Kommentar

Die SRG ist notwendig für die direkte Demokratie

Beat Allenbach © zvg

Beat Allenbach /  Ohne Gebühren gibt es keine umfassende Berichterstattung in und aus allen Landesteilen.

Viele junge Menschen wehren sich dagegen, für Radio- und Fernsehen pro Jahr 365 Franken zu bezahlen, denn sie informieren sich, so sagen sie, mit dem Smartphone auf Facebook, Twitter und anderen Plattformen. Erwachsene und Pensionierte, die keinen Fernsehapparat besitzen, aber sich gerne am Radio informieren, fühlen sich ebenfalls von Bundesrat und Parlament betrogen: Eine pauschale Gebühr, die das Fernsehen einschliesst, wollen sie nicht berappen. Nur auf den ersten Blick scheint diese Haltung logisch und verständlich.

Halbdirekte Demokratie erfordert umfassende Information

Es gibt Dienstleistungen und Angebote, für die alle zu bezahlen haben, auch jene, die diese nicht direkt nutzen. Wer keine Kinder hat, bezahlt gleichwohl Steuern auch zugunsten der Schulen; wer kein Auto und kein Motorrad hat, muss Bau und Unterhalt von Strassen mitfinanzieren; wer stets das Auto benützt und nie mit der Bahn fährt, leistet gleichwohl einen Beitrag an den öffentlichen Verkehr. Für uns, die das Glück haben, Bürgerinnen und Bürger eines Landes mit halbdirekter Demokratie zu sein, sind Informationen über das Geschehen in der Schweiz, in den Kantonen und den Gemeinden eine notwendige Dienstleistung. Diese Aufgabe, die alle Landesteile umfasst, können einzig die mit Gebühren finanzierten Sender der SRG erfüllen.

Die Zeitungen sind in den letzten Jahren dünner geworden, die Zahl der Inserate ist rückläufig. Weniger Einnahmen durch Werbung führen zu Sparübungen in den Redaktionen. Es gibt immer weniger Verlage und gleichzeitig produzieren diese, zentralisiert, einen gemeinsamen Mantel: Die verschiedenen Tageszeitungen eines Verlags tragen zwar noch ihren traditionellen Namen, haben jedoch eine einheitliche Gestaltung und enthalten, bis aufs Lokale, die gleichen Informationen. Gleichzeitig sind die festangestellten und freien Korrespondenten in den verschiedenen Kantonen und Landesteilen die Ausnahme geworden: Es wird immer mehr von der Zentrale aus über die Ereignisse in der verschiednen Regionen berichtet. Es fehlen die Ortskenntnisse, die Nähe, das führt zu Oberflächlichkeit und Zufälligkeit in der Berichterstattung. Keine Tageszeitung hat beispielsweise noch einen Korrespondenten im Tessin; der dritte Landesteil wird fast vergessen.

Ohne SRG keine flächendeckende Information

Sie mögen sich fragen, was hat das mit No Billag und der SRG zu tun? Radio und Fernsehen der deutschen Schweiz haben immer noch ein ausgebautes Korrespondentennetz. Sie bringen immer wieder aufschlussreiche Berichte und spannende Reportagen aus den Kantonen. Manchmal regt das Zeitungsjournalisten an, Themen aufzugreifen. Würde am 4. März eine Mehrheit für No Billag stimmen und dürfte die Eidgenossenschaft keine Gebühren mehr erheben, so müsste die SRG den Laden schliessen. Eine gefährliche Nebenwirkung des Verstummens der SRG-Programme: Die Verleger könnten den Sparhebel noch weiter anziehen, die heute belebende Konkurrenz durch die SRG würde dahinfallen. Die Information in den Zeitungen würde einseitiger, dem Druck mächtiger Inserenten, aber auch politischer Interessengruppen sind Zeitungen stärker ausgesetzt als die gebührenfinanzierten SRG-Sender.

Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die sich nicht umfassend und über die unterschiedlichen Aspekte, Sichtweisen und Interessen informieren können, sind nicht in der Lage, die teils komplexen Abstimmungsvorlagen zu beurteilen und gut abgestützte Entscheide zu fällen. Deshalb ist es unumgänglich, dass wir weiterhin ein breites und vielgestaltiges Informationsangebot zur Verfügung haben. Wir brauchen die SRG, damit die halbdirekte Demokratie funktionieren kann.

