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Kinder lieben Süsses – aber müssen sie damit auch ständig beworben werden? «Nein», sagt Grossbritannien. © Depositphotos

Grossbritannien: Süssigkeitenwerbung nur noch nachts

Daniela Gschweng /  Im Vereinigten Königreich ist die Werbung für Fast Food und Süsses seit dem 1. Oktober eingeschränkt. Warum nur dort?

Offiziell tritt das Werbeverbot erst am 5. Januar 2026 in Kraft. Die britische Werbeindustrie hat jedoch bereits reagiert: Seit Anfang Oktober wird Werbung für ungesunde Lebensmittel im Fernsehen nur noch zwischen 21 und 5.30 Uhr ausgestrahlt – im Internet soll es gar keine mehr geben.

Mit dieser Fast-Food-Sperrstunde will die britische Regierung die zunehmende Fettleibigkeit in der Bevölkerung eindämmen. Laut dem Gesundheitsministerium in London könnten mit dem seit Jahren geplanten und mehrfach verschobenen Gesetz 7,2 Milliarden Kalorien vom Speiseplan britischer Kinder gestrichen werden. So sollen jährlich 20’000 Fälle von kindlicher Fettleibigkeit verhindert werden.

Auch süsser Joghurt, Müesli und Tortellini

Bewertet werden Lebensmittel nach einem neu eingeführten Klassifizierungssystem. Betroffen ist nicht nur Werbung für offensichtlich ungesunde Produkte wie Snacks, Muffins, Kekse oder Pommes frites, sondern auch für Joghurt, Müesli, Porridge oder Tortellini, wenn diese zu stark gesüsst, zu stark gesalzen oder zu fett sind. Auch Rabattaktionen wie «Buy one, get one free» (zwei Artikel zum Preis von einem) sind künftig untersagt. Die Beschränkungen gelten für Supermärkte, grössere Geschäfte und Onlinehändler. Wer ab Januar gegen das Gesetz verstösst, muss mit Bussgeldern der Werbekontrollbehörde rechnen.

Die britische Regierung verspricht sich von den neuen Regeln nicht nur gesündere Kinder, sondern auch Einsparungen im Gesundheitswesen. Wer sich früh im Leben an übermässig Zucker, Fett und Salz gewöhnt oder übergewichtig ist, hat sehr wahrscheinlich auch im Erwachsenenalter mehr gesundheitliche Probleme.

WHO will strengere Regeln – und die Zuckersteuer wirkt

Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert seit Längerem strengere Regeln für ungesunde Ernährung – etwa durch Steuern, Werbebeschränkungen oder Verbote. Grossbritannien hat bereits 2018 eine Zuckersteuer eingeführt, die den Gesundheitszustand von Kindern nachweislich verbessert hat (Infosperber berichtete).

Trotzdem gilt: Jedes zehnte britische Kind im Alter von vier Jahren ist übergewichtig, jedes fünfte leidet schon mit fünf Jahren an Karies. Auch hierzulande geben die Zahlen Anlass zur Sorge: Nach einer Studie der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz ist etwa jedes sechste Kind übergewichtig – mit leicht sinkender Tendenz. In Deutschland ist es jedes vierte, in Europa laut WHO jedes dritte. Mehrere Länder weltweit haben inzwischen Werbebeschränkungen für Kinder eingeführt.

Kinderärzte sprechen sich für Zuckerabgabe aus

Kinderärzte aus der Schweiz, Österreich und Deutschland forderten im Juni eine Zuckerabgabe sowie strengere Werberegeln. Von Verboten will man aber weiterhin nichts wissen. «Die WHO will uns ungesundes Essen austreiben», titelte der «Blick» schon vor drei Jahren. Und die NZZ schrieb im vergangenen Jahr, der Schweiz «drohe bald ein Werbeverbot für Süssigkeiten».

Statt klarer Regeln setzt die Schweiz seit 2010 auf freiwillige Werbebeschränkungen der Lebensmittel- und Getränkeanbieter. Mit zweifelhaftem Erfolg. Ein Pilotprojekt im Auftrag des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit (BLV) zeigte 2023, dass schon sehr kleine Kinder Onlinewerbung für Süssigkeiten oder Fertigmahlzeiten auf ihren Handys sehen. Viele können Werbung noch nicht als solche erkennen, Warnhinweise verstehen sie nicht. Der Bund sieht zwar Handlungsbedarf, konkrete Massnahmen stehen aber aus.

Deutschland: Grosse Zustimmung aber kein Werbeverbot

Ähnlich in Deutschland: 2023 scheiterte dort ein Gesetzesvorhaben von Gesundheitsminister Cem Özdemir, das Kinder vor ungesunder Werbung schützen sollte, am Widerstand der FDP. Stattdessen präsentiert sich CSU-Politiker Markus Söder in den sozialen Medien fast rund um die Uhr beim Verzehr von Burgern, Pommes und Wurstsemmeln – was das Satiremedium «Der Postillon» am 2. Oktober dazu animierte, die Sperrung von Söders Instagram-Kanal in Grossbritannien zu melden:

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Der deutsche Politiker Markus Söder präsentiert sich in sozialen Medien immer wieder beim Verzehr von Fast Food – in Grossbritannien sei das nun verboten, stichelt das Satiremagazin «Der Postillon».

Sollte das wirklich geschehen, müsste sich der bayerische Ministerpräsident wohl eine andere Persona suchen. Womöglich eine, die sich mit politischen Inhalten auseinandersetzt.

Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung würde Werbeverbote für sogenanntes «Junkfood» für Kinder jedoch befürworten, zeigt eine Studie der Universitätsmedizin Mannheim. Eine weitergehende Zuckersteuer, für die sich noch immer mehr als die Hälfte der Deutschen ausspricht, könnte laut der TU München in Deutschland bis zu 240’000 Diabetesfälle sowie tausende Schlaganfälle verhindern und vier Milliarden Euro direkte Gesundheitskosten einsparen.

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