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Journalistinnen bei der Arbeit © cc-by-sa Esther Vargas

Umfrage: Klicks als Massstab für journalistischen Erfolg?

D. Gschweng /  Die Hälfte von 180 befragten deutschen Journalisten setzt Erfolg angeblich mit Leserzahlen gleich, stellte eine Umfrage fest.

Die angespannte wirtschaftliche Situation der Medien dominiert weiter die Arbeit von Medienschaffenden weltweit. Das hat in Deutschland eine ganze Menge Konsequenzen bis hin zur Bewertung von Fake News, zeigt der jüngste «Cision State of the Media Report» für Deutschland.

Cision ist ein globaler Anbieter von Media Management Software und führt unter anderem Medienbeobachtungen für Unternehmen durch. Das Unternehmen publiziert jährlich eine weltweite Umfrage über das Arbeitsumfeld von Medienschaffenden. Für den jüngsten Report befragte es 181 Medienschaffende in Deutschland und 3’253 Medienschaffende aus 15 Ländern weltweit.

Wichtigstes Thema: Ressourcenmangel

Mit Abstand wichtigstes Thema für Medienschaffende in aller Welt ist demnach, wie sie mit Zeit und Geld zurechtkommen. Einsparungen und Personalabbau führen weiter dazu, dass weniger Medienschaffende mehr Inhalte produzieren müssen.

Ein Drittel der Befragten in Deutschland beklagte einen Mangel an Personal und Ressourcen, gegenüber 22 Prozent weltweit. Die Studie streift daraus resultierende Qualitätsprobleme, geht aber nicht näher darauf ein.

Erfolgreich ist, was gelesen wird

Der wirtschaftliche Druck macht sich laut Cision in der Selbstbewertung bemerkbar. Die Hälfte der Befragten in Deutschland bewerte ihre Arbeit als «Erfolg», wenn sie hohe Leser- oder Klickzahlen habe, schreibt Cision. Der Anteil der Medienschaffenden, die es so sehen, ist seit 2019 nochmals gestiegen.

Ob das wirklich die Meinung der Befragten ist, kann man bezweifeln. Die dazu gestellte Frage lautete nämlich: «Welcher Indikator war 2019 am wichtigsten, wenn es um die Erfolgsmessung von «Content» in Ihrem Unternehmen geht?».

Man darf annehmen, dass Reichweite nicht zuletzt eine Anforderung der Verlagsetage ist. Finanzielle Engpässe machen selbst vor etablierten Medienhäusern nicht halt (siehe Infosperber: «1800 Franken für ein NZZ-Jahresabo?»). Wer in unsicheren Zeiten beweisen könne, dass er Geld in Form von Aboabschlüssen hereinbringe, habe auch beim nächsten Medium gute Chancen, schreibt Cision in der internationalen Ausgabe der Studie.

An der Basis sind die Meinungen dazu buchstäblich zwiespältig. Die Hälfte der befragten deutschen Medienschaffenden (49,7 Prozent) fand, dass die Orientierung an Umsatz und Leserzahlen die Berichterstattung beeinflusse, die andere Hälfte nicht. 2019 antworteten noch 43 Prozent mit «nein». Ein knappes Viertel (23 Prozent) macht Erfolg direkt abhängig von Umsatz- oder Abozahlen, nur 13 Prozent der Medienschaffenden messen ihren Erfolg an der Menge des veröffentlichten Materials.

Was gemessen wird, wird relevant

Digitale Möglichkeiten schaffen auch an anderer Stelle Fakten: Das «User Engagement» der Leserschaft hat erstmals merklich Eingang in die Selbstbewertung gefunden. Neun Prozent der Befragten sagten, dass sie Wert auf Social-Media-Interaktion, hohe Verweildauer auf der Seite, Newsletter-Neuanmeldungen sowie Linkverbreitung durch Leserinnen und Leser legen (Vorjahr: weniger als drei Prozent). Detaillierte Zielgruppeninformation durch digitale Erfassung wird ebenfalls geschätzt.


An oberster Stelle steht bei Journalistinnen und Journalisten weltweit die Sorge um Geld und Personal. (Daten: Cision, Visualisierung: Daniela Gschweng)

Fake News besorgte nur wenige

Die wirtschaftliche Lage zeigt auch Auswirkungen auf das, was deutsche Medienschaffende als grösste Herausforderungen im Beruf betrachten. Fake News, das wichtigste Thema 2019, besorgte weniger Kolleginnen und Kollegen. Nur zehn Prozent schenkten der Diskussion um Falschnachrichten im Februar 2020 besondere Beachtung, international werden Fake News eher als Problem gesehen. Ob die Antworten nach der Corona-Infodemie anders ausfallen, wird sich frühestens nächstes Jahr zeigen.

Als anhaltend schwierig wurde dagegen die Konkurrenz durch Soziale Medien, Influencer und «Paid Media» bewertet. Leider wird Letzteres nicht detailliert aufgeschlüsselt. Paid Media sägen nicht nur an der Reichweite, sondern auch am Werbeumsatz.

Die Hälfte denkt, die Öffentlichkeit vertraue ihnen nicht

An anderer Stelle haben deutsche Medienschaffende wieder an Selbstvertrauen gewonnen. Der Anteil derer, die fanden, die Öffentlichkeit habe das Vertrauen in die Medien verloren, sank von 2019 auf 2020 um ganze zehn Prozentpunkte, lag im Februar 2020 aber noch immer bei 54 Prozent.

KI und die Abhängigkeit von Social Media werden den Beruf nachhaltig verändern

Ein weiteres Thema ist die Anpassung an die technologische Entwicklung. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen, sagte ein Drittel der Befragten, werden den Beruf am ehesten nachhaltig verändern. Die ersten Anwendungen haben die Erwartungen aber wohl gedämpft, im Vorjahr war es noch die Hälfte gewesen. Gleichauf in der Sorgenskala liegen die Algorithmen der Sozialen Medien beziehungsweise ihre Veränderung und Anpassung. Die Abhängigkeit von Facebook und Co. bereitet deutschen Medienschaffenden viel Kopfzerbrechen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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