Mirage

Mirage III S bei ihrer Ausmusterung im Jahr 2003. © Hermann Keist

Die Armee rechnete falsch – schon 1961 bei den Mirages

Esther Diener-Morscher /  Wegen des geschönten Kredits für neue Kampfflugzeuge musste Bundesrat Paul Chaudet gehen. Es gibt Parallelen zu heute.

Die falschen Zahlen für den Kauf des F-35-Fliegers erinnern an frühere Kampfjet-Käufe. Einer davon wurde vor 64 Jahren beschlossen und weitete sich zum Mirage-Skandal aus. Das Parlament fand es derart unerhört, dass das Militär einen zu geringen Preis für die Mirage-Flugzeuge vortäuschte, dass es die erste Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) in der Schweizer Geschichte einsetzte.

Was war damals genau passiert?

1961 genehmigte das Parlament – eine Volksabstimmung gab es damals nicht – 870 Millionen Franken für die Beschaffung von 100 französischen Mirage-III-Kampfflugzeugen. Dieser Betrag sollte sich als deutlich zu tief erweisen. Er war absichtlich geschönt worden.

Letztlich musste die Schweiz 350 Millionen Franken mehr bezahlen – und bekam dafür 43 Flugzeuge weniger.

Die Beschaffungskommission wusste damals, dass die 100 Flugzeuge 1,1 Milliarden Franken kosten würden. Das Kommando der Luftwaffe strich aber wider besseres Wissen viele Zusatzkosten aus dem beantragten Kredit.

Während der Produktion der Flugzeuge zeigte sich, dass Sonderanfertigungen und Anpassungen zu massiven Budgetüberschreitungen führen würden. Der «Weltwoche»-Journalist Marcel H. Keiser veröffentlichte den ersten Artikel dazu.

Der Bundesrat beantragte schliesslich 1964 einen Zusatzkredit von 576 Millionen Franken. Das Parlament lehnte ihn ab und wollte genauer wissen, wie es von den Militär-Verantwortlichen getäuscht worden ist.

Notiz Mirage von der Finanzverwaltung an die Untersuchungskommission
Auf 20 Seiten beschrieb Markus Redli, der Direktor der Finanzverwaltung, die «chronologische Entwicklung» der Mehrkosten für die Mirage.

Die erste in der Schweiz eingesetzte PUK sollte die Hintergründe aufdecken. Die Kommission genoss grosses Ansehen. Es war so gross, dass gleich drei ihrer Mitglieder später in den Bundesrat gewählt wurden, nämlich der Vorsitzende Kurt Furgler sowie Rudolf Gnägi und Pierre Graber.

Die PUK deckte unter anderem auf, dass die Botschaft zum Kredit «zum Teil tendenziös, zum Teil unsorgfältig und an einzelnen Stellen geradezu irreführend abgefasst» gewesen war.

Die Folgen der Untersuchung:

Der Fliegerchef Etienne Primault wurde entlassen.

Der Generalstabschef Jakob Annasohn reichte 1964 seinen Rücktritt ein.

Dem verantwortlichen Bundesrat Paul Chaudet wurden so grobe Nachlässigkeiten vorgeworfen, dass er 1966 zurücktrat.

Die militärische Führung durfte nicht mehr selber Armeematerial beschaffen. Die neu geschaffene Gruppe für Rüstungsdienste (GRD) war fortan für die Beschaffung und Produktion von Rüstungsgütern zuständig.

1994 wurden die Produktionsbetriebe aus der GRD ausgelagert und in Gruppe Rüstung umbenannt. Heute ist sie unter dem Namen Armasuisse für die Beschaffung von Rüstungsgütern zuständig.

Die vielen Parallelen zu damals

Heute zeigt sich: Auch die Armasuisse rechnet falsch, wenn es um die Beschaffung von neuen Kampfflugzeugen geht. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats hat beschlossen, die Ungereimtheiten bei der Beschaffung des F-35A zu untersuchen.

