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AfD-Vorsitzende Frauke Petry: «An der Grenze notfalls auf Flüchtlinge schiessen» © ARD

Die Partei AfD: keine Alternative für Deutschland

Jürg Müller-Muralt /  Die «Alternative für Deutschland» (AfD) ist auf dem Vormarsch. Ein Blick in die Wahlprogramme der neuen rechtsradikalen Partei.

Umfragen deuten auf klare Stimmengewinne für die Rechtspartei AfD bei den Landtagswahlen vom 13. März 2016 in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hin. Die AfD ist von einer einst vor allem EU-kritischen, rechtspopulistischen «zu einer rechtsradikalen Partei geworden», wie Hajo Funke, Rechtsextremismus-Forscher und früherer Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte. Die Entwicklung hin zum Rechtsextremismus zeichnete sich nach monatelangem innerparteilichem Machtkampf und nach der Parteispaltung Mitte 2015 ab.

Gewaltphantasien der Parteispitze

Wie weit weg von Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit AfD-Exponenten mittlerweile zu gehen bereit sind, zeigten kürzlich die Äusserungen der beiden Frauen an der Parteispitze. Die Vorsitzende Frauke Petry findet, man müsse notfalls an der Grenze auf Flüchtlinge schiessen, und die Vize-Bundesvorsitzende Beatrix von Storch forderte gar, dass auch Frauen und Kinder mit Waffengewalt an der Überquerung der Grenze gehindert werden sollten; sie hat das zwar mittlerweile zurückgenommen. Man kann zwar eine Äusserung zurücknehmen, nicht aber die Geisteshaltung, die dahintersteht.

Bereits jetzt bleibt es nicht bei Worten: Die rechtsextreme Gewalt in Deutschland nimmt drastisch zu. «Die Befürwortung von Gewalt gegen Flüchtlinge steigt nicht nur unter Rechtsextremen, sondern auch in der normalen Bevölkerung», sagte die Konfliktforscherin Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein kürzlich im «Spiegel». «Lange sicher geglaubte gesellschaftliche Normen kommen ins Wanken.» Und Innenminister Thomas de Maizière in der gleichen Ausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins: «Es ist erschreckend, dass die Gewalt teilweise bis in die Mitte der Gesellschaft kriecht».

Latente sprachliche Aggressivität

Die AfD hat dieses Potenzial längst entdeckt und setzt deshalb gezielt von Zeit zu Zeit das Mittel der enthemmten Sprache ein. Moderater geben sich die aktuellen AfD-Wahlprogramme in den drei Bundesländern, die Positionen der Partei werden weichgespült präsentiert. Da tönt es teils bieder-bürgerlich, teils beinahe klassisch konservativ, teils aber auch scharf zugespitzt und gepfeffert rechtspopulistisch. Wir legen im Folgenden ein besonderes Augenmerk auf die Sprache. Sie vermag nur notdürftig den Hass und die latente Aggressivität zu überdecken.

Bemerkenswert ist allein schon, mit welch subtil-abwertender Terminologie die politischen Gegner bezeichnet werden. Das Landtagswahlprogramm 2016 der AfD Baden-Württemberg spricht konstant von «Altparteien», wenn von CDU/CSU, SPD und Grünen die Rede ist. Das ist eine leichte Abwandlung des Begriffs «Systemparteien», den die Nationalsozialisten notorisch verwendeten. Unter «Systemzeit» verstanden die Nazis die Zeit zwischen 1918 und der «Machtergreifung» 1933. Zum «System» gehörte natürlich auch die «Systempresse», die bei AfD und Pegida mitunter «Lügenpresse» genannt wird. Neu ist dieser Begriff nicht. Der «Spiegel» (7/2016) zeichnete die Konjunkturzyklen des seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannten Begriffs auf. In den 1870er Jahren wurden russische und französische Blätter als «Lügenpresse» diffamiert, während des Ersten Weltkriegs die ausländische Presse, unter den Nazis jüdische, linke und ausländische Zeitungen, in der DDR-Propaganda richtete sich der Begriff gegen den Westen; und seit Ende 2014 taucht er vorab bei Pegida-Kundgebungen auf.