No Billag ist präzis und gefährlich

Viele Leute sind überzeugt, die SRG würde trotz einem «Ja» zu No Billag bestehen bleiben. Die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP, beispielsweise, sei nicht wirklich umgesetzt worden. Auch nach Annahme von No Billag würden die Politiker, so glauben viele, einen Ausweg finden, um die SRG zu erhalten. Das ist ein gefährlicher Trugschluss, denn im Unterschied zur Volksinitiative gegen die Masseneinwanderung, die schwammig formuliert war, ist No Billag präzis: Der Bund darf keine Empfangsgebühren erheben, und er darf auch keine Radio- und Fernsehstationen subventionieren. Trotzdem behauptet der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, Hans-Ulrich Bigler, das Gegenteil. Auf der Internetseite seines Verbandes liest man: «Ein ‹Ja› zu No Billag ist ein ‹Ja› zu einer starken SRG und einem starken Service public in allen Landesteilen.» So werden die Folgen eines «Ja» zu No Billag einfach ins Gegenteil verkehrt. Über die aggressive, wahrheitswidrige Kampagne ärgern sich auch Politiker, die Mitglied des Gewerbeverbandes sind. Zudem haben mehrere kantonale Sektionen des Gewerbeverbands, z.B. jene der Kantone Aargau, Schwyz und Freiburg, die Nein-Parole gefasst, doch davon ist auf der Homepage nichts zu lesen. Die Quintessenz: Mit fake news für No Billag, mit fair news gegen No Billag.
Die Diskussion über Aufgaben und Grösse der SRG wird mit einem «Nein» zu No-Billag-Initiative nicht beendet werden. Im Gegenteil: Sie wird erst eigentlich beginnen. In diesem Jahr muss der Bundesrat die neue Konzession für die SRG beschliessen, die ab 2019 für einige Jahre gelten soll. Gleichzeitig wird in der Bundesverwaltung ein neues Gesetz über die elektronischen Medien vorbereitet. Die Debatten im Parlament werden hitzig werden, denn viele möchten die SRG etwas einschränken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

SRG_Dossier

Medien: Service public oder Kommerz

Argumente zur Rolle und zur Aufgabe der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG.

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7 Meinungen

  • am 30.01.2018 um 12:37 Uhr
    Permalink

    «[…] Ausgerechnet jene politischen Kreise, die der SRG Schutz vor den Unbilden des Wettbewerbs garantieren wollten, manövrierten sie in die Sackgasse. […]» schreibt Herr Alex Bänninger (Ex-Kulturchef Schweizer Fernsehen) unter dem Zwischentitel «Kampf auf verlorenem Terrain» am 31. Oktober 2017.
    Aus meiner Sicht ist dieser Beitrag hervorragend und (leider) immer noch aktuell: https://www.journal21.ch/27-programme-und-0-zukunft

    PS: Kennt jemand einen Verein in der Schweiz mit einem Verwaltungsratspräsident oder einem sogenannten Verwaltungspräsident (SRG ausgeschlossen)? Unter
    https://www.srf.ch/play/tv/schawinski/video/roger-schawinski-im-gespraech-mit-jean-michel-cina?id=e8aa4ac0-772d-419d-9071-003e97f891e5&station=69e8ac16-4327-4af4-b873-fd5cd6e895a7
    steht, dass Jean-Michel Cina Verwaltungspräsident der SRG sei. Im «Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Zweiter Abschnitt: Die Vereine» erhalte ich via Volltext-Suche 0 (Null) Treffer, wenn ich den Suchbegriff «Verwaltungsrat» eingebe. Interessant ist auch eine Google-Suche mit «Verwaltungspräsident und (z. B.) «NZZ». Ich bitte um sachdienliche Hinweise.

  • am 30.01.2018 um 13:15 Uhr
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    »… Informationen über das Geschehen in der Schweiz, in den Kantonen und den Gemeinden (sind) eine notwendige Dienstleistung. Diese Aufgabe, die alle Landesteile umfasst, können einzig die mit Gebühren finanzierten Sender der SRG erfüllen."

    Die zahl- und erfolgreichen Internet-Zeitungen (Infosperber u.a.) zeigen, dass die Aussage nicht richtig ist.
    Und die Internet-Zeitungen trauen sich auch, heisse Eisen anzufassen und kritische Fragen zu stellen.

    Beim Thema Haribo (aktueller Bericht im Infosperber) war es die deutsche ARD, die sich dem Thema angenommen hat. Aus der Schweiz zeigt Google auf den ersten zwei Seiten zur Suche nach «Haribo Kinderarbeit» nur den Bericht von Infosperber an.

  • am 30.01.2018 um 13:41 Uhr
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    Was mich ärgert, dass die SRG eben auch nicht neutral berichtet! Wohl ist besonders das Radio SRF das neutralste Medium der Schweiz (und jeden Franken wert), aber beim Fernsehen sieht es anders aus. Wir erinnern uns z.B. an den Syrienkrieg, wo extrem natofreundlich und somit nicht neutral berichtet wurde. Kritik wurde abgeschmettert.
    Das SRF in Ehren, aber es gibt keine Medien, die absolut objektiv berichten. Und deshalb muss Kritik erlaubt sein. Ich habe mich zu oft geärgert!

  • am 30.01.2018 um 17:49 Uhr
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    Was bei einem NEIN zu No-Billag anschliessend von der Politik beschlossen wird, weiss niemand.
    Sicher ist, dass der Bürger dazu nicht mehr gefragt wird.
    Was in der Diskussion bisher fast vollständig ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass Tagesschau, 10vor10, Arena und andere gewichtige News-Sendungen absolut einseitig (im Sinne der westlichen NATO-Propaganda) und einer ausgewogenen Berichterstattung einer neutralen Schweiz unwürdigen Art berichten. Diese Art der Information hat sicher nicht die friedliche Koexistenz der Völker zum Ziel, sondern sie ist propagandistisch und spaltend. Es wird zu wenig hinterfragt und recherchiert.
    Der Zuschauer wird nicht mit objektiven Informationen beider Parteien versorgt.
    Siehe dazu: https://swprs.org
    Den fehlenden Teil muss er sich auf anderen Kanälen suchen.
    Wenn die Schweiz zu ihrer Neutralität steht, dann muss der Staatssender SRF zwingend ausgewogener berichten, was nota bene auch in den eigenen Statuten steht.
    Respektvolle und ausgewogene Information ist nicht nur elementar für unsere Demokratie, sondern auch für den zukünftigen Frieden in Europa und auf dieser Welt.

  • am 30.01.2018 um 19:15 Uhr
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    Die No-Billag Initiative ist ein schlecht durchdachtes riskantes Spiel. Natürlich kann nicht nur die SVP sondern auch fast jeder von uns etwas am Schweizer Fernsehen bemängeln. Den einen hat es zu viel Ländlermusik, den andern zu wenig, viele wollen weniger Werbung, andere wollen uns den ganzen TV- und neuerdings auch den Radio-Abend mit Werbung verstopfen. Aber am 4. März geht es nicht um die Qualität von Radio und Fernsehen, sondern ob wir überhaupt noch ein gesamtschweizerisches Fernsehen samt Radio wollen. Wehren wir uns gegen die knauserigen Sparfanatiker der Jungfreisinnigen und der SVP!
    Martin A. Liechti, Maur

  • am 5.02.2018 um 15:13 Uhr
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    Zusammenfassend könnte man also sagen, dass die arme, fragile Schweizer Demokratie am Seidenfaden der SRG hängt. Die SRG, das Bollwerk gegen die Demontage unserer Demokratie?
    Das klingt nach einem Satire-Gag von Simon Enzler. Wenn das so wäre, dann müsste ich mich fragen, ob es sich lohne, etwas derart Schwaches am Leben zu erhalten?
    Ich verspüre grosse Lust für No Billag zu stimmen, um das Gefühl zu vermeiden, ich könnte über Angstmacherei zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten manipuliert werden.

  • am 10.02.2018 um 14:31 Uhr
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    Ich verstehe nicht ganz warum Infosperber die SRG in Schutz nimmt. Der Grund warum ich mich auf diesem Portal informiere ist weil die SRG eben nicht unabhängig informiert. Sie hat schon immer die neoliberale Agenda vertreten und weder die sinnlosen Kriege der NATO verurteilt noch die Propaganda der Stromkonzerne und der Pensionskassen entlart. Sie Arbeitet mit den grossen Medienkonzernen schon längst zusammen (Admeira). Diese Organisation hat zur freien Meinungsbildung nichts beigetragen. Lasst sie in Frieden ruhen und das entstandene Vakuum mit unabhängigen Onlinezeitschriften wie Infosperber füllen.
    Gruss Daniel Bertschi

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