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Ein Transparent gegen Protest-Verbote vor dem obersten Gerichtshof in London. © netpol

Fracking-Unternehmen lassen Facebook-Gruppen überwachen

Daniela Gschweng /  Private Sicherheitsunternehmen infiltrierten geschlossene Facebook-Gruppen, um Beweise gegen Fracking-Gegner zu sammeln.

In Grossbritannien gibt es mehr als 300 Gruppen, die sich gegen Fracking engagieren. Unternehmen, die in Grossbritannien Fracking betreiben, wollen Proteste dagegen am liebsten verbieten lassen. Diese behinderten ihre Geschäftsaktivitäten, sagen sie.

Deshalb klagen mehrere Unternehmen vor britischen Gerichten und verlangen ein Protestverbot in der Nähe ihrer Niederlassungen. Das Beweismaterial, das die Firmen von Privaten haben sammeln lassen, umfasst vor allem öffentliche Facebook-Posts, die teilweise persönlich sind und oft keinerlei Bezug zu Fracking-Protesten haben. In einigen Fällen aber haben die Detektive geschlossene Facebook-Gruppen infiltriert und legten Posts als Beweismittel vor Gericht vor. Das berichten «Vice» und die Investigativ-Plattform «DeSmog».

In der Vergangenheit war dieses Vorgehen teilweise erfolgreich. Gegen einige Verbote haben Fracking-Gegner nun aber Widerspruch eingelegt. Derzeit sind drei Klagen offen.

Private schüffeln für die Industrie

Die Unternehmen INEOS, das die meisten Fracking-Lizenzen in Grossbritannien hält, UK Oil and Gas (UKOG), Europa Oil and Gas und dem in Grossbritannien bekanntesten Unternehmen Cuadrilla Resources verwenden Social-Media-Daten, die sie mehrheitlich über den privaten Sicherheitsdienst Eclipse Strategy Security erhalten haben. Die Dokumente zeigen, dass Eclipse seit 2016 Aktivisten überwacht. Laut «DeSmog» haben sich die Einnahmen der Firma zwischen 2016 und 2017 verzehnfacht.

Die Überwachten seien «mehrheitlich gesetzestreue Bürger», gab Eclipse dem Gericht gegenüber an. Es gehe nur um einen harten Kern, der friedliche Proteste für sich nutze. Die Beweismittel allerdings bestehen aus tausenden Seiten mit Twitter- und Facebook-Posts, die das Leben vieler Überwachter abbilden. Darunter persönliche Inhalte wie Bilder mit kleinen Kindern sowie in der Sache völlig irrelevante Posts, beispielsweise ein Foto, auf dem zwei Aktivsten ausserhalb jeder Protestaktivität zusammen Bier trinken.


Ein Post im UKOG-Bündel zeigt zwei Demonstranten, die sich ein Pint in der Sonne teilen. Wohlgemerkt weder in einem Protestcamp noch auf Facebook-Gruppen der Kampagnenseiten (Vice).

Die Einträge stammen mehrheitlich aus öffentlichen Unterhaltungen und offenen Facebook-Gruppen, die jeder Facebook-Nutzer sehen kann. Überwacht hat Eclipse aber auch geschlossene Gruppen (Englisch bezeichnenderweise «private groups»), deren Inhalte Nicht-Mitglieder nicht sehen können. Wer in die Gruppe will, muss von einem Administrator bestätigt werden. Problematisch daran: Dadurch, dass die Beweismittel zu den Anhörungen vorgelegt werden müssen, sind die vorgelegten Posts nun öffentlich.

«Als ob Private einen Überwachungsstaat aufsetzen»

Besonders überrascht zeigten sich die Fracking-Aktivisten über die Überwachung nicht. Einige hatten mit der Infiltration der Gruppen sogar gerechnet. Da greift ein gewisser Gewöhnungseffekt. Auch in der Vergangenheit waren die Social-Media-Aktivitäten von Umweltaktivisten überwacht worden – allerdings vom britischen Staat.
Eine Administratorin bedauerte es, Gruppenmitgliedern nicht deutlicher nahegelegt zu haben, einen separaten Facebook-Account mit falschem Namen anzulegen. Ein anderer fand deutliche Worte: «Es ist, als ob Privatunternehmen einen Überwachungsstaat aufsetzen», sagte er gegenüber «DeSmog».

Auf Facebook verzichten wollen die Fracking-Gegner dennoch nicht. Dazu ist Facebook zu nützlich und teilweise auch unverzichtbar. «In diesen Gruppen ist bereits zu viel Information. Wenn jemand fünf Jahre zurückgehen will, kann er das», findet der erfahrene Aktivist Jon O’Houston. Einige wollen den Ton ihrer Postings nun anpassen, andere weitermachen wie bisher. «Schliesslich haben wir nichts zu verbergen», sagt einer. «Wir würden so viele wichtige Dinge verlieren. Auf eine Art sind wir gefangen», sagt ein anderer.

Verteidigen können sich die Betroffenen vor Gericht nicht. Der Antrag lautet auf «unbekannte Personen». Das, schreiben «DeSmog» und «Vice», sei eines der besorgniserregendsten Details am Verbots-Verfahren. Die Überwachten können sich diesen juristischen Tricks wegen nicht zur Wehr setzen.

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Diesen Beitrag hat Daniela Gschweng aufgrund eines Berichts von «Vice» und anderer Quellen erstellt. Grosse Medien in der Schweiz haben bisher nicht darüber berichtet.


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