Sachsen-Anhalt soll «Schweiz» werden

Natürlich, das gehört zu jeder alarmistischen Rhetorik, «ist die Zukunft unseres Landes bedroht», wie es im AfD-Programm Baden-Württemberg heisst. Deshalb braucht es ja eine Partei wie die AfD; vor allem auch deshalb, weil «die entkernte Merkel-CDU» nur noch umsetze, «was sich grüne und rote Ideologen ausgedacht haben». Die AfD funktioniert wie die SVP: Alles ausserhalb der eigenen Partei ist links. Und klar, die «politische Klasse» ist «nicht mehr an den Interessen des Gemeinwohls interessiert.» Mehr noch: Die Regierungsparteien «haben nicht nur alle Verantwortung für das eigene Volk abgelegt, sie handeln in zynischer Weise als Saboteure unseres Staates und unserer Gesellschaft.»

Deshalb ist ein Hauptziel «die Veränderung der politischen Kultur», wobei die Schweiz hoch im Kurs steht: «Nach Schweizer Vorbild müssen die Bürger viel stärker als bisher an den politischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden.» Noch höhere Ziele setzt sich die AfD Sachsen-Anhalt: «Die Stärkung der demokratischen Mitbestimmung, insbesondere der direkten Demokratie, hat für uns hohe Priorität. Wir wollen Sachsen-Anhalt zur Schweiz der Bundesrepublik Deutschland machen.»

Das Phänomen ist bekannt: Rechtspopulisten und Rechtsextreme in ganz Europa liebäugeln mit der direkten Demokratie. Die Gründe für die rechtsextreme Sympathie am helvetischen Politsystem sind unschwer auszumachen: die Erfolge ausländerfeindlicher Volksinitiativen. Die neo-nazistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) hat jedenfalls der SVP schon mehrfach für ihre Volksinitiativen gratuliert. Ein Hohelied wurde etwa auf das vom Schweizervolk angenommene Bauverbot für Minarette angestimmt. Und nach Annahme der SVP-Ausschaffungsinitiative 2010 folgte postwendend die NPD-Gratulationsadresse: «Nun hat die Schweiz wieder ein Zeichen gesetzt, welches wir Nachbarn nicht unkommentiert Geschichte werden lassen sollten. Die Schweiz hat das Volk entscheiden lassen, wie in Zukunft mit kriminellen Ausländern umgegangen werden soll: Weiter Samthandschuhpolitik und Dauerangst für anständige Bürger oder konsequente Ausschaffung krimineller Subjekte und Sicherheit für die Schweiz?»

Gegen «Kulturfremde»

Verlockend für Rechtsextreme ist an der direkten Demokratie die Aussicht, mit scharfen Parolen und Stimmungsmache ihre Anhängerschaft vorbei an Parlamenten auch ausserhalb der Wahlen optimal zu mobilisieren. Was eine rechte Partei ist, macht, wie die AfD, kurzen Prozess mit der «grün-roten Multi-Kulti-Ideologie» und setzt auf «ein Bekenntnis zu Baden-Württemberg als Heimat mit deutscher Leitkultur». Daraus ergibt sich die Forderung nach «unverzüglicher Beendigung des Massenzustroms grösstenteils nicht integrierbarer, kulturfremder Menschen», umfassende Grenzkontrollen und «notfalls auch Grenzzäune».

Für «gefestigte Nationalidentität»

Auch bildungs- und gesellschaftspolitisch ist die AfD stockreaktionär. Im deutschen Schulsystem wittert sie «semi-sozialistische Gleichmacherei» und «Gesinnungsdiktatur». Nach Auffassung der AfD Sachsen-Anhalt muss das Schulsystem umgebaut und die «klassischen preussischen Tugenden» in den Mittelpunkt gestellt werden. Es müsse «Unterrichtsdisziplin» durchgesetzt werden, um «starke Männer» zu formen. Insbesondere soll die Geschichte Deutschlands «angemessen und unverfälscht» dargestellt werden, was immer das heissen soll, dies vor allem im Hinblick auf eine «gefestigte Nationalidentität». Dazu ist auch die deutsche Hochkultur zu verpflichten: In einer veritablen Regulierungsorgie will die AfD Sachsen-Anhalt die Schauspielhäuser verpflichten, klassische deutsche Theaterstücke nur noch so zu spielen, dass sie «zur Identifikation mit unserem Land anregen».

