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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Schwarze Colts und grüne Kakteen

Synes Ernst. Der Spieler /  Die Gattung der Stichspiele ist äusserst vital. Neuheiten sind fast an der Tagesordnung. „Texas Showdown“ begeistert auf Anhieb.

Karten-Stichspiele gibt es wie Sand am Meer. Die Rezensionliste von «Reich der Spiele» führt knapp hundert Titel aus dem Zeitraum von 1995 bis heute auf. Jährlich kommen neue auf den Markt – die Gattung strotzt vor Vitalität. Das ungebrochene Interesse von Autoren und Publikum ist ein Phänomen, das teilweise auch damit zu erklären ist, dass Kartenspiele (und Spielkarten) Menschen seit Jahrhunderten immer wieder fasziniert haben und deshalb zu den beliebtesten Spielgattungen überhaupt gehören.

Karten-Stichspiele sind auch meine Lieblinge, wobei ich eingestehen muss, dass unser Schweizer Nationalspiel, das Jassen, nicht unbedingt dazu zählt. Meine Aufmerksamkeit – sowohl als Kritiker als auch als Spieler – gilt in erster Linie den Nicht-Klassikern, das heisst den neueren Titeln.

Wo liegt der Unterschied?

Weil es so viele Stichspiele gibt, stellt sich Autoren und Verlagen bei jeder Neuerscheinung die zentrale Frage, was sie von allen anderen, die schon auf dem Markt sind, unterscheidet. Womit wollen sie das Publikum davon überzeugen, dass es sich lohnt, gerade dieses Produkt zu kaufen und zu spielen? Mit welchen besonderen Tricks und Kniffs? Mit welchen Überraschungen? Und wie schaffen sie jenen Wiederspielreiz, der am Schluss darüber entscheidet, ob ein Spiel auch über längere Zeit attraktiv bleibt? Es sind genau die Fragen, die ich mir als Kritiker stelle, wenn eine Neuerscheinung bei mir zum erstenmal auf den Spieltisch kommt, in diesem Fall «Texas Showdown».

Karten reihum ausspielen, Farbe(n) bedienen, Stiche und damit Punkte machen – insofern hat «Texas Showdown» alles, was ein Stichspiel ausmacht. Aber damit hat es sich. Die Besonderheiten, mit denen dieses kleine Spiel aufwartet, beginnen bereits beim Material. Denn nicht jede der acht Farben umfasst gleich viele der insgesamt 60 Karten. Von den niedrigsten beispielsweise, den schwarzen Colts, gibt es elf, von den blauen Hüten neun, den grünen Kakteen sieben und den grauen Schädeln nur deren vier Karten. Diese Zahlen muss man sich während des Spiels nicht merken: Sie sind auf den jeweiligen Karten aufgedruckt, so dass sich der Wert einer Kartenhand mit einem Blick einordnen lässt.

Mit raffiniertem Kniff

Kommen wir zum Bedienen, das in «Texas Showdown» ganz speziell ist. Wer die schwarze Null auf der Hand hat, eröffnet mit dieser Karte das Spiel, in jeder weiteren Runde der jeweilige Gewinner des Stichs (mit einer Ausnahme, auf die ich hier nicht eingehen will). Dann spielen die anderen der Reihe nach eine Karte aus, wobei man immer eine Farbe wählen muss, von der mindestens schon eine Karte im Stich liegt. Hat man keine passende Karte, darf man eine beliebige Farbe wählen. Damit erhalten die nachfolgenden Spieler gleichzeitig mehr Ausspielmöglichkeiten – ein raffinierter Kniff, der dem Spiel eine besondere Dynamik verleiht. Dabei aber sollte man sich taktisch gut überlegen, welche der ausliegenden Farben man einer eigenen Karte «verstärken» will: Den Stich muss schliesslich der Spieler nehmen, der die höchste Karte in der Farbe ausgespielt hat, von der am Ende die meisten Karten im Stich liegen. Stiche sollte man jedoch unbedingt vermeiden, da jeder Stich in der Schlussabrechnung einen Minuspunkt bedeutet, auch so eine Spezialität von «Texas Showdown».

Diese beiden Besonderheiten – die Regeln beim Bedienen auf der einen und beim Ermitteln des Stich’gewinners› auf der andern Seite – sind genial miteinander verknüpft. In dieser Hinsicht erinnert «Texas Showdown» an das Mitte der 1990er Jahre erschienene «Sticheln», für mich eines der besten Karten-Stichspiele überhaupt. Beiden Spielen gemeinsam ist ein enormes Spannungsmoment und dadurch auch ein hohes Mass an Emotionalität. Denn «Texas Showdown» trägt seinen Namen zu Recht: Erst wenn in einem Durchgang die letzte Karte gespielt ist, steht fest, wer den Stich nehmen muss und den Strafpunkt bekommt. Vorher sollte man sich nicht in Sicherheit wiegen. Denn die Mitspielenden unternehmen alles, um einem die Stiche unterzujubeln und einem möglichst viele Striche durch die Rechnung zu machen. Besonders in der Schlussphase nimmt dieses fiese Spiel mitunter dramatische Ausmasse an. Das kann dann bös in die Miesen gehen – Ärger hier, Schadenfreude dort!

Wie bei allen Karten- und Stichspielen ist der Glücksfaktor in «Texas Showdown» nicht gering. Das aber wissen und mögen wir Liebhaberinnen und Liebhaber solcher Spiele. Denn der Reiz liegt für uns gerade darin, mit den Karten, die uns der Zufall bei der Verteilung in die Hand gegeben hat, das Beste zu machen und gleichzeitig die Mitspielenden am Erfolg zu hindern.

Texas Showdown: Kartenstichspiel von Mark Major für 3 bis 6 Spielerinnen und Spieler ab 10 Jahren. Amigo Spiele (Vertrieb Schweiz: Carletto AG, Wädenswil), Fr. 12.-


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

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