Zürich Niederdorfstrasse-29

Diese Inschrift an der Niederdorfstrasse 29 wird mit übermaltem Japanpapier abgedeckt. © Stadt Zürich

Zürich lässt «Mohren» verschwinden – aber der Rassismus bleibt

Esther Diener-Morscher /  Die Stadt deckt zwei Inschriften mit dem Wort «Mohr» ab. Mit der Verhüllung dieser Zeugnisse löscht sie Geschichte.

In der Zürcher Altstadt gibt es mehrere Häuser mit dem Wort «Mohr» oder einem entsprechenden Bild. Fast vier Jahre lang kämpfte die Stadtzürcher Regierung dafür, dass sie wenigstens bei den beiden städtischen Gebäuden die Inschriften abdecken darf. Der Zürcher Heimatschutz wehrte sich gegen diese Pläne.

Nun darf die Stadtregierung die Schriften verschwinden lassen. Das Bundesgericht ist auf eine Klage des Zürcher Heimatschutzes nicht eingetreten, weil dieser nicht gesamtschweizerisch tätig und somit vor dem Bundesgericht nicht beschwerdeberechtigt ist.

Ist das nun ein Erfolg im Kampf gegen Rassismus? Die rot-grüne Stadtregierung bringt mit dem Abdecken nicht Rassismus zum Verschwinden. Sie tilgt damit bloss ein Zeugnis des früheren Rassismus aus dem Gedächtnis der Öffentlichkeit.

Aus den Augen, aus dem Sinn

Vernünftiger wäre es, wenn die Stadt die Inschriften stehen liesse und eine Tafel mit den Informationen zu deren Geschichte anbringen würde.

Zum Mohrenkopf Zürich Neumarkt 13
Diese Inschrift am Neumarkt 13 wird mit einer Sandsteintafel abgedeckt.

Doch der Stadtregierung ist es ernst damit, alle Hinweise auf frühere Verwendungen des Worts zu beseitigen – wenigstens auf Gebäuden, die der Stadt gehören. So will sie auch drei Informationsschilder der Denkmalpflege an der Predigergasse 15, am Neumarkt 22 und an der Schmidgasse 8 ersetzen. Denn sie enthalten ebenfalls das Wort «Mohr».

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Ausserdem will die Stadt die privaten Besitzer von zwei anderen Gebäuden, die in der Zürcher Altstadt «Zeichen mit rassistischer Wirkung tragen», dazu ermuntern, «mit dem städtischen Vorgehen gleichzuziehen». An der Schifflände 8 steht die Inschrift «Zum Mohrenkönig». Und auf dem Haus am Neumarkt 22 ist die Inschrift «Zum kleinen Mohren» mit einem entsprechenden Bild aufgemalt:

Zum kleinen Mohren Niederdorf Zürich 14.06.21
Dieses Bild prangt an einer Hauswand im Zürcher Niederdorf. Weil es kein städtisches Gebäude ist, sondern in Privatbesitz, muss dass Bild nicht abgedeckt werden.

Sind die Bilder und Schriften abgedeckt, wird es auch keine Diskussion über diese Vergangenheit mehr geben. Eine solche Diskussion wäre aber hilfreicher als das Verschwindenlassen.

«Historische Dimension respektieren»

Bereits 2021 beurteilte der Basler Historiker Georg Kreis im Auftrag der Stadt Zürich bei 38 Denkmälern, ob sie «heikel» seien. Bei keinem dieser Denkmäler empfahl der ehemalige Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, es abzudecken oder zu entfernen. Vielmehr riet er dazu, «die historische Dimension der Denkmäler zu respektieren und durch Kontextualisierung bewusst zu machen».

