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Daniel Goldstein © Grietje Mesman

Sprachlupe: Nur noch bildeln, statt zu schreiben?

Daniel Goldstein /  Emojis statt Wörter – eine Chance für internationales oder eine Gefahr für gepflegtes Schreiben? Fachleute meinen: Weder, noch.

Schreiben Sie nur, oder bildeln Sie schon? Sie tun vielleicht Letzteres und kennen bloss das Wort nicht. Soviel ich weiss, wird es hier zum ersten Mal dafür verwendet, statt mit Buchstaben mit Smiley-Gesichtern oder andern Bildern zu schreiben, die für Botschaften in Internetdiensten verfügbar sind, mit Emojis also. Diese Schreibweise ist schon so verbreitet, dass es höchste Zeit ist, sie bildhaft zu beschreiben – mit dem Wort «bildeln» eben.

Soweit es die Brüder Grimm und andere Wörterbuchmacher kennen, steht es an einer einzigen Stelle: «Ich kanns nicht lassen, ich muss immer bildeln», schrieb Goethe 1780 dem Zürcher Pfarrer und Physiognomiker Lavater. Er meinte damit seine «Künsteley» als Maler. Da sich «bildeln» in dieser Bedeutung nicht gehalten hat, wird der Meister wohl nichts dagegen haben, dass wir es nun fürs Piktografieren verwenden. Ob er sich für diese Bilderschrift erwärmen könnte, darf bezweifelt werden. Für Lavater, der sich mit der Deutung von Gesichtsformen beschäftigte, läge sie näher, wäre ihm aber wohl zu primitiv.

Die neue Weltsprache?

Bei den Smileys mit ihren verschiedenen Gesichtsausdrücken geht es meistens darum, das Geschriebene mit der entsprechenden Mimik zu begleiten, damit es nicht etwa ernstgenommen wird, wenn es lustig gemeint war. Würde man das mit sprachlichen Mitteln ausdrücken, begriffe es der Empfänger vielleicht nicht – erst recht nicht, wenn er in solchen Fällen eben ein Smiley erwartet. Ohnehin will oder muss man sich in SMS-Botschaften und Ähnlichem möglichst knapp ausdrücken. Dazu dienen auch allerlei Abkürzungen, meist aus dem Englischen stammend und damit international verwendbar.

Könnte man auch ganz auf Text verzichten, alles mit Emojis schreiben, und es würde unabhängig davon verstanden, in welcher Sprache es ausgedacht wurde? Diese Frage – und weitere zur Netzsprache – behandelt die Zürcher Linguistin Christa Dürscheid zusammen mit Kolleginnen im Buch «Schreiben digital» (Kröner-Verlag) und in Fachaufsätzen (so «Jenseits des Alphabets» auf Academia.edu). Ihr Schluss nach der «Lektüre» verschiedener Versuche, allein mit Bildchen zu schreiben: «Emojis können nicht zu einer Universalsprache werden, sie können nur zusammen mit Text auftreten.» Auch andere, in letzter Zeit häufig in der Presse zitierte Fachleute sehen das so – vor allem auch, weil dasselbe Bild in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedlich gedeutet wird.

Eine Schreibe ist keine Rede

Das saloppe Schreiben mit eingestreuten Abkürzungen oder Bildchen und ohne grosse Rücksicht auf Grammatik oder Rechtschreibung wird wissenschaftlich dem «Register der Nähe» zugeordnet. Dagegen zeigt formelles Schreiben Distanz an, wie sie etwa im amtlichen oder im geschäftlichen Verkehr üblich ist. Oft tritt das lockere digitale Schreiben an die Stelle des Gesprächs, nur ist es in manchen Foren halb oder ganz öffentlich einsehbar (und damit auch studierbar). Ist es eine Gefahr für die Schreibkultur, verstanden als gepflegtes Schreiben, das ja durchaus noch als Bildungsziel gilt?

Zwei Studentinnen Dürscheids gehen im aktuellen «Sprachspiegel» Befürchtungen nach, die etwa in der Presse auftauchen, mit Titeln wie «Zerstören Emojis die Sprache?». Verschiedene von ihnen ausgewertete Studien lassen den Schluss zu, dass die meisten Schreibenden schon noch wissen, wo sie plauderschriftliche Nähe pflegen dürfen und wo sie Register von grösserer Distanz ziehen müssen. Wenn nötig, mit Nachhilfe: Auf der Website eines deutschen Dozenten steht, «dass E-Mails, bei denen die Form nicht gewahrt ist, nicht beantwortet werden». Er hätte es auch so sagen können wie 1872 einer seiner Vorgänger: «Eine Rede ist ein für allemal keine Schreibe!» So ermahnte Friedrich Theodor Vischer jene Würdenträger, die einen papierenen Redestil pflegten. Die Mahnung ist zwar durchaus noch nötig, aber zunehmend eben auch im umgekehrten Sinn: nicht einfach so daherzuschreiben, wie man schwatzt, jedenfalls nicht in allen Lebenslagen.


Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors

Keine.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor ist Redaktor der Zeitschrift «Sprachspiegel» und schreibt für die Zeitung «Der Bund» die Kolumne «Sprachlupe», die auch auf Infosperber zu lesen ist. Er betreibt die Website Sprachlust.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Portrait_Daniel_Goldstein_2016

Sprachlupe: Alle Beiträge

Daniel Goldstein zeigt, wie Worte provozieren, irreführen, verharmlosen – oder unbedacht verwendet werden.

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