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Synes Ernst, Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Spielend zum neuen Job – kein Kinderspiel

Synes Ernst. Der Spieler /  Mindsquare organisiert einen Spieltag. Teilnehmer sollen dort das IT-Unternehmen kennen lernen, dieses künftige Spitzenkräfte.

Durchschnittliche Mitarbeiter schaden einem Unternehmen, ist Personalberater Jörg Knoblauch überzeugt. In einem Interview mit dem Magazin «CIO» sagt er: «Sie entziehen der Firma Kraft.» Knoblauch teilt das Personal eines Unternehmens in drei Kategorien ein: «Der A-Mitarbeiter zieht den Karren, der B-Mitarbeiter geht nebenher, der C-Mitarbeiter setzt sich obendrauf und lässt sich ziehen.» Als Berater strebt Knoblauch ein Verhältnis von A-, B-, und C-Mitarbeitenden von 80 – 20 – 0 an. Diese Erfolgsformel könne man jedoch nur erreichen, wenn man den Prozess der Personalauswahl entsprechend gestalte.

Locker und spielerisch

Um die geeigneten A-Kandidatinnen und -Kandidaten anzusprechen, muss das Stellenangebot nach Knoblauch «den potentiellen Bewerber vom Stuhl reissen. Am besten gelingt das mit einer Idee, die auf dem Stellenmarkt das vermittelt, wofür Ihr Unternehmen steht und die sich mit den Eigenschaften und Werten deckt, die Sie von Ihren Bewerbern erwarten. … Ein Unternehmen, das zur Bootstour mit 1000 PS einlädt, muss gar nicht erwähnen, dass hier Power geboten wird, Dynamik, Kreativität und Zusammenhalt.»

Was hat das alles mit Spielen zu tun?

Über einen Twitter-Eintrag meines Kollegen Sebastian Wenzel bin ich auf ein spannendes Event gestossen, das zu Beginn nächster Woche in Bielefeld stattfindet. Das IT-Beratungsunternehmen Mindsquare organisiert das «brettcon 3.0» und lädt Wirtschaft- und Informatikstudierende zu einem «ganzen Tag voller Gesellschaftsspiele» ein. Zweck der Veranstaltung: «Lerne den besten Arbeitgeber Deutschlands in entspannter Atmosphäre kennen.» Anmelden muss man sich direkt bei Timm Funke. Nun ist Timm Funke nicht irgendwer, sondern oberster Chef des Unternehmens. Mindsquare ist auch nicht eine x-beliebige IT-Firma, sondern gilt als eines der Vorzeigeunternehmen der Branche. Schliesslich ist Mindsquare eine der wichtigsten Referenzadressen in Knoblauchs Beratertätigkeit (womit auch meine Zwischenfrage beantwortet sein dürfte …).

«Beim Spiel kann man einen Menschen in einer Stunde besser kennenlernen, als im Gespräch in einem Jahr.» Der Satz soll vom griechischen Philosophen Platon stammen. Wer viel spielt, kann nur bestätigen, dass dem so ist. Beim «brettcon 3.0» werden die Teilnehmenden folglich schnell feststellen, dass Mindsquare Herausforderungen, wie hier die Personalrekrutierung, mitunter auch locker und spielerisch angeht. Weil das gemeinsame Spielen auch eine gesellschaftlich-soziale Komponente hat, will das Unternehmen auf dieser emotionalen Schiene die Arbeit im Team als einen zentralen Wert seiner Kultur vermitteln: «Nicht Kollegen, sondern Freunde!»

Unter Beobachtung

Bevor Sie als Teilnehmer auch nur eine Minute für Mindsquare gearbeitet haben, wissen Sie also einiges über Ihren möglichen künftigen Arbeitgeber. Aber aufgepasst, er weiss auch einiges, wenn nicht gar vieles über Sie und die anderen jungen Menschen, die seiner Einladung gefolgt sind. Sobald Sie sich an den Spieltisch setzen, werden Sie beobachtet. Die Angestellten von Mindsquare, die am «brettcon 3.0» so munter mitspielen, registrieren, wie Sie die Spielanleitung analysieren, wie rasch Sie sie verstehen und in der Lage sind, sie taktisch umzusetzen. Man sieht, ob Sie die Initiative ergreifen und zupacken, ob Sie bereit sind, Risiken einzugehen und Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Sie zeigen den Beobachtern auch, wie Sie auf Situationen reagieren, die sich auf einem Spielbrett bei jedem Zug ändern. Die Mindsquare-Leute bekommen auch mit, ob Sie strategisch-taktisch denken und ob sie vorausschauend und zielorientiert handeln können. Schliesslich offenbaren Sie im Spiel, wie hoch Ihre Empathie- und Teamfähigkeit ist. Kurz: Am Ende des «brettcon 3.0» können die Mindsquare-Verantwortlichen mit hoher Trefferwahrscheinlichkeit sagen, ob Sie ein A- (Reisser), B- (Mitläufer) oder C-Typ (Bremser) sind. Entsprechend sind dann auch Ihre Chancen, einmal beim «besten Arbeitgeber Deutschlands» anzuheuern.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass nun einige Leserinnen und Leser kritisieren, das «brettcon 3.0» würde die Grundidee pervertieren, wonach Spielen zweckfreies Tun sei. Hier würde nicht nach Lust und Laune gespielt, vielmehr sei das Treffen eine getarnte Assessment-Veranstaltung. Ich teile diese Kritik nicht. Im Gegenteil: Ich begrüsse es, dass Unternehmen im Kampf um die besten Talente auch originelle Wege gehen und intelligente Ideen ausprobieren. Gerade in der Personalentwicklung und -förderung (inklusive Weiterbildung) bietet das Spiel Möglichkeiten, die bis heute leider kaum genutzt werden. Spielen deckt die Fähigkeiten auf, die in einem Menschen stecken, auch die unternehmerischen, es fordert sie heraus und fördert sie gleichzeitig.

Warnung und Empfehlung

Eine Empfehlung und eine Warnung zum Schluss: Ich rate Ihnen, während des «brettcons 3.0» die angebotene Pizza nicht an den Spieltischen zu verzehren. Das macht einen schlechten Eindruck (finde ich wenigstens). Und wenn Sie vom Platz weggehen, hinterlassen Sie keine Abfallhaufen, wie man sie an Spielveranstaltungen nicht selten antrifft. Denn auch dies entgeht den Beobachtern von Mindsquare nicht.

Schade übrigens: A-Mitarbeitende arbeiten gemäss Knoblauchs Definition nicht «nine to five». Das ist den B- oder C-Leuten vorbehalten. Aber die sucht Mindsquare gar nicht. Stellt sich die Frage, wann denn die Superleute, die man einst mit Spielen kennengelernt oder angeworben hat, nach ihrer Anstellung die Zeit finden, um sich bei einem Spiel zu erholen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

Zum Infosperber-Dossier:

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Der Spieler: Alle Beiträge

Spielen macht Spass. Und man lernt so vieles. Ohne Zwang. Einfach so.

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