So könnten unberücksichtigte, «vielleicht sogar verdrängte Teile unserer Geschichte» der kollektiven Erinnerung hinzugefügt werden. Eine Entfernung sei «geschichtsvergessen», sagt er auch heute noch. «Ich bin für verhältnismässige Haltungen.» Die Allgemeinheit könne zwar schwer beurteilen, in welchem Mass sich Menschen durch die Inschriften verletzt fühlen. Man dürfe aber davon ausgehen, dass eine distanzierende Erläuterung eine akzeptable Entschärfung leiste, sagt er gegenüber Infosperber.

Zu einem anderen Schluss kam eine Studie, welche die Stadt bei der ETH in Auftrag gab. Sie sollte die Geschichte der Häuser mit den «Mohren»-Inschriften untersuchen und herausfinden, ob der Begriff «rassistisch konnotiert» war. Die Studie war 2023 fertig und hatte eine eindeutige Stossrichtung: Das Wort muss gelöscht werden.

Die Autoren versuchten, bereits in ihrem Bericht das Wort «Mohr» zu vermeiden, indem sie von «M*****» schrieben. Sie scheiterten, weil sie das Wort in zahlreichen Zitaten trotzdem verwenden mussten.

Trotzdem kamen sie nicht zur Einsicht: Das, worüber man schreiben und reden will, muss man auch schreiben und benennen.

Nachtrag

Bernhard C. Schär, einer der Autoren der erwähnten ETH-Studie, nimmt wie folgt Stellung:

Unsere Studie hat keine Stossrichtung. Unsere Ergebnisse stellen wir transparent dar. Wir fanden in Zürich keine nachweislich positiven Verwendungsweisen des Begriffs. Andernfalls hätten wir das dokumentiert, wie es unser Auftrag war.

Wir sind bei der Vermeidung des Begriffs nicht «gescheitert». Wir erklären explizit, weshalb wir den Begriff in einigen Quellenzitaten ausschreiben.

    Das Wandbild musste weg aus dem Schulhaus

    In Bern zeigte ein Wandbild im Wylergut-Schulhaus das Alphabet. Neben 16 Tieren wie Dachs, Fisch und Gans waren drei Buchstaben mit Menschen illustriert. C stand für Chinese, I für Indianer, N für Neger. Die Denkmalpflege stufte das Bild als erhaltenswert ein. Vandalen übermalten 2020 die Felder C, I und N.

    Bei einem Wettbewerb mit der Bedingung, dass das Wandbild erhalten bleibe, gewann das Projekt mit dem brachialen Titel «Das Wandbild muss weg». Es wurde entfernt, dann während einer einjährigen Ausstellung gezeigt, und nun befindet es sich im Depot des Historischen Museums, wo es fernab der Öffentlichkeit in Vergessenheit gerät.

    Bern Architektur Wandbild 2 Youtube
    Das Wandbild im Originalzustand.

    Weiterführende Informationen


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    15 Meinungen

    • am 25.07.2025 um 11:59 Uhr
      Permalink

      «Dieses Bild prangert an einer Hauswand im Zürcher Niederdorf.»
      Interessant, dieser Freud’sche Verschreiber! Der Verfasser meinte sicher, dass das Bild «prangt». (siehe Duden)

    • am 25.07.2025 um 12:41 Uhr
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      Das viele Geld würde gescheiter in Geschichtsaufklärung investiert. Mohr bezeichnet ursprünglich die Bewohner der römischen Provinz Mauretania (heute grob Marokko und Algerien). Immer noch rassistisch aber, darüber reden nützt viel mehr als Zensur und Cancel culture. Leider kann sich niemand mit Geschichte politisch profilieren.

    • am 25.07.2025 um 13:00 Uhr
      Permalink

      Warum fragt niemand die Betroffenen bzw. die Menschen, die durch solche Inschriften in irgendeiner Weise negativ beeinflusst werden könnten? Darum geht es doch, oder habe ich etwas falsch verstanden?

