «Spiel des Jahres».

Gewaltiger Entwicklungsschub
Die Tatsache, dass es neben der renommierten und breit anerkannten Auszeichnung «Spiel des Jahres» auch einen unabhängigen Preis für das «Kinderspiel des Jahres» gab, verlieh der Entwicklung im Bereich der Kinderspiele im vergangenen Jahrzehnt einen gewaltigen Schub. Qualität und Breite des Angebots haben massiv zugenommen, auch die Zahl der Anbieter. Das wiederum erstaunt nicht: Kinder sind die künftigen Spielerinnen und Spieler. Wer Kinderspiele im Sortiment hat, sichert sich die Käuferschaft der Zukunft, sowohl für seine Marke als auch die Spiele ganz allgemein. Und: Für Autorinnen und Autoren ist es überhaupt nicht minderwertig, Kinderspiele zu entwickeln. Dass so unterschiedliche Spiele wie «Village» und «Der verzauberte Turm» friedlich nebeneinander in einer Ludographie stehen – jener von Inka und Markus Brand – , ist im Gegensatz zu früher heute keine Seltenheit mehr. Auch das zeigt, dass der Preis «Kinderspiel des Jahres» erwachsen geworden ist.

Drei Titel hatte die Jury für den Kinderspielpreis nominiert: «Gold am Orinoko» von Bernhard Weber, «Mucca Pazza» von Iris Rossbach und den späteren Gewinner, «Der verzauberte Turm» von Inka und Markus Brand. Sie repräsentieren einen guten Querschnitt durch das heutige Kinderspielspektrum. Eines ist vom Thema her eher märchenhaft («Turm»), eines weist in Richtung einer verrückten Phantasiewelt («Mucca») und eines bietet Goldgräber-Romantik («Orinoko»). Erfolgreiche Kinderspiele haben immer ein Thema, das die Kinder emotional anspricht und sie in eine fremde Welt entführt, die ihnen aber trotzdem vertraut ist, sei es nun die Welt der Märchen und Sagen, der Phantasie oder der Helden der Neuzeit. Abstrakte Kinderspiele gibt es kaum, selbst der nüchterne Familienklassiker «Eile mit Weile» ist in ein Reise-Thema verpackt. In vielen Kinderspielen ist die Merkfähigkeit gefragt, diesmal besonders in «Der verzauberte Turm», bei dem man ohne gutes Gedächtnis nicht weit kommt. Nun, in dieser Hinsicht sind die meisten Kinder uns Erwachsenen überlegen. Im «Kinderspiel des Jahres» spielt auch Teamarbeit eine wichtige Rolle, was in Spielen für Kinder eher unüblich ist.

Falsche Altersangabe frustriert

Welche taktischen Anforderungen darf man in einem Kinderspiel stellen? Die Antwort auf diese Frage ist eine der wesentlichen Herausforderungen für die jeweilige Redaktion. Denn Spiele dürfen Kinder weder über- noch unterfordern. Eine falsche Altersangabe, und schon ist die Frustration da. Beim Preisträger sowie bei den nominierten Spielen besteht diese Gefahr nicht. «Mucca Pazza» präsentiert sich für Kleinere und Grössere altersgerecht in zwei Varianten, während «Gold am Orinoko» schon fast ein Mehrgenerationenspiel ist, mit dem Kinder und Erwachsene gleichermassen Spass haben. «Der verzauberte Turm» liegt vom Anspruch her schön mittendrin – in diesem Sinne ein idealer Preisträger.

Viele Eltern, Grosseltern, Patinnen und Paten möchten, dass Kinder beim Spielen etwas lernen. Entsprechend fragen sie in den Geschäften nach so genannten Lernspielen. Vergebene Liebesmühe. Schenkt doch den Kindern Spiele, die ihnen Freude machen. Der Rest ergibt sich von selbst, wie Sabine Koppelberg, Koordinatorin der Jury «Kinderspiel des Jahres», schreibt: «Und das Schöne ist: Bei all diesen Spielen trainieren Jung und Alt ganz nebenbei Wahrnehmung, Motorik und zielgerichtetes Denken.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Als solches nicht an der aktuellen Wahl beteiligt. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung»

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