VitalikButerin

Vitalik Buterin, das russisch-kanadisch Programmier-Genie © Ethereum World News

Ist die Blockchain-Revolution schon abgesagt?

Lukas Hässig /  Bitcoin und auch die zweitgrösste Kryptowährung Coin Ether sind im Sinkflug. Ist die Revolution zu Ende, bevor sie begonnen hat?

Vitalik Buterin, 24, Mitbegründer von Ethereum, einer Software-Entwicklungsplattform, die das einfache Aufsetzen neuer Kryptowährungen im grossen Stil erst ermöglichte, wies in einem Interview mit Bloomberg letzten Samstag auf Brisantes hin. Am Rande einer Konferenz am Samstag meinte Buterin, dass die Tage des explosiven Wachstums im Krypto-Bereich wohl zu Ende seien. Man solle nicht mehr nur an Kryptowährungen „interessiert sein“, sondern endlich zu echten Anwendungen übergehen.

Vitalik Buterin ist nicht irgendwer. Er ist nicht nur der Mitbegründer von Ethereum und des zweitgrössten Kryptocoins ETH, sondern auch ein „echter Mensch“. Dies im Gegensatz zum Pseudonym „Satoshi Nakamoto“, nach dem die Person oder die Personengruppe benannt ist, unter der im Oktober 2008 – vor 10 Jahren – das erste sogenannte „White Paper“ zu Bitcoin veröffentlicht wurde.

Die Aussagen von Buterin haben somit Gewicht. Die Antwort des Marktes liess auch nicht lange auf sich warten: Nach einer bereits miserablen Performance der letzten Monate stürzte das Coin Ether (ETH) weiter ab und erreichte am Sonntag Morgen ein 52 Wochen-Tief von 188 Dollar. Der Fall unter das Level von 200 Dollar ist bedeutsam. Die 200 Dollar sind eine wichtige psychologische Marke. Diese Höhe entspricht einem Minus von über 85 Prozent vom Allzeithoch von 1’428 Dollar am 13. Januar 2018 – also vor nicht einmal 8 Monaten.

Auch die Preise von Bitcoin und allen anderen Alt-Coins befinden sich weiter in einer langsamen, aber zermürbenden Abwärtsspirale. Der «Blick» titelte online: „Der Bitcoin-Hype ist vorbei“, während der Tages-Anzeiger noch nicht ganz aufgab und meinte: „Der Bitcoin-Boom ist vorerst vorbei“.

Kann der Boom jemals zurückkommen?

Es bräuchte ein Wunder. Das explosive Preis-Wachstum von Ende 2017 ist in weite Ferne gerückt. Ganz anders die Angebots-Seite. Dort gibt es mittlerweile 1’926 Kryptowährungen, 13’721 „Märkte“ beziehungsweise Plattformen, auf denen Coins gehandelt werden (Quelle: Coinmarketcap), und ganze 117’652 verschiedene Ether-Token, für deren Erstellung wohlgemerkt der Kauf von ETH nötig war. – Eine wahre Hyperinflation.

Wozu braucht es das alles? Was sind die Anwendungen im „echten Leben“? Was haben die Coins oder Tokens für einen Einfluss auf die Realwirtschaft oder auf uns? Und vielleicht die noch wichtigere Frage: Welchen Einfluss kann Blockchain, sprich die darunter liegende Technologie, überhaupt auf die Realwirtschaft haben?

Vitalik Buterin wird von Bloomberg wie folgt zitiert: „The blockchain space is getting to the point where there’s a ceiling in sight“. Wie bitte? Ist etwa auch die Blockchain-Technologie bereits ausgereizt? Bisher war die Logik doch auch von Seiten der Kritiker: Die Coins sind vielleicht in einer Blase, aber Blockchain: Das wird unser Leben revolutionieren.

Einzig der seit der grossen Finanzkrise von 2008 bekannte Nouriel Roubini kritisierte bereits früh auch die Blockchain-Technologie (Bloomberg Interview vom 2. Februar 2018). Während das Internet bereits unmittelbar eine Vielzahl von Anwendungen hervorgebracht habe wie HTML und Email, welche schnell von Hunderten von Millionen Menschen genutzt werden konnten, war das einzige, was durch Blockchain in den letzten 10 Jahren seit ihrer Erfindung hervorgebracht wurde, Bitcoin und ICOs – und die seien Betrug.

Nouriel Roubini im Februar 2018: Was hat Blockchain wirklich hervorgebracht? (Bloomberg)

Diese Aussage ist zwar drastisch. Jedoch fehlen bisher tatsächlich die Beispiele von bahnbrechenden Blockchain-Innovationen, die sich am Markt durchsetzen konnten.
In einem Forbes-Artikel vom Mai 2018 werden 30 „echte Beispiele“ aufgeführt, bei denen die Blockchain Technologie in der Praxis angewendet wird. DeBeers „plane“ wohl, Blockchain zu benutzen und Accenture „zielt auf“ Effizienz und Produktivität in der Versicherungswirtschaft und hilft Kunden dafür bei der Umsetzung von Blockchain-Lösungen, ist da zu lesen.
Keine Revolution, aber immerhin. Vielleicht wird daraus etwas. Die Firma „GUTS“ Tickets, ein Ticketverkaufsportal, das Betrug verunmöglichen soll, gibt es bereits seit 2016, und es wurden bis heute gemäss Webseite 55’156 Tickets verkauft. Das reisst einen kaum vom Hocker.

Oder „Bitcar“ aus Singapur, eine Peer-to-Peer Plattform, die es ermöglichen soll, Miteigentümer an der „best performing asset class“ der letzten 10 Jahre zu werden: Automobile Raritäten. Wie es funktioniert, wird in einem Schaubild dargestellt. Es ist kaum ersichtlich, warum man dieser Firma Vertrauen schenken sollte, nur weil sie behauptet, Blockchain zu benutzen.

Der Hype ist vorbei

Bitcoin kennt jeder. Aber der Hype ist erst einmal vorbei. Nun stellt sich die Frage, ob Blockchain als Technologie zumindest in manchen Bereichen gleichzeitig sicherer und auch schneller, günstiger oder sonst in irgendeiner Weise besser funktioniert. Oder können die zahlenden Kunden letztlich auch ganz gut ohne diese neue Technologie leben?

Die Aussagen von Vitalik Buterin sollten jedenfalls wachrütteln. Setzen sich nicht sehr bald ein paar Anwendungen wirklich durch, wäre im Falle eines weiteren Wertverlustes von Bitcoin, Ether & Co. womöglich auch die Blockchain-Revolution abgesagt.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Inside Paradeplatz


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Eine Meinung zu

  • am 11.09.2018 um 11:28 Uhr
    Permalink

    Ich, obwohl studierter Oekonome, komme bei Blockchain/Bitcoin nicht draus.
    In den Medien sollte einmal anhand einfachster Beispiele veranschaulicht werden, wie Blockchain geht. Also: Ich bestelle ein SBB-Ticket mit meinem Mac und bezahle es mit der Kreditharte. Und nun: Wie geht das mit Blockchain/Bitcoin ? Was müsste ich tun?

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