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Synes Ernst: Spiel-Experte © cc

Der Spieler: Duden-Logo und Kegelschnecke

Synes Ernst. Der Spieler /  Die Gattung der Quizspiele wird immer wieder um innovative Titel bereichert. Aktuell gerade mit «Color Brain» und «Smart 10»

Es ist wie die Frage nach dem Huhn oder dem Ei. Was war zuerst da, die Partys oder die Partyspiele? Wo Menschen zusammenkommen, greifen sie schnell mal zu Spielen, die Unterhaltung versprechen. So sucht man Antworten auf die kniffligsten Fragen, erfindet neue Wörter oder produziert sich mimisch um die Wette, malt und zeichnet, was die Farbstifte hergeben. Und siehe da, dieses seltsame Tun macht tatsächlich Spass und sorgt für Stimmung – genau das, wofür man an Partys geht. Überspitzt: Es sind die Partyspiele, welche die Partys machen.

Das wissen die Anbieter von Spielen schon längst: Jahr für Jahr versuchen sie, die anhaltende Nachfrage nach sogenannten Partyspielen mit neuen Titeln zu befriedigen. Wobei «neu» nicht unbedingt «neuartig» bedeutet, weil 300 neue noch so witzige Fragen noch keine Innovation darstellen. Quizspiel bleibt Quizspiel.

Löbliche Ausnahmen

Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen deutlich sichtbar wird, dass es den betreffenden Verlagen und Redaktionen um mehr geht, als nur als Mitläufer von der Beliebtheit der Gattung zu profitieren. Ein solches Highlight ist etwa «Pictures», das vor kurzem mit dem Titel «Spiel des Jahres» die weltweit bedeutendste Auszeichnung für Brett- und Gesellschaftsspiele gewonnen hat. Neben diesem Spiel war die Fachjury von einem zweiten Titel dieser Art so angetan, dass sie diesen auf ihre Empfehlungsliste setzte: «Color Brain».

«Das Party-Quiz für Farb(be)kenner», so wird «Color Brain» im Untertitel beschrieben. Will heissen: Hier geht es um Fragen und Antworten zu Farben. Das ist ungewöhnlich und neu im Bereich der Quiz-Spiele. Denn nicht irgendwelches Wissen in irgendwelchen Spezialgebieten wird abgefragt. Vielmehr fordert ein genial-einfacher Kniff die Mitspielenden auf ungewohnte Weise heraus: Die gestellten Fragen lassen sich mit Hilfe von Farbkarten beantworten. Wieviele man jeweils zur Beantwortung benötigt, ist auf den Fragekarten angegeben. Gespielt wird idealerweise in Teams. So kann man auch untereinander absprechen, welche drei Farben im Duden-Logo vorhanden sind, wie sich Elvis Presley die Haare gefärbt hat oder welches die Farbe der Zunge einer Giraffe ist. Für Spannung in diesem anregenden Ratewettbewerb sorgt zudem die Bestimmung, wonach man zusätzliche Punkte bekommt, wenn das gegnerische Team daneben tippt.

Die mittlere Farbe des Regenbogens

Als Spielerin oder Spieler ist man bei «Color Brain» immer wieder verblüfft. Und mit Staunen wird man sich bewusst, wie man Mühe hat, die Farben von Alltagsgegenständen in Erinnerung zu rufen. Da haben Sie doch schon einen Regenbogen betrachtet. Können Sie nun sagen, welches die mittlere Farbe ist? Oder die Farben des Logos von Google? Fast täglich auf dem Bildschirm, aber jetzt … Dann doch lieber die drei Farben der Autobahnschilder in der Schweiz, Deutschland und Österreich (mit Schrift)? Menschen mit fotografischem Gedächtnis sind bei «Color Brain» im Vorteil, ebenfalls jene mit einem guten Erinnerungsvermögen. Spass haben jedoch alle, zumal die Fragen so breit gefächert sind, dass sich niemand ausgeschlossen fühlen muss.

Nicht auf die Empfehlungsliste der Jury «Spiel des Jahres» geschafft hat es «Smart 10», ein anderes, ebenfalls ungewöhnliches Quiz-Spiel. Die Fragen bieten ein buntes Sammelsurium aus den verschiedensten Bereichen. Gefragt wird Unterschiedliches: Einmal geht es um Wahr/Falsch, dann um Zahlen oder Daten, um die chronologische Einordnung von Ereignissen, um Reihenfolgen oder Ranglisten oder schliesslich auch um Namen oder Farben. Dieses breite Spektrum ist zwar interessant, ist aber noch nicht das Besondere an «Smart 10». Was es von anderen Quiz-Spielen abhebt, sind zwei Elemente: Die technische Umsetzung der Spielidee zum einen und der Fragemechanismus zum andern.

