«Nur dumme Kassen machen noch Jagd auf Junge»
Der Risikoausgleich macht die «Jagd» auf Junge und Gesunde zum Verlustgeschäft – und das schon lange.
Von ihren jüngeren Mitgliedern kassieren die Krankenkassen tiefere Prämien, müssen jedoch für diese Jungen grosse Summen für den Risikoausgleich unter den Kassen ausgeben und dazu allenfalls noch Leistungen zahlen. Diese Kombination hat zur Folge, dass die «Jagd nach guten Risiken» nicht mehr das ist und auch schon lange nicht mehr das war, was man häufig behauptet hatte, nämlich eine rentable Jagd.
Im Gegenteil: Billigkassen, die sich auf junge gesunde Mitglieder spezialisieren, verlieren heute wegen des verschärften Risikoausgleichs unter den Kassen ihre Daseinsberechtigung.
Nachdem Infosperber bereits am 14. August darüber berichtet hatte (siehe «Jagd auf ältere Frauen, die im Spital waren») informierte auch die Tagesschau SRF am Sonntag 12.10.2014 kurz darüber.
Es wird für die Kassen finanziell zunehmend interessanter, ältere Mitglieder zu bewerben, sogar solche, die einen Spitalaufenthalt hinter sich haben
Krankenkassenexperte Josef Hunkeler, der jahrelang für den Preisüberwacher gearbeitet hatte, hat die Zahlen vom Bundesamt für Gesundheit nochmals detailliert ausgewertet und in einer Grafik zusammengefasst.
Je älter desto rentabler für die Kassen:
Zahlen BAG / Auswertung und Grafik Josef Hunkeler
Die vollen, farbigen Säulen zeigen die durchschnittliche Rentabilität der «Kranken» (rot=Frauen; blau=Männer); die leeren Säulen die Rentabilität der «Gesunden».
Aus der Grafik geht hervor: Männer im Alter von unter 40 Jahren, kranke Männer sogar bis zum Alter von 55, fahren für die Kassen Verluste ein. Jüngere Frauen können zwar schon ab 26 bescheidene Gewinne abwerfen, aber nur wenn sie gesund sind. Bei diesen Rentabilitäts- beziehungsweise Verlustzahlen sind die Kosten der Krankenkassen für Verwaltung und Marketing nicht mit gerechnet.
Leute im Alter ab 55 Jahren waren im 2013 im Durchschnitt durchwegs «gute Risiken» und warfen entsprechende Gewinne ab, gesunde etwas mehr als kranke.
Selbst ältere Frauen, die für einen Eingriff im Spital waren, sind für die Kassen im Durchschnitt profitabel. Denn für diese Älteren erhalten die Kassen happige Ausgleichszahlungen aus dem Risikofonds. Bald tritt ein noch höherer Risikoausgleich von Gesunden zu Kranken und Älteren in Kraft, der zusätzlich den Verbrauch von Medikamenten berücksichtigt. Die Älteren werden damit noch interessanter.
Junge waren noch selten rentabel
Entgegen verbreiteter Behauptungen waren «junge Leute zwischen 19 und 25 Jahren wegen des undifferenzierten Risikoausgleiches im Schweizer Durchschnitt noch nie rentabel», erläutert Hunkeler». Häufig zahlten manche Kassen sogar mehr Geld in diesen Ausgleichsfonds ein
als sie von den Jungen Prämien einnahmen: Ein Verlust also, ohne dass diese Jungen auch nur einen Franken an Leistungen bezogen.
Erst die massiven Prämienerhöhungen der Jahre 2011 und 2012 haben die Bilanz der Jungen verbessert. Doch unterdessen ist ein verschärfter Risikoausgleich in Kraft getreten, so dass diese Jungen bereits wieder Verluste einfahren. Eine weitere Verschärfung des Risikoausgleichs ist beschlossen. Er wird junge Gesunde zu einem noch grösseren Verlustgeschäft machen.
Verluste mit «jungen Versicherten» im Alter 19-25 in den Jahren 1996 bis 2013:
«Nur dumme Kassen machen noch Jagd auf Junge», folgert Hunkeler. Falls Krankenkassen es trotzdem tun, gebe es nur zwei Gründe: Entweder könnten einzelne Kassen nicht rechnen, oder sie hegten die vage Hoffnung, dass diese Jungen ein Leben lang ihre Mitglieder bleiben. Dieser Lockvogel-Politik könnte das Bundesamt für Gesundheit leicht einen Riegel schieben, indem es für diese Altersklasse kostendeckende Prämien vorschreibt.
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Keine
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13 Meinungen
Gemäss BAG verursachten 2011 50% der Versicherten (die Gesunden) 0.6% der Kosten.
Die Ergebnisse von Herrn Hunkeler können nur stimmen, wenn unter den «Jungen» nahezu gleich häufig teure Kranke sind, wie unter den «Alten» oder wenn die Kassen den «Jungen» massive Prämienrabatte gewährten.
Herr A.von Wyl kommt in SGGP Bd 125 zum Schluss, die «Jungen» leisteten eine Quersubventionen an die «Alten». «Dynamisch interpretiert» hätten sie davon einen Vorteil, vorausgesetzt, in 30 Jahren zahlen die dannzumal Jungen noch mehr an die dannzumal Alten. Mir scheint die «dynamisch interpretierte Solidarität» ein Euphemismus für ein Schneeballsystem der Generationen, und die Berechnungen von Herrn Hunkeler bringen mich nicht von dieser Meinung ab.
Wir sollten uns um mehr Effizienz bemühen, nicht um Schönreden.
Dr. med. D. Bracher, Gümligen
es stimmt zwar, dass junge, v.a. junge Männer im Durchschnitt bis zum Fünf-fachen (in einzelnen Kantonen noch etliches mehr) an Prämien bezahlen, als was sie an Leistungen beziehen. In dieser Optik liegt eine Quersubvention an andere Versicherte.
Bloss das Geld beibt nicht bei der Kasse. Diese muss Risikoausgleichstransfers in den «gemeinsamen Topf» einbezahlen, welche nicht selten höher ausfallen, als das was sie an Prämien eingenommen haben.
Auch im Herbst 2014 gibt es für diese Altersklasse noch viele Prämienangebote, sogar von «seriösen» Kassen, welche unter dem wahrscheinlichen Risikoausgleich liegen. Diese Kassen verlieren Geld, bevor sie die erste Prämienrechnung geschrieben haben.
Dies betrifft v.a. junge Männer mit hohen Franchisen, aber auch Leute in Randregionen (z.B. BE, ZH) und v.a. auch «alternative Versicherungsmodelle».
Der Risikoausgleicht macht hier den Unterschied. Alte, nicht allzukranke Frauen sind ein gutes Geschäft für die Kasse, da die Quersubventionen über den Risikoausgleich einiges höher ausfallen als die von den Kassen zu bezahlenden Mehrleistungen.
Seit 2011 werden im Durchschnitt sogar Leute mit Wahlfranchisen subventioniert, während Leute mit «Alternativen Modellen» zwar wenig Prämien bezahlen, für die Kassen aber wegen dem Risikoausgleich stark an Attraktivität verloren haben.
Zum Glück für die Kassen sind die «jungen gesungen Männer» nicht allzu zahlreich. So genügen die Überschüsse der anderen Altersgruppen.
Sie haben recht: Sobald beim Einzahlen in den Risiko-Ausgleichsfonds auch noch die Medikamentenkosten des Vorjahres berücksichtigt werden, müssen die Kassen wohl Jagd auf die Alters- und Pflegeheime machen. Das gibt weniger gute Schlagzeilen als die «Jagd auf die jungen Gesunden».
Ich wünsche mir seit Jahren, dass das BAG diese Daten benutzerfreundlich aufbereitet auf seiner Internet Seite publiziert. Irgendwo gibt es da aber offensichtlich institutionelle Limiten.
Das einzige, was nicht ganz publik ist und auf Hochrechnungen beruht sind die absoluten Werte der Prämien nach Altersgruppe und Kanton. Diese Werte sind aber relativ robust und statistisch vertretbar aufbereitete «best guess» Daten.
Ich bin schon seit einigen Jahren «im Geschäft», habe aber als Pensionierter den Vorteil als nicht kommerziell interessierter «Gentleman-farmer» meine Ideen in akademischer Weise und ohne Interferenz eines Vorgesetzten oder andersweitig involvierten Stakeholders zu entwickeln. Meine Papiere sind als kostenfreie Diskussionsbeiträge gedacht -- Ich bin irgendwie eben immer noch meiner akademischen Vergangenheit verpflichtet.
Meine Papier stehen interessierten natürlich auch im Sinne einer offenen sachorientierten Diskussion zur Verfügung. Ich muss aber zugestehen, dass Urs Gasche schon recht hat, wenn er meine Papiere als nicht besonders leserfreundlich einstuft. Ich schreibe sie aber auch v.a. für mein eigenes Verständnis der Problematik. Kollateralnutzen ist freie Zugabe.
Zu Herrn Gasche: Sie machen ein Durcheinander: Dass die Kassen Ausgleichszahlungen für junge Männer leisten müssen, ändert nichts daran, dass die Jungen die Alten subventionieren, wie Herr Hunkeler ja auch bestätigt..
Dr.med. D. Bracher
Es ist für die meisten Leute klar, dass Prämien, welche die Risikoausgleichstransfers nicht zu finanzieren vermögen, für die Kassen ein Verlustgeschäft sind - und dies bevor die erste kassenrelevante Transaktion gemacht wird. Dies ist so, selbst wenn die Prämie ein Mehrfaches der direkt verursachten Kosten ausmacht.
Wenn eine ganze Altersgruppe weniger Prämien bezahlt als die Risikoausgleichszahlungen für die Kassen ausmachen, ist das Resultat natürlich dasselbe. Die KV-Buchhaltung zeigt, dass die Gesamtrechnung für junge Leute aus der Sicht der Kassen nicht aufgeht und dies unabhängig vom Gesundheitszustand dieser Leute. Das ist im Wesentlichen die Aussage, welche Urs Gasche hier gemacht hat.
Wie ich anderweitig geschrieben habe ist die Idee, Prämienrabatte an junge Leute oder an Leute in den Randregionen (Region 3) oder an Leute mit «alternativen Versicherungsmodellen» zu gewähren mit den obligatorischen - undifferenzierten - RA-Transfers zu vergleichen, um die Rentabilität aus der Sicht der Kassen zu evaluieren.
Die Geschichte zeigt aber klar, dass der bisherige Risikoausgleich überschiesst.
Prämien sind nur ein Teil der Geschichte.
Das hat sich doch damals eine Winterthurer Kasse zunutzen gemacht. Wie hiess die schon wieder?
Mir fehlen im Artikel die aktuellen Ausgleichszahlungen. Sie waren, glaube ich, schon vor Jahren bei sagenhaften 150 Fr. pro Kopf und Monat!
Für die Kassen haben die Verstorbenen den Vorteil, dass sie nichts mehr kosten. Aber sie bezahlen wohl auch keine Prämien mehr...
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