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Psychiater Reinstein: Hat in Alters- und Pflegeheimen den Übernamen «Clozaril-König» © Chicago Tribune

Wenn eine Pharmafirma einen Arzt mit Geld verwöhnt

upg /  Die Generika-Herstellerin Teva zahlte einem Psychiater hohe Summen für «Beratung», «Studien» und Arztgehilfin. Es kam zur Anklage.

Die Anklage endete jetzt mit einem Vergleich: «Teva Pharmaceutical» zahlt «freiwillig» fast 28 Millionen Dollar Busse.
Vor Jahren war es der Schweizer Pharmakonzern Novartis, welcher den amerikanischen Psychiater Michael Reinstein in Chicago gut bezahlt hatte, damit dieser das Schizophrenie-Medikament «Clozaril» mit dem Wirkstoff Clozapin Hunderten von Patienten verschrieb. Das steht in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft gegen die «Teva Pharmaceutical».
«Unangemessene Beeinflussung»
Seit das Novartis-Patent ausgelaufen ist, vertreibt der israelische Pharma-Riese «Teva Pharmaceutical Industries Ltd» in den USA ein Generikum von «Clozaril» unter dem Namen «Clozapine». «Teva» hat nun in den letzten Jahren Psychiater Reinstein für fragwürdige Gegenleistungen so viel bezahlt, dass ein Staatsanwalt der Pharmafirma vorwarf, den Psychiater zu gesundheitsgefährdenden Überbehandlungen verführt zu haben. «Pharmakonzernen muss es verboten sein, Ärzte unangemessen (‹improperly›) zu beeinflussen», erklärte der zuständige Staatsanwalt Zachary T. Fardon.
Laut Anklageschrift hat der Pharmakonzern Reinstein jährlich 50’000 Dollar für «Beratungen» bezahlt sowie «Studien» und eine Praxisschwester finanziert, welche Clozapine empfehlen sollte. Das berichtet das Internet-Portal «Pro Publica».
Teva habe dem Psychiater und dessen Freunden auch Reisen und Unterhaltungen finanziert. Gleichzeitig sei die Zahl der Clozapine-Verschreibungen seiner Praxis weiter gestiegen.
Um einen Prozess zu vermeiden und um das Verfahren zu beenden, hat Teva jetzt eingewilligt, 15,5 Millionen Dollar den US-Bundesbehörden und weitere 12,1 Millionen dem Bundesstaat Illinois zu zahlen, laut Firmenangaben «ohne Eingeständnis eines Fehlverhaltens».
Trotz dieses teuren Vergleichs ist laut «Pro Publica» eine weitere Klage gegen «Teva» immer noch hängig.
Sozialversicherung wurde hellhörig
Der Psychiater Michael Reinstein war Medicare, einem Gesundheitsprogramm für Einkommensschwache und Ältere, aufgefallen: Im Jahr 2007 verschrieb er den Medicare-Patienten mehr Clozapine-Tabletten als alle vergleichbaren Ärzte in Texas, Florida und North Carolina zusammen. Clozapin ist ein äusserst starker Wirkstoff gegen Schizophrenie mit schweren Nebenwirkungen, das nur zum Einsatz kommen darf, wenn alle anderen Medikamente einem Patienten nicht helfen oder für ihn unverträglich sind.
Im letzten Frühjahr hat das Internet-Portal «Pro Publica» aufgedeckt, dass der Psychiater in den folgenden Jahren nicht weniger, sondern sogar noch mehr Clozapine verschrieb. Es kam zur Anklage nicht gegen den Psychiater, sondern gegen die Clozapine-Herstellerin Teva.

Auf der Firmenwebsite von «Teva Pharmaceuticals», auf der der Pharmakonzern an vorderster Stelle seinen «Code of Conduct» (Verhaltenskodex) mit «hohen ethischen Standards» ins Feld führt, ist über den Clozapine-Fall Teva/Reinstein nichts zu lesen.

In der Schweiz vertreiben Novartis und Sandoz Clozapin unter den Namen «Leponex» und «Clopin eco».


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Eine Meinung zu

  • am 23.03.2014 um 12:44 Uhr
    Permalink

    "Sozialversicherung wurde hellhörig…» da war offesichtlich ein Mensch, der nicht weggeschaut hat und seine Verantwortung wahrgenommen hatte. Ein Beispiel für alle, bravo!
    John Virapen, ehemaliger Lilly-Stratege besann sich eines bessern…
    Pharmakartell – wie wir betrogen werden (ZDF)
    http://www.youtube.com/watch?v=ED6lZ1ARotQ

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