Für Abtreibungsverbot

Ein weiteres Kampffeld sind Ehe, Familie und Demographie. Der Staat betreibe «Propaganda für sexuelle Minderheiten», dabei müsse doch in erster Linie «die traditionelle Ehe und Familie» geschützt werden, weil schliesslich «nur aus der Verbindung zwischen Mann und Frau Kinder hervorgehen». Und genau da hapert es: Es werden seit Jahrzehnten viel zu wenig Kinder geboren. Aber man sollte nicht etwa auf die Idee verfallen, diese demographische Lücke mit Zuwanderung zu füllen: Es sei «vor allem notwendig, die Geburtenrate in unserem Land zu steigern. In diesem Sinne setzt sich die AfD für eine ‘Willkommenskultur für Kinder’ ein, die auch eine Reduzierung der viel zu hohen Abtreibungsraten mit sich bringen würde.»

Das läuft auf ein Abtreibungsverbot hinaus. Die AfD Rheinland-Pfalz spricht es denn auch aus: Sie fordert einen «Schutz des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod.» Ob die AfD damit bei den Frauen punkten kann, ist fraglich. Selbst die CDU ist seit den Siebzigerjahren für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs. Die AfD vertritt nicht nur ein Frauenbild, das in den Sechzigerjahren stecken geblieben ist, sondern will auch gleich noch die Medien darauf verpflichten: «Die AfD will auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einwirken und auch im Bildungsbereich Anstrengungen unternehmen, damit Ehe und Familie positiv dargestellt werden.» Zwar jammert die AfD immer wieder lautstark über die Beeinflussung der Medien durch die Parteien; aber wenn man es selbst macht und es den eigenen Zielen dient, ist es natürlich etwas anderes.

Deutschnationale Tea-Party

Die AfD-Programme runden den Befund ab, dass die Alternative für Deutschland nicht einfach eine stark konservative Variante der CDU ist. Die konservative «Frankfurter Allgemeine Zeitung» bezeichnet die AfD als «deutsche Version der amerikanischen Tea-Party», was auch «das Ende des seriösen Anstrichs» bedeute: «Hinter der bürgerlichen Fassade verbirgt sich längst etwas völlig anderes.» Deutlich wird auch der Historiker Andreas Rödder, Professor für Geschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz: Die AfD habe sich «von westlichen Traditionen distanziert und sich deutschnationalen Traditionen zugewandt.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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Rechtsextreme in Europa

Arbeitslosigkeit, Immigration und zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich sind Nährboden für Extremismus.

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3 Meinungen

  • am 22.02.2016 um 12:31 Uhr
    Permalink

    Wen interessiert schon die Gewalt des «Staates» gegen seine «Bürger» – Pressefreiheit ?

  • am 22.02.2016 um 14:16 Uhr
    Permalink

    Wehret den Anfängen und dabei ist es Wurst ob es um AfD oder SVP geht

  • am 13.03.2016 um 16:18 Uhr
    Permalink

    Die Regierung der BRD hat den Rechten Sektor in der Ukraine (Neofaschisten und Bandera-Anhänger) begrüßt und unterstützt.
    Als die AfD noch eine Partei war, die gegen die EU und die aktuelle Politik der BRD war, wurde sie bereits in die «rechte» Ecke gestellt.
    Falls die zahlenmässig kleine NPD verboten wird, werden ihre Anhänger nun zu AfD wechseln.
    Alle Pegida-Anhänger wurden sofort als Neonazis beschimpft, obwohl die Mehrheit einfach gegen die aktuelle Politik ist.
    In den Zweit-Kanälen des ZDF laufen ständig Filme über die Nazis: Hitler und die Frauen, Hitler und seine Generäle, Anhänger, Hunde, Tanten, Onkel, Neffen….Hitler uns sein Pups, Hitler und sein – pardon- fehlendes Ei…
    Ist das deutsche Geschichtsaufarbeitung?
    Selbst Scheiße bauen und dann entsetzt sein über den Gestank! Total verlogen!
    Und dann noch der Zeigefinger über den «verordneten Antifaschismus im Unrechtsstaat DDR"!!!
    Ich bin Antifaschistin mit DDR-Wurzeln!

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