Lärm: Die Stadt Freiburg täuscht ihre Bürger
Seit 2011 hat die Stadt Freiburg auf 12 von insgesamt 80 Kilometern ihres Strassennetzes lärmