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Fünf Antibiotika fanden die Tester in der Themse, die als einer der saubersten Flüsse Europas gilt. © CC

Die Flüsse der Welt sind voll mit Antibiotika

D. Gschweng /  Vom Tigris bis zur Themse: Eine Studie findet gefährliche Antibiotika-Konzentrationen in vielen Flüssen weltweit.

Eine Forschungsarbeit der Universität York, die im Mai in Helsinki präsentiert wurde, zeigt, dass einige der bekanntesten Flüsse der Welt gefährliche Mengen Antibiotika enthalten. Die am meisten verschmutzten Flüsse befinden sich in Asien und Afrika. Aber auch in Europa sind mehr Antibiotika in den Flüssen, als die Wissenschaftler für ungefährlich halten.

Die Forscher testeten dabei Flüsse in 72 Ländern auf 14 gebräuchliche Antibiotika, von Mekong bis zur Seine. Sie verglichen die gefundene Menge mit Grenzwerten der «AMR Industry Alliance». Die Gruppe von Fachpersonen und Unternehmen aus Biotechnologie, Pharmazie und Diagnostik beschäftigt sich mit der Erfassung und Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen.

Mehr als drei Fünftel aller Flusswasserproben enthielten Antibiotika

In 65 Prozent der Proben wurde das Labor der Universität fündig. Die grössten Antibiotikamengen fanden die Forscher in Flusswasserproben aus Bangladesch, Kenia, Ghana, Pakistan und Nigeria. In Bangladesch wurde der Grenzwert an Metronidazol, einem Antibiotikum, das unter anderem gegen Harnwegsinfekt eingesetzt wird, um das 300-fache überschritten. In einigen Flüssen in Kenia fanden sich so viele Medikamente, dass Fische darin nicht überleben können.


Die Menge an Antibiotika in Flüssen ist besorgniserregend. Lesebeispiel: In Afrika überschritten 35 Prozent der Proben die Grenzwerte (Daten: Boxall, Wilkinson, Grafik: The Guardian)

Europas Flüsse sind dagegen vergleichsweise sauber, aber auch hier werden Grenzwerte mehrfach überschritten. In der Themse, die eigentlich als einer des saubersten Flüsse Europas gilt, fanden die Forscher fünf verschiedene Antibiotika. An mehreren Stellen in dem britischen Fluss und seinen Zuflüssen fanden sie Ciprofloxacin-Konzentrationen, die beim dreifachen des Grenzwerts lagen. Dieses Antibiotikum sorgte auch im gesamten Monitoring für die meisten Grenzwertüberschreitungen. In Proben aus der Donau in Österreich fanden sich sieben Antibiotika. Darunter Clarithromycin, dessen Konzentration die Grenzwerte um das Vierfache überstieg.

«Besorgniserregende Ergebnisse» sollen helfen, die Ausbreitung von Resistenzen zu bekämpfen

Alistair Boxall, einer der Co-Leiter der Studie, bezeichnet die Ergebnisse gegenüber dem «Guardian» als «besorgniserregend». Dennoch habe die Studie den Vorteil, dass Wissenschaftler und Politiker den Einfluss von Umweltbakterien auf Resistenzbildungen dank des ersten globalen Monitorings nun besser einschätzen könnten.

Antibiotika-Resistenzen sind eines der drängendsten globalen Gesundheitsprobleme der Gegenwart. Eine der wichtigsten Ursachen dafür sind Antibiotika-Verschmutzungen. Die Medikamente gelangen über Lecks in Kläranlagen, Schlamperei bei der Herstellung sowie menschliche und tierische Abfälle in Böden und Wasser, wo sich resistente Stämme bilden. Für Menschen sind diese Umweltbakterien nur selten gefährlich. Sie siedeln sich zunächst im Körper an, beispielsweise im menschlichen Verdauungssystem, und können Resistenzgene an gefährlichere Arten weitergeben.

Viele Antibiotika fand die Studie vor allem dort, wo die Abwasserreinigung zu wünschen übrig lässt, die Müllentsorgung wenig reguliert ist oder politische Konflikte die Entsorgung erschweren, wie an der Grenze zwischen Palästina und Israel. Neben unzureichender Infrastruktur ist auch der übermässige Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und Landwirtschaft sowie die globale Mobilität von Menschen, Tieren und Gütern ein wesentlicher Treiber bei der Entstehung von Superbakterien.

Siehe auch :

Mehr lesen: Infosperber-Dossier «Wenn Antibiotika nicht mehr wirken»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Antibiotika

Wenn Antibiotika nicht mehr wirken

Eine tödliche Gefahr im Spital: Keime, die gegen Antibiotika resistent sind, verbreiten sich seit langem.

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2 Meinungen

  • am 2.07.2019 um 15:39 Uhr
    Permalink

    Ca. 95% der Antibiotika werden für die Nutztier-Mast eingesetzt und nicht bei bakteriellen Erkrankungen von Tier u. Mensch.
    Gerade geringe Konzentrationen von Antibiotika erlauben Bakterien resistent zu werden, eine Art Schutzimpfung für Bakterien.
    Antibiotika in den Milch-Strömen für Säugetiere haben auch ungünstige Nebenwirkungen.

    Neben den Resistenzen bestehen für Menschen auch noch krankmachende Nebenwirkungen durch Antibiotika, gerade bei -geringen- Konzentrationen. Dass da Zellen zusätzliche Rezeptoren generieren, wenn der Stoff als «günstig» erkannt wird, wurde erst kürzlich enttdeckt.
    Eine bessere Futterverwertung war im grössten Teil der menschlichen Evolution günstig.
    Es ist logisch, dass das was bei Tieren funktioniert beim biologischen Tier Mensch auch finktioniert.
    Das führt hat bei einem eh schon zu üppigen, enrgiereichen Nahrungsangebot, z.B. Zucker, auch bei Menschen zu einer Art Übermästung. Dass z.B. die Leber deshalb mehr ungünstige Blutfette produziert, ist nicht ausgeschlossen.
    Die -Kombinations-Wirkungen- von künstlichen Stoffen werden kaum erforscht, im Gegenteil möglichst nur die Wirkung des fraglichen Stoffes.
    Für die Pharma-Konzerne ist das alles sehr erfreulich und ihre geneigten Wissenschaftler werden weitere Nebenwirkungen leugnen. Gesunde Menschen aber auch tote Menschen sind für Pharma-Konzerne geschäfts- u. gewinnschädigend.

  • billo
    am 2.07.2019 um 20:03 Uhr
    Permalink

    Und diese Chemiefracht fliesst dann in die Meere, und längst nicht nur aus der Themse. Praktisch jeder Fluss trägt heute zur Belastung der Meere bei, dank allem, was Landwirtschaft, Industrie und Privathaushalte gedankenlos oder gar wissend ins nächste Gewässer abfliessen lassen.
    Dass viele Fischbestände heute sehr schlecht beisammen sind, hat auch mit dieser permanenten Verschmutzung zu tun, und nicht nur mit der Überfischung. Dabei wären gesunde Fischbestände nicht zuletzt ein wichtiger Faktor zum Erhalt der herausragenden, ausgleichenden Klimafunktion der Ozeanen.
    Und nein, es geht nicht nur ums Einsammeln von Plastikmüll. Es geht darum, unsere Lebensweise insgesamt kritisch anzuschauen und zu verändern.

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