    • am 25.07.2025 um 13:50 Uhr
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      Mit Rassismus hat der «Mohrenkopf» nichts zu tun. 1443 nennt eine Verkaufsurkunde zum ersten Mal das Haus am Neumarkt 13, das nun einem Chorherrn am Grossmünster gehörte, eindeutig «zum Mohrenkopf». Das steht so in allen Archiven. Es brauchte Bücherverbrennungen, um das Wort zu tilgen. Es nahm Bezug auf die damaligen Handelsbeziehungen mit den Mauren. Das sind Berber und keine Schwarzafrikaner. Katharina von Zimmern, die letzte Äbtissin des Fraumünsters kaufte das Haus 100 Jahre (1540), nachdem es schon «zum Mohrenkopf» hiess. Columbus entdeckte Amerika 1492 – 50 Jahre nach 1443 -, und zumindest ab da wurden grosse Teile der Welt kolonialisiert. Das mit dem Rassismus ist so ein cooles Argument, mit dem Linke gerne um sich werfen, auch wenn sie von der Sache selbst nichts verstehen. Nicht alles ist rassistisch, was Neu-Linke dafür halten.

    • am 25.07.2025 um 14:01 Uhr
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      Uebermalen oder eliminieren erweckt den Eindruck von Vertuschung! Ich schätze, wenn die Geschichten dazu erklärt und eingeordnet werden.

    • Heinrich Frei
      am 25.07.2025 um 14:21 Uhr
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      Ich habe lange im Niederdorf in Zürich gewohnt und gearbeitet und diese Inschriften und Bilder nie beachtet. Wird der Stadtrat Zürichs nun auch gegen den Neokolonialismus Zeichen setzen? Wird er auch gegen Geldhäuser in Zürich vorgehen, die Milliarden in Firmen investieren, die sich in armen Länder im Verein mit korrupten Regierungen wie Kolonialherren gebärden und sich bereichern, mit Kinderarbeit im Kakaosektor, in Minen, der Plünderung des Amazonasgebietes? Die Organisation Public Eye dokumentiert dies..
      Wird die Stadt Zürich auch ein Auge darauf werfen, in welche Firmen die Milliarden investiert werden, die in die Steueroase Schweiz transferiert wurden? Anlagen in Rüstungskonzerne, Investitionen in ausbeuterische Unternehmen? Investitionen in ausländische Waffenfabriken, die sogar verbotene Waffen herstellen, wie Streubomben, Antipersonenminen und Atombomben? Oder weiterhin: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen? – Den guten Steuerzahlern Zürichs nie in die Suppe spucken.

    • am 25.07.2025 um 14:58 Uhr
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      Für mich ist es unbewiesen, dass «Mohr» einen rassistischen Ursprung hat. Meine Nachforschungen weisen viel eher darauf hin, dass es sich auf die berberischen Stämme der Mauren bezieht, welche Nordafrika besiedeln und auch auf der iberischen Halbinsel Spuren hinterlassen haben. Bereits das Römische Reich kannte zwei Provinzen namens Mauretania Tingitana und Mauretania Caesariensis. Der Begriff «Mauren» hat in verschiedene europäische Sprachen Eingang gefunden, so auch im 8. Jahrhundert in die deutsche Sprache (mor, althochdeutsch). Die italienischen Vornamen Mauro und Maurizio sind bis heute beliebt. Auch wenn das deutsche «Mohr» synonym für einen dunkelhäutigen Menschen angewendet wurde, stellt dies noch keine rassistische Abwertung dar. Unzählige Sprachen kennen Bezeichnungen für hellhäutige Menschen, die nicht immer schmeichelhaft sind, deswegen aber noch keine rassistische Disqualifikation beinhalten. Schade deshalb, dass der Mohr in Zürich nicht mehr tanzen darf.

    • am 25.07.2025 um 15:26 Uhr
      Permalink

      «Alter Wein in neuen Schläuchen»
      Als ob schon jemals eine Namensänderung eine Änderung in der Geisteshaltung nach sich gezogen hätte.

    • am 25.07.2025 um 17:11 Uhr
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      Search.ch verzeichnet 614 Einträge zu Mohr. Mein damaliger Deutschlehrer, Herr Mohr, ist wohl ebenso schon glücklich verstorben wie unsere schwarze Katze, das Möhrli. Was aber machen nun die vielen Menschen, die zum Nachnamen Mohr heissen? Wird ihnen eine (genehmigungspflichtige) amtliche Namensänderung nahegelegt? Müssen sie sich schuldig fühlen, wenn sie das nicht wollen? Riskieren sie vielleicht bald die Ächtung oder gar die Verhaftung?
      Es könnte eine üble Posse sein, wenn sie dem wirklichen Irrsinn nicht so nahe käme.

      • am 26.07.2025 um 14:01 Uhr
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        Ich lege auch noch das Studium der Einträge im Idiotikon.ch nahe, für mich immer eine fundierte Anlaufstelle bei Schweizer Begriffen. Da wird der Kaminfeger auch zum Mohren, die Sauen, die sich im Morast (!) gewälzt hatten ebenso und viele andere Zusammenhänge.
        Die Erklärung in Hans Peter Roths Beitrag (14:58) finde ich sehr logisch. Dass die von der iberischen Halbinsel vertriebenen Spanier und Marokkaner namensgebend für die geächteten, misshandelten, ausgenützen Mohren wurden, kann gut möglich sein. Wie gehen wir denn mit den Geflüchteten, Vertriebenen des 21. Jh. um?

    • am 26.07.2025 um 02:39 Uhr
      Permalink

      Dieses Vorgehen der Stadt Zürich zeigt auch, wie verkommen die intellektuellen, wissenschaftlichen und kulturellen Fähigkeiten unserer Politiker und Eliten (ETH) sind.
      Muss jetzt Frankreich seinen kleinen Frischkäse, der «Le p’tit Suisse» heisst, auch umbenennen???

    • am 26.07.2025 um 09:47 Uhr
      Permalink

      Das ist linksgrüne Ideologie: Die Geschichte einfach übermalen und damit gibt’s diese Geschichte einfach nicht. Auch eine Form der Geschichtsklitterung. Verlogen.
      Manchmal wünsche ich mir, und gerade hier, einen Trump, der mit solchen Irrwegen aufräumt. Wer weiss, vielleicht kommt bei uns auch die Retourkutsche. Auf demokratischem Weg. Einfach später, wie immer.

    • am 26.07.2025 um 10:23 Uhr
      Permalink

      Die Entfernung des Wandbildes im Schulhaus Wylergut hingegen finde ich sinnvoll und notwendig. Eine passende «Kontextualisierung» gegenüber den Schulkindern müsste scheitern. Bei ihnen würde nur hängenbleiben, dass man fremde Ethnien so ähnlich wie Tierarten einordnen könne.

    • am 26.07.2025 um 13:36 Uhr
      Permalink

      Ich habe mich etwas mit der Studie aus der ETH «ZÜRCHER «MOHREN»-FANTASIEN EINE BAU- UND BEGRIFFSGESCHICHTLICHE AUSLEGEORDNUNG, CA. 1400 – 2022» auseinandergesetzt und finde, dass diese Arbeit von 123 Seiten über das «Bildes des «M*****» sehr voreingenommen ist und viele geschichtlich Tatsachen falsch interpretiert oder überhaupt verschweigt. Hätte meine Diplomarbeit an der ETH die gleiche Qualität wie diese ETH-Studie gehabt, wäre ich durchgefallen. Gerade der Text zu William Shakespeares Othello (Der Mohr von Venedig) ist schwach. Es fehlen zudem unter anderem wichtige Recherchen zu dem grossen Schatz der Schriften des Benediktinerordens. Dazu gehört unter zum Beispiel die Geschichte des schönen Vornamens «Maurus» (Mohr).

      Glücklicherweise muss sich das zwinglianische Zürich nicht zu den Schwarzen Madonnen äussern.

      Roger Biedermann, geboren in der Nachbargemeinde von «Mohren» AR.

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