Doch die drei Haupt-Verantwortlichen sind oder werden beim Abschluss der Untersuchung ohnehin nicht mehr im Amt sein: Peter Merz, Thomas Süssli und Viola Amherd.

Nach der Aufdeckung des Mirage-Skandals wurde der Fliegerchef Etienne Primault entlassen. Der heutige Kommandant der Luftwaffe, Peter Merz, tritt wesentlich selbstbewusster auf. Noch letzten März stellte er alle Kritiker ins Abseits. Es sei ihm «schier unerträglich», wie «all die Experten» nicht wirklich eine Ahnung hätten und nicht wirklich begreifen würden, schrieb er auf Linkedin. Eine Entlassung wie bei Etienne Primault steht nicht zur Diskussion. Denn Peter Merz hat beim VBS bereits selber gekündigt und fängt im Oktober als Chef der Flugsicherungsfirma Skyguide an.

Der heutige Armeechef Thomas Süssli hat im Januar seinen Rücktritt eingereicht. Er hört Ende Jahr auf.

Die für die F-35-Beschaffung verantwortliche Bundesrätin Viola Amherd hat bereits im März demissioniert.

Claude Nicollier fordert 50 Kampfjets

Gibt sich das Militär nun wie damals nach dem Mirage-Debakel mit weniger F-35-Fliegern zufrieden? Derzeit ist von Mehrkosten zwischen 650 Millionen und 1,3 Milliarden Dollar für die bestellten 36 Kampfjets die Rede. Der Nachfolger von Viola Amherd im VBS, Martin Pfister, sprach an einer Pressekonferenz im Juni davon, dass «vielleicht weniger Flugzeuge» beschafft würden.

Für den ehemaligen Astronauten und Kampfpiloten Claude Nicollier kommt diese Möglichkeit allerdings nicht in Frage. Er warnte kürzlich in der «NZZ am Sonntag» vor einer Unterbestückung der Luftwaffe. Bereits 2019 hatte Nicollier in einem Expertenbericht der damaligen Verteidigungsministerin Viola Amherd empfohlen, die Schweizer Luftwaffe auf 40 Jets aufzustocken. Heute hält er sogar 50 Kampfflieger für angemessen.


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3 Meinungen

  • am 26.07.2025 um 12:32 Uhr
    Permalink

    Das VBS, armasuisse und Armeeführungen sind seit Jahrzehnten für Planungsdesaster und Finanzdebakel verantwortlich. Milliarden wurden in den Sand gesetzt oder landeten in Hosensäcken. Solange rechtsbürgerliche Mehrheiten zur Verfügung stehen wird sich da nie etwas ändern.

  • am 26.07.2025 um 16:54 Uhr
    Permalink

    Wie spotteten wir damals?
    Mirage, Mirasch, Mir Aschl … er.
    Mache ähnliches Beispiel!

  • am 26.07.2025 um 19:21 Uhr
    Permalink

    SRF 25.05.2023, 16:30: «Insgesamt kaufte die Schweiz 61 Mirage-Flugzeuge. Davon gingen zehn im Laufe der Jahre durch Abstürze verloren…»

    Watson Bojan Stula 30.01.2025, 13:09: «Der US-Tech-Milliardär Elon Musk hat in der Vergangenheit den US-Kampfjet F-35 als Fehlinvestition beschimpft, was in den USA eine erbitterte Kontroverse auslöste. Jetzt kam es in Alaska wieder zu einem spektakulären Absturz einer F-35.»

    Es könnte wohl die Möglichkeit bestehen, dass der russische Generalstab grosses Mitleid mit der Schweizer Luftwaffe und Steuerzahler haben könnte: Kampfflugzeuge zu haben, die von selbst vom Himmel kommen. Und könnten robuste russische Kampfflugzeuge zum Freundschaftspreis anbieten und alle wären froh und glücklich endlich exotische Vögel über den Wolken zu haben, die oben bleiben.
    Gunther Kropp, Basel

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