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«n. Red.»: Nicht einmal das Resultat von Luzern – Thun schaffte es in die «Sonntags-Zeitung». © Marco Diener

Tamedia will Richtigstellung – Infosperber bleibt dabei

Marco Diener /  Der Zürcher Verlag beklagt sich über die Kritik an der Sportberichterstattung. Dabei ist sie berechtigter denn je.

«Nichts ist so alt wie die Zeitung von heute.» Unter diesem Titel kritisierte Infosperber Ende Juli die Sportberichterstattung der Tamedia-Zeitungen. Sie veröffentlichen Artikel über Ereignisse, die Tage, Wochen oder Jahre und Jahrzehnte zurückliegen. Und gleichzeitig vernachlässigen sie die aktuelle Sportberichterstattung. Infosperber schrieb: «Schon länger haben sie sich ja mehr oder weniger von der aktuellen Sportberichterstattung verabschiedet. Was am Abend stattfindet, steht am nächsten Tag in der Regel nicht mehr in der Zeitung.»

Bei Tamedia hatte man offenbar keine Freude am Artikel. Der Verlag verlangte eine Richtigstellung. Unter anderem, weil Infosperber geschrieben hatte, die Zeitungen hätten sich «mehr oder weniger von der aktuellen Sportberichterstattung verabschiedet».

Infosperber wird keine Richtigstellung veröffentlichen. Denn die Kritik ist berechtigter denn je. Nehmen wir die «Sonntags-Zeitung» von heute. Gestern Abend schlug der FC Thun den FC Luzern auswärts mit 2:1. Damit hat der Aufsteiger zusammen mit dem FC St. Gallen überraschend die Tabellenspitze der Super-League übernommen. Und was schreibt die «Sonntags-Zeitung» über das Spiel? «n. Red.» Das heisst: «nach Redaktionsschluss». Dabei war das Spiel schon vor 22.30 Uhr zu Ende.

«Keine Berichterstattung zu YB-Abendspielen mehr»

Genau gleich war es unter der Woche. Das Spitzenspiel der Schweizer Fussball-Meisterschaft zwischen dem FC Basel und dem BSC Young Boys war ebenfalls vor 22.30 Uhr zu Ende. Basel gewann mit 4:1. Tags darauf stand in der «Basler Zeitung»: «Das vorgezogene FCB-Heimspiel der 4. Runde gegen YB ging gestern erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe zu Ende.» In der «Berner Zeitung»: «Wegen vorgezogener Druckzeiten enthält die Printausgabe dieser Zeitung keine Berichterstattung zu den YB-Abendspielen mehr.»

Mit anderen Worten: Die «Berner Zeitung» hat sich tatsächlich von der aktuellen Sportberichterstattung verabschiedet. Und trotzdem verlangt Tamedia eine Richtigstellung. Lesen denn die Tamedia-Leute ihre eigenen Zeitungen nicht mehr?

Süper-Lig statt Super-League

Doch zurück zur «Sonntags-Zeitung». Was gibt es denn im Sportteil überhaupt noch zu lesen? Ein viertelseitiger Bericht über das Spiel zwischen St. Gallen und Winterthur (5:0) ist tatsächlich zu finden. Das Spiel begann ja auch schon um 18.00 Uhr. Aber sonst? Da hat’s einen ganzseitigen Artikel über die Süper-Lig. Das ist die türkische Meisterschaft. Sie dürfte die «Sonntags-Zeitung»-Leser mässig interessieren.

Daneben gibt’s eine Seite über Hüttenwarte, die sich über ihre Gäste beklagen, und sogar zwei Seiten über Schweizer Flussbäder und deren Wasserqualität – im Sportteil!

Diese Woche ist kein Einzelfall. Bereits letzten September hatten Tamedia-Zeitungen angekündigt: «Wegen Veränderungen im Druckzentrum Anfang 2025, die zu früheren Abschlusszeiten führen, passen wir unsere Eishockey-Berichterstattung bereits ab dem Saisonstart an (…). Matchberichte (…) finden Sie nicht mehr in der Printausgabe dieser Zeitung.»

Und auch während der Fussball-Europameisterschaft der Frauen diesen Sommer gab es keine aktuellen Berichte über die abendlichen Spiele ohne Schweizer Beteiligung.

Auch in der Politik

Nun kann man natürlich einwenden, dass die Sportberichterstattung nicht so wichtig sei. Ist sie tatsächlich nicht. Aber sie zeigt sehr anschaulich, wie wenig aktuell viele Schweizer Tageszeitungen inzwischen sind. Und das bedeutet zum Beispiel, dass manches, was in den USA tagsüber passiert, am nächsten Tag in vielen Schweizer Zeitungen nicht zu finden ist.

So zum Beispiel Donald Trumps Zoll-Ankündigung im April. Um 16.07 Uhr Washingtoner Zeit trat er vor die Medien. Um 16.28 Uhr präsentierte er seine berühmte Liste. In der Schweiz war es da 22.28 Uhr. Trotzdem stand in den Zeitungen der Verlage Tamedia und Somedia kein Wort.


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Eine Meinung zu

  • am 10.08.2025 um 12:43 Uhr
    Permalink

    Die Kritik an der Sportberichterstattung ist mehr als berechtigt. Der Sportteil in der SoZ von heute ist eine Zumutung. Himmeltraurig.

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