Kommentar
kontertext: J. K. Rowling wurde 60 und SRF hat wenig verstanden
Wenn Berichterstattung zur Kundgabe einer privaten Meinung verkommt, hat die Öffentlichkeit meist wenig davon. Es wird vollends problematisch, wenn diese private Meinung dazu führt, dass Tatsachen nicht objektiv geschildert oder gar unterschlagen werden. Am Beispiel des am 31. Juli in den SRF-News veröffentlichten Beitrags über Joanne K. Rowling möchte ich dies illustrieren. Wer den Artikel unvoreingenommen durchliest, glaubt, Rowling sei eine umstrittene Autorin und gefährde durch ihre politisch extremen Äusserungen den weiteren Erfolg ihres schriftstellerischen Werks. Britta Spichiger zitiert zwar einige von Rowlings Posts korrekt – aber sie interpretiert sie tendenziös beziehungsweise ausschliesslich im Sinne von Rowlings Gegner/innen. Die Meinung, das biologische Geschlecht solle bei der Bestimmung, ob man juristisch als Frau gelte, massgebend sein, ist weitverbreitet und keineswegs politisch extrem. Abgesehen davon ist die Rede von nur zwei biologischen Geschlechtern eine sachlich richtige Aussage, die nicht als politische Äusserung gelten kann.
Wenn Spichiger meint, Rowling sei politisch «höchst umstritten», dann stützt sie dies auf die Anfeindungen, welche Rowling aus Transgenderkreisen erleben musste (1). Seither sind weitere Teile des Publikums der Meinung, Rowling äussere sich «transphob». Spichiger geht davon aus, dass dieser Vorwurf stichhaltig sei. Dies ist umso weniger nachvollziehbar, als Spichiger ja die fraglichen Posts wörtlich abdruckt, wie zum Beispiel den folgenden: «Im Dezember 2019 schreibt Rowling diesen Tweet: ‹Kleide Dich, wie Du magst. Nenn Dich, wie Du möchtest … aber Frauen aus ihrem Job zu drängen, weil sie sagen, dass es Geschlecht tatsächlich gibt?› Die Autorin reagiert damit auf die Entlassung einer Steuerexpertin, die öffentlich gesagt hat, dass Geschlecht biologisch definiert sei.» Wer sich für Rowlings Engagement interessiert, findet im Netz interessante Informationen, die den Hintergrund erhellen, die jedoch von Spichiger unterschlagen werden, zum Beispiel die Gründung einer Anlaufstelle für von sexueller Gewalt betroffene Frauen in Edinburgh. (2)
Wer findet, Rowlings Aussagen oder Handlungen seien transfeindlich, hat einfach nicht verstanden, was Diskriminierung und Hassrede ist.
Wenn es Gruppen gibt, die wünschen, die Gesetzgebung solle es jeder Person freistellen, sich entsprechend ihrer gefühlten Identität als Frau oder Mann eintragen zu lassen, dann ist das ein normaler politischer Vorgang. Ebenso normal ist, dass es von anderen Gruppen der Gesellschaft Widerstand dagegen gibt, in Grossbritannien zum Beispiel von den Women for Scotland, die von J.K. Rowling unterstützt werden. Dieses Engagement als politisch extreme Haltung zu bezeichnen, ist schlicht falsch, umso mehr, als – wie auch Britta Spichiger berichtet – der britische Supreme Court im Vereinigten Königreich ein wichtiges Urteil betreffend der Verwendung der Begriffe Frau und Mann gefällt hat. Der Supreme Court stellte fest, es sei nicht sinnvoll, unter Frau etwas anderes zu verstehen als eine biologische Frau, denn sonst könne das Gleichstellungsgesetz nicht widerspruchsfrei angewendet werden. Sämtliche Interessierten konnten die Begründung des Gerichts einsehen. Das Gericht machte unmissverständlich klar, dass mit diesem Entscheid keine Transperson angegriffen werde. Es ist offensichtlich, dass es bei dieser gesellschaftlichen Auseinandersetzung nicht um «Transphobie» geht, sondern einfach um unterschiedliche Meinungen darüber, wie Transpersonen und andere Minderheiten angemessen geschützt werden können.
- (1) Mehrere Medien und auch Rowling selbst berichteten, dass sie aus Transgender-Kreisen Morddrohungen erhielt und dass ehemalige Fans von Rowling zu Harry-Potter-Bücherverbrennungen eingeladen hatten.
- (2) Im Dezember 2022 gründete Rowling mit Beira’s Place eine Hilfsorganisation und Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt, die in oder bei Edinburgh leben. Das Angebot richtet sich nicht an Männer oder Transfrauen. Beira’s Place sei eine Reaktion auf die grosse Nachfrage nach einer rein weiblichen Unterstützung, sagte die Schriftstellerin.
Martina C. Meier ist freischaffende Biologin und Ökofeministin.
Unter «kontertext» schreibt eine externe Gruppe von Autorinnen und Autoren. Sie greift Beiträge aus Medien auf, widerspricht aus journalistischen oder sprachlichen Gründen und reflektiert Diskurse der Politik und der Kultur. Zurzeit schreiben regelmässig Silvia Henke, Mathias Knauer, Michel Mettler, Felix Schneider und Beat Sterchi.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Danke für diesen erhellenden, wichtigen Kontertext.
Ja, der Beitrag von SRF war ganz einfach schlecht gemacht. Sehr einseitig, ohne zu erwähnen, dass nur eine «kleine» Welt Rowling als transphob bezeichnet.