Kommentar
Orell Füssli: Schlappe gegen Ex-Kadermann
Orell Füssli Thalia ist Leaderin des Schweizer Buchhandels. Bei weitem. Jetzt steht das Unternehmen als schlechte Verliererin da. Es hat nämlich mit einer Strafanzeige versucht, einen kritischen Ex-Kadermann zu kriminalisieren. Doch die Staatsanwaltschaft hat die Anzeige nicht einmal an die Hand genommen. «Nichtanhandnahmeverfügung» lautet die Überschrift über dem Entscheid des Untersuchungsamts des Kantons St. Gallen vom 22. April. Es gebe keine «versuchte Erpressung» durch den Ex-Filialleiter der Orell Füssli Thalia in St. Gallen, so das Fazit der Ermittler.
Damit hat sich die führende Buchhändlerin blamiert. Gegen den einstigen Mitarbeiter hat das Unternehmen einen regelrechten Rachefeldzug vom Zaun gerissen. Dieser hatte zuvor dafür gesorgt, dass kritische Berichte in mehreren Medien erschienen. Zuerst hatte die Konsumentenzeitschrift Saldo über die niedrigen Löhne und die hohen Preise berichtet. Anschliessend zeigte Infosperber, wie Orell Füssli Thalia diverse Medienunternehmen einzuschüchtern versuchte – bei nau.ch mit Erfolg, bei Saldo ohne. Infosperber berichtete auch über den Maulkorb, den die Firma seinen Angestellten anlegte.
Die Orell Füssli Thalia hat brutal Jagd gemacht auf einen Kritiker, der sich nicht so leicht einschüchtern lässt. Jetzt hat die vermögende Firma eine erste schwere Pleite erlitten. Wenn eine Staatsanwaltschaft den Fall nicht einmal aufgreift, dann hat der Anzeigeerstatter seine Hausaufgaben nicht gemacht.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine. Der Autor ist Redaktor und Inhaber des Portals Inside Paradeplatz, auf dem dieser Beitrag zuerst erschien.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Nach dem Fall der Preisbindung für Bücher – inszeniert von den Bundesräten Blocher und Merz – begann Orell Füssli die Schweizer Lieferanten massiv unter Druck zu setzen: Wenn sie nicht Höchstrabatte von über 45% des Ladenpreises und sogenannt regalfertig, d.h. jedes Buch etikettiert, liefern würden, würde die Firma ins deutsche Ausland ausweichen und nur noch dort bestellen. Die Schweizer Zwischenbuchhändler parierten, investierten Hunderttausende in neue Software und blieben für einige Jahre im Geschäft. Dann schloss sich Orell Füssli mit dem grössten deutschen Buchhändler Thalia zusammen, und fast alle Bestellungen laufen nur noch über das deutsche Barsortiment. Die Umsätze der Schweizer Lieferanten fielen um 30 bis 40 Prozent. Es kam zu absurden Lieferketten: die Bücher eines Schweizer Verlages werden an die deutsche Auslieferung, von dieser an das deutsche Barsortiment und schliesslich wieder zurück in die Schweiz geliefert. Drauf zahlt der Verlag mit einer minimalen Nettorendite.
Danke, dass sich nicht alles erkaufen lässt.
Dass auch Anwälte nicht nur Honorare und Mandatsinterressen vertreten.
Die Gerechtigkeit somit immer noch Ihren Platz finden kann.