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Ein Nashorn im Serengeti Nationalpark in Tansania. © CC

Massive Wilderei – eine unerwartete Folge des Lockdowns

D. Gschweng /  Wilderei nimmt durch die Corona-Krise in vielen Ländern zu. Das ist eine grosse Gefahr für bedrohte Tierarten - und auch für uns.

Seit Unternehmen den Betrieb einstellen, Tourismus fehlt und Grenzen geschlossen sind, treibt Armut Betroffene zur Suche nach alternativen Einkommensquellen. Sie verkaufen Hörner, Knochen, Krallen und Schuppen seltener Tiere oder jagen Tiere, um sie zu essen.

Die Entwicklung trifft Tierpopulationen weltweit. Indien meldete laut der «BBC» eine Zunahme bei der Wilderei von Tigern. Für die Population gefährlich ist auch die zunehmende Wilderei von Hirschen. Todesfälle durch eine eventuelle Infektion mit dem Virus seien dagegen vernachlässigbar, sagt ein Experte. In Kambodscha fand die Umweltorganisation «Wildlife Conservation Society» (WCS) vor kurzem drei vergiftete Riesenibisse. Weltweit gibt es nur noch einige hundert der bedrohten Vögel. In Sibirien werden immer mehr Rentiere illegal gejagt.

Die Reservate können Tiere nicht mehr schützen

Tierschutzorganisationen und Behörden sind vermehrt gefordert. Nico Jacobs, Gründer der Non-Profit-Organisation «Rhino 911», die Nashörner per Helikopter rettet, musste seit dem Beginn des Lockdowns in Südafrika am 23. März fast täglich fliegen. Am 25. März rettete er ein Kalb, dessen Mutter von Wilderern getötet worden war. Zwei Nashörner, denen die Hörner abgehackt worden waren, konnte er am Tag darauf nicht mehr lebend finden, berichtet die «New York Times». Solange noch Geld da sei, sagte er, werde er weiter fliegen. Nashorn-Pulver wird vor allem in asiatischen Ländern zu extrem hohen Preisen als Potenzmittel gehandelt.

Wie lange Wildtiere noch gerettet werden können, ist schwer zu sagen. Ein grosser Teil der Wildtierreservate bezieht seine Einnahmen aus dem Tourismus. Durch die Massnahmen gegen Sars-Cov-2 ist dieser aber weltweit zum Erliegen gekommen. Parks, private Reservate und Naturschutzgebiete sind nicht mehr in der Lage, ihre Mitarbeiter zu bezahlen.

Touristen schützen Wildtiere schon durch ihre Anwesenheit

«Zu sagen, wir sind in einer verzweifelten Lage, ist untertrieben», sagt beispielsweise Lynne MacTavish, Betriebsleiterin des Mankwe-Wildschutzgebietes in der Nordwestprovinz Südafrikas. Sie zahlt sich selbst inzwischen kein Gehalt mehr aus, die Bezüge der anderen leitenden Angestellten hat sie um 30 Prozent gekürzt. Drei bis vier Monate wird sie so noch durchhalten können. Falls der Lockdown länger andauert, erwartet sie einen massiven Anstieg der Wilderei, den sie mit einer Rumpf-Crew nicht mehr verhindern kann.

Ähnliche Nachrichten gibt es aus Kenia, Botswana, Tansania und anderen afrikanischen Ländern. Einige tausend Wildhüter können Wilderer in den riesigen Schutzgebieten, die für die Jahreszeit unüblich leer sind, nicht aufhalten. Die plötzliche Ruhe ist für viele Tiere lebensbedrohlich. Wo sich Touristen mit ihren Tourguides aufhalten, schlagen Wilderer normalerweise selten zu, das gilt selbst bei Trophäenjägern. Nun kommt Wilderei in früher sicheren Gebieten häufiger vor.

Ein Teil der Wilderer hat schlicht Hunger

Zu denen, die hinter Horn und Elfenbein her sind, kommen diejenigen, die kleinere Tiere erlegen, um sie zu essen oder ihr Fleisch zu verkaufen. «Man kann es ihnen nicht verübeln», sagt Martin Ives, der Leiter von «Rhino Conservation Botswana», «die Menschen hungern». Ives rechnet mit einer Zunahme von Buschfleischwilderei auf dem ganzen Kontinent.

Wilderei ist in Afrika kein neues Thema. Vor allem ärmere Haushalte verlassen sich noch heute auf Wildfleisch, meist im Verborgenen. Die Gründe sind vielfältig. Eine Freundin, die in Südafrika aufwuchs, erzählte einmal von Wild nicht ganz legaler Herkunft, das ihre Wohngemeinschaft für ein Fest vorbereitete. Sie marinierte das Tier – ich glaube, es war ein Wildschwein – tagelang im Badezimmer des Studentenwohnheims, bevor es gegrillt und verzehrt wurde. Nach dem Alter der Erzählerin zu urteilen fand diese Party irgendwann in den 1990er-Jahren statt.

Warum Wilderei in Afrika auch uns bedroht

Diese Geschichte zeigt zweierlei: Der Verzehr von «Bushmeat» war zwar vor 30 Jahren schon verboten, aber auch in privilegierten Schichten akzeptiert. Und meistens ging dabei nichts schief.

Manchmal aber doch. Sars-Cov-2 ist nicht der erste gefährliche Krankheitserreger, der auf Menschen übergesprungen ist. Auch das SARS-Virus und HIV traten zuerst bei Tieren auf.

In ländlichen Gegenden, wo durch den Lockdown Geld fehlt und soziale Netzwerke zusammengebrochen sind, kommen sich Mensch und Tier jetzt wieder viel zu nahe und bereiten so vielleicht der nächsten Epidemie den Weg. Diese Entwicklung ist nicht nur für Antilopen und Nashörner gefährlich, sondern potentiell für die ganze Welt.

China hat schon zu Beginn der Corona-Krise Konsequenzen gezogen und den Verzehr von Fleisch wilder Tiere verboten. Daran, ob sich das Verbot auch durchsetzen lässt, gibt es eher Bedenken kultureller Art. Nach einer Recherche von «SRF» ist der Verkauf wilder Tiere teilweise einfach in den Untergrund gewandert. Viele Chinesen beginnen jedoch umzudenken. Verbote gibt es auch in anderen Ländern, wo sie mehr oder weniger befolgt werden. China bleibt weiterhin der weltweit grösste Abnehmer von Horn, Elfenbein, Schuppen und Knochen wilder Tiere.

Solange der Lockdown andauert, stehen die Chancen schlecht

Die Chancen, Wilderei einzudämmen, stehen derzeit eher schlecht. Durch den Lockdown verschärfte Armut lässt sich so schnell nicht beseitigen. Nach Meinung einiger Experten steht die Corona-Welle den afrikanischen Ländern noch bevor. Tourismus wird es für einige Zeit nicht geben. Ostafrika erwartet dazu die zweite Welle einer Heuschreckenplage, die Millionen Hungernde zur Folge haben könnte. Zur Kontrolle von meist unzugänglichen Gebieten reicht weltweit das Personal nicht aus.

Bleibt nur, den Menschen zu helfen, um die Tiere zu retten. Naturschutzorganisationen müssten ihr Möglichstes tun, um die Menschen vor Ort zu unterstützen, sagt Colin Poole, Regionaldirektor der «Wildlife Conservation Society» (WCS) in Phnom Penh, Kambodscha. «Die Leute brauchen gerade jetzt Unterstützung, damit sie Alternativen haben und nicht auf zwar natürliche, aber gefährdete Tierarten zurückgreifen müssen», erklärte er der «BBC».


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