Das Gift der Kegelschnecke

«Smart 10» fällt durch seine Kompaktheit auf. Die Fragekarten sind in eine orangefarbige Box gepackt. Ein rundes Loch ermöglicht den Blick auf die oberste Karte und auf die Frage, die es in der jeweiligen Runde zu beantworten gilt. Rings um die Frage sind zehn Antwortmöglichkeiten angeordnet. Ein Beispiel: Auf die Frage «Ist giftig» stehen die folgenden Antworten zur Verfügung: Rotfeuerfisch, Pfeilgiftfrosch, Kegelrobbe, Kegelschnecke, Korallennatter, Würfelqualle, Teufelsameise, Trichternetzspinne, Walzenspinne und Sandtigerhai. Nicht ganz einfach … Wer an der Reihe ist, entfernt den schwarzen Marker, der zur möglichen Antwort gehört (zum Beispiel Kegelschnecke) und sieht nun sofort, ob die Antwort richtig oder falsch war (hier: richtig). Dann wird die Box an den nächsten Spieler oder die nächste Spielerin weitergereicht , die nun ihr Wissen demonstrieren kann. Wer meint, er kenne keine Antwort mehr, kann passen. Wenn alle ausgestiegen sind, ist die Runde zu Ende.

Raffiniert an «Smart 10» ist, dass man sich die Punkte, die man für richtige Antworten bekommt, erst gutschreiben kann, wenn man zum richtigen Zeitpunkt gepasst hat. Eine falsche Antwort, und schon ist alles in dieser Runde Erreichte verloren. Dieser Mechanismus geht zurück auf eine Idee, die Sid Sackson 1981 für sein heute noch beliebtes «Can’t stop!» entwickelt hat. Ihr Witz besteht darin, dass ich als Spieler selber den Moment bestimme, wann ich meinen Zug beende. Höre ich auf und sichere damit meine Punkte oder mache ich weiter mit dem Risiko, dass ich alles verliere, was ich bis zu diesem Zeitpunkt erreicht habe? Eine spannende Frage, die je nach Temperament und Charakter der Mitspielenden unterschiedlich beantwortet wird. Jedenfalls bringt dieses Element sehr viel Emotion und Stimmung in jedes Spiel, egal, ob es sich um ein Würfel- («Can’t stop!») oder eben um ein Quiz-Spiel («Smart 10») handelt.

Mangelnde Eleganz im Finish

Die Kombination von kompaktem Spielgerät auf der einen und witzigem Fragemechanismus auf der anderen Seite gefällt mir grundsätzlich gut. Allerdings ist das Handling der Smartbox recht fummelig, weshalb die Abläufe nicht so rund sind, wie sie sein sollten. Wenn Teile beim Wegnehmen oder Schliessen immer wieder klemmen, sorgt das eher für Ärger als für Spass.

Auch wenn «Smart 10» im Finish die Eleganz fehlt, mit den vorhandenen Mängeln kann man leben. Für mich ist es wie «Color Brain» ein Beweis dafür, dass die Gattung der Quiz- und Partyspiele doch noch nicht so ausgeschöpft ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Das ist eine gute Botschaft vor allem für jene, die auf weniger komplexe Spiele warten, die in jeder Runde gute Unterhaltung bieten.

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Color Brain: Quiz- und Partyspiel von Tristan Williams für 2 bis 12 Spielerinnen und Spieler ab 12 Jahren. Game Factory, Fr. 27.90

Smart 10: Quiz-Spiel von Arno Steinwender und Christoph Reiser für 2 bis 8 Spielerinnen und Spieler ab 10 Jahren. Verlag Piatnik (beide Spiele im Vertrieb bei Carletto AG, Wädenswil), Fr. 39.90

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Spielekritiker Synes Ernst war lange Zeit in der Jury «Spiel des Jahres», heute noch beratendes Mitglied, in dieser Funktion nicht mehr aktiv an der Juryarbeit beteiligt.

Zum Infosperber-Dossier:

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Der Spieler: Alle Beiträge

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