Kommentar

Der Spieler: Schneller Zugang, schnell gespielt

Synes Ernst ©

Synes Ernst. Der Spieler /  Legespiele, wie etwa «Indigo», erfreuen sich grösster Beliebtheit. Vor allem bei Gelegenheitsspielern.

Grosse Kisten sind nicht jedermanns Sache. Viele Menschen haben einfach keine Zeit (oder sind nicht bereit, sie sich dafür zu nehmen), um länger als eine halbe Stunde an einem Spiel zu sitzen. Andere mögen keine langen Regelwerke studieren und ziehen Spiele mit schnellem Einstieg vor. Auch für dieses Publikum gibt es zahlreiche Titel auf dem Markt, und jedes Jahr erscheinen neue. Denn die Spielverlage wissen genau, dass hier ein grosses Potenzial vorhanden ist. So wurden vom im Jahr 2000 erschienenen Legespiel «Carcassonne» bisher weltweit rund 3 Millionen Exemplare verkauft.

Es ist kein Zufall, dass gerade ein solches Spiel derart hohe Auflagezahlen erzielt. Denn wie kaum eine andere Gattung bieten die Legespiele einen unkomplizierten und schnellen Zugang. Das hängt wesentlich damit zusammen, dass vor den Teilnehmenden zu Beginn kein Spielplan ausgebreitet wird, der bei den meisten gleich mal erhebliches Kopfzerbrechen verursacht. Wo beginne ich? An welcher Ecke setze ich meine Spielfigur? Bei den Legespielen wird ein Stein nach dem andern gelegt, und erst mit der Zeit entsteht eine Landschaft, die man während des Legens laufend erschliesst und selbst als Gelegenheitsspieler begreift.

Einfachste Mechanismen

Unter den aktuellen Legespielen gefällt mir «Indigo» besonders. Es stammt vom deutschen Autor Reiner Knizia. Der 55-jährige promovierte Mathematiker hat bereits mit «Einfach genial!» (Kosmos) bewiesen, dass mit einfachsten Mechanismen ein spannendes und immer wieder neues Spielerlebnis möglich ist. «Indigo», bei Ravensburger erschienen, ist üppiger aufgemacht. Dass der tiefblaue Indigo-Farbton bei der Gestaltung des Materials eine dominierende Rolle spielt, dürfte angesichts des Titels kaum überraschen.

«Indigo» verzichtet auf ein Thema. Es ist ein abstraktes Legespiel, bei dem die Teilnehmenden versuchen, Edelsteine in drei verschiedenen Farben auf verschlungenen blauen Pfaden ins eigene Tor zu lenken. Klingt sehr einfach, ist aber mit einigen Tücken verbunden. Die erste besteht darin, dass das Wegenetz erst noch gebaut werden muss. Konflikte mit den Mitspielern sind dabei unausweichlich, da man es nicht unbedingt gerne sieht, wenn die Konkurrenz den (vermeintlich) ins Ziel führenden Weg mit einer Kurve ablenkt. Bei solchen Situationen schwört man gerne Rache, doch aufgepasst: Die Mitspielerin oder der Mitspieler, die einem gerade einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, sind gleichzeitig auch Partner. Das ist die zweite Besonderheit von «Indigo»: Man teilt die Tore, in denen man die Edelsteine sammelt, in Partien zu dritt und zu viert mit einem Mitspielenden. Als Partner profitiert er nun davon, wenn ich mit einem Stein in dieses Tor ziehe: Er bekommt ebenfalls einen Stein. Daraus entwickelt sich ein spannendes Teamspiel. Das Hinterhältige dabei: Die Punkte erhält nicht der Spieler, der die Edelsteine ins Tor bugsiert, sondern es erhalten sie jene, welchen das Tor gehört. Bei jedem Zug also muss man sich gut überlegen, ob man für sich allein spielen oder wem man Punkte zuhalten will.

Unverkennbare Würze

Die gelungene Mischung von Konkurrenz und Kooperation verleiht «Indigo» eine unverkennbare Würze. Darin steckt auch das Potenzial dieses Spiels: Man erfährt hier nebenbei, dass purer Egoismus nicht zum Ziel führt. Gewinnbringender ist hingegen, die Mitspielenden als Partner zu behandeln und ihr Vertrauen zu gewinnen. Wer gibt, dem wird auch gegeben – das Bibelwort gilt auch in «Indigo». Aber: Wer sich nur altruistisch verhält, hat am Schluss das Nachsehen. Die richtige Balance zu finden, ist die Herausforderung von «Indigo».


«Indigo», taktisches Legespiel von Reiner Knizia für 2 bis 4 Spieler ab 8. Jahren. Verlag: Ravensburger Spiele. Spieldauer: 20 bis 30 Minuten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker für das Ausgehmagazin «Apéro» der «Neuen Luzerner Zeitung». War lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied. Befasst sich mit dem Thema «Spielen – mehr als nur Unterhaltung»

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Spielen macht Spass. Und man lernt so vieles. Ohne Zwang. Einfach so.

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