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In einem Gesundheitszentrum für Familienplanung in Ostafrika © UNFPA

Engagement gegen ungewollte Schwangerschaften in Afrika

Benno Büeler /  Die gemeinnützige Thurgauer Organisation medi-help hat seit 2017 schon Hunderttausende von Frauen zu ihren Rechten verholfen.

upg.Das Recht auf selbstbestimmte Familienplanung ist in zahlreichen internationalen Vereinbarungen und Menschenrechtsabkommen festgeschrieben. Es ist «nahezu universell als unantastbares Menschenrecht anerkannt», sagt Werner Haug vom UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA). Doch dieses Recht wird unzähligen Frauen nicht gewährt.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO haben in Entwicklungsländern über 200 Millionen Frauen und Paare keinen Zugang zu Mitteln der Familienplanung, obwohl sie ihre Kinderzahl beschränken möchten. Diesen Paaren wird die sexuelle Selbstbestimmung in Form von Aufklärung und guter Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln vorenthalten. Jährlich werden 80 Millionen Frauen ungewollt schwanger.

Evangelikale Kirchen, die in Afrika äusserst aktiv sind, verurteilen nicht nur Abtreibungen, sondern verteufeln häufig – wie die katholische Kirche – auch die Verhütungsmittel. Sie verurteilen das «Family Planning» als «unchristlich». Die Trump-Administration verweigert Hilfsorganisationen jede finanzielle Unterstützung, wenn diese sich für Familienplanung einsetzen.
Umso wichtiger sind Einsätze von gemeinnützigen Organisationen wie die der medi-help. Autor Benno Büeler ist deren Sekretär und auch Vorstandsmitglied von Ecopop.

Seit 2017 arbeitet medi-help mit lokalen NGOs in Afrika zusammen und stellt Verhütungs- und blutungshemmende Mittel nach der Geburt zur Verfügung. Als Blutungshemmer kommt vor allem Misoprostol zum Einsatz. Als Verhütungsmittel stehen Hormonimplantate sowie die innovative Kombipille Mifepristone 10mg im Vordergrund, welche sowohl präventiv als auch kurativ als «morning after» Pille genommen werden kann und deutlich weniger Nebenwirkungen hat als klassische Pillen.

Im ersten Jahr genügten Spenden in Höhe von 350’000 Dollar, um rund 150’000 ungewollte Schwangerschaften und Blutungen bei rund 200’000 Geburten zu verhüten. Medi-help ist vor allem in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo, Kenya und Madagaskar aktiv.
Viel gemeinnützige Arbeit
Gründer und Initiator von medi-help ist Daniel Waldvogel, der in Afrika und Asien schon seit 15 Jahren Projekte in den Bereichen HIV, Malaria und Familienplanung unterstützt. Es gibt kaum eine Organisation wie medi-help, bei der ein so hoher Anteil der Spendengelder direkt an der Front ausgegeben wird.
Das hat verschiedene Gründe: Medi-Help hat fast keine Verwaltungskosten und keine Fundraising-Kosten. Dies ist möglich, weil der Vorstand unentgeltlich arbeitet, die Administration (Finanzbuchhaltung, Web) durch Waldvogels Hotelgruppe «Jet Hotel» gratis abgedeckt wird, und die Reisen und Spesen von Daniel Waldvogel nicht entschädigt werden. Darüber hinaus kauft Medi-Help direkt bei Herstellern in Indien und China zu besten Konditionen ein, oder arbeitet bei der Beschaffung mit anderen, ähnlich effizienten Organisationen wie dkt international zusammen.
Antworten an Skeptiker
Im Folgenden einige Einwände von Skeptikern und Antworten darauf:
«Die Frauen wollen gar nicht verhüten; sie wollen viele Kinder, sei es wegen der Altersvorsorgen, sei es wegen der Wünsche des Mann, sei es wegen der gesellschaftlichen Wertvorstellungen, usw.»
Realität: Die UNO schätzt, das weltweit rund 40 Prozent aller Schwangerschaften ungewollt sind; diese Zahl beruht auf hunderten von Erhebungen und ist breit abgestützt. Darüber hinaus zeigen hohe Abtreibungszahlen und – in Länder wo Abtreibungen verboten sind – die Mortalität welche bei jungen Frauen infolge missglückter Abtreibung am höchsten ist, dass sehr viele Schwangerschaften ungewollt sind. Eindrücklich erfahrbar wird der Mangel auch, wenn man die enorme Nachfrage nach Verhütungsmittel in der Projektarbeit erlebt.
«Die Männer / die Religions-Oberhäupter usw. unterdrücken die Frauen und lassen sie nicht verhüten.»
Ja, diese Drücke gibt es, die gab es auch in vielen Schweizer Familien in den 1960er Jahren als die Pille aufkam. In der Realität werden deshalb anfänglich meist nur eine Minderheit von Frauen – teilweise heimlich – Verhütung betreiben; im Laufe von wenigen Jahren werden Freundinnen und Nachbarinnen die Vorteile von einem grösseren Geburtsabstand sehen und dann ebenfalls Familienplanung betreiben. Dies erklärt auch, weshalb die täglich eingenommene Pille teilweise wenig beliebt ist, 3-Monatsspritzen und andere, länger wirkende Mittel hingegen populärer sind.
«Um die Frauen besser zu stellen sollte nicht der Zugang zu Familienplanung verbessert werden, sondern Bildung, Gesundheit und Wohlstand gefördert werden. Die reproduktive Selbstbestimmung kommt dann von alleine.»
Diese beliebte Ausrede von Hilfswerken blendet einige zentrale Aspekte aus. Erstens wollen auch schon arme, ungebildete Frauen verhüten und nicht warten, bis irgendwann in Zukunft (in den nächsten Generationen?) Bildung und Wohlstand gut sein werden. Zweitens setzt Familienplanung den praktischen Zugang zu Verhütungsmitteln voraus; auch mit der schönsten Diplom-Urkunde kann nicht verhütet werden, dafür braucht es Verhütungsmittel. Drittens – und besonders tragisch – sind ungewollte Schwangerschaften einer der wichtigsten Gründe für das Ausscheiden von Mädchen und jungen Frauen aus Bildungsprogrammen, unsachgemässe Abtreibungen eine der wichtigsten Mortalitätsgründe bei jungen Frauen. Wie kann man angesichts all dieser Fakten ernsthaft Bildungs- und Gesundheitsprogramme für Frauen betreiben ohne Familienplanung mit einzubeziehen?
«Die Förderung der Familienplanung mit Mitteln aus reichen Ländern ist Neokolonialismus. Die armen Länder sollten das Thema selbst in die Hand nehmen, ohne Einfluss und Drücke vom Westen.»
Wird diese Aussage Frauen in armen Ländern vorgelesen (wie es der Autor selbst gemacht hat), lachen sie. Sie haben einen existenziellen Bedarf nach selbstbestimmter Verhütung. Sie, sehen, wie ihr eigener Staat unfähig ist, diesen zu decken, und sie sind froh, wenn andere Organisationen ihnen den Zugang zu Familienplanung geben können.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Benno Büeler ist Vorstandsmitglied vom Verein Umwelt und Bevölkerung Ecopop und Sekretär der Organisation medi-help.
Daniel Waldvogel war 2003 Mitbegründer der Lüthi-Stiftung in Simbabwe, welche sich der Behandlung von AIDS-Patienten widmete.

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4 Meinungen

  • am 25.02.2019 um 12:28 Uhr
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    "Jährlich werden 80 Millionen Frauen ungewollt schwanger…» So weit die WHO! Die 80 Millionen Männer, die sowas verursachen, gehören alle zu Me Too und folglich ins Gefängnis. Meldet doch das mal alles nach Rom, liebe Frauen, Franziskus weiss bestimmt Rat!

  • am 25.02.2019 um 19:57 Uhr
    Permalink

    Solche Bemühungen machen kapitalstarke Schweizer, z.b. beim Rohstoff- Raub mit Korruption, beim Land-Grabbing und im globalen Handel nicht mächtiger, eher im Gegenteil.
    Leider, sonst wären diese Bemühungen längst erfolgreicher im Sinne der Frauen und deren Freiheit. Das libertäre Allheilmittel MARKT versagt auch im Sachverhalt Geburtenregulation und grösstenteils in den meisten afrikanischen Ländern.

  • am 25.02.2019 um 23:12 Uhr
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    Ganz Ihrer Meinung, Herr Schenk

  • am 26.02.2019 um 18:48 Uhr
    Permalink

    So und jetzt spenden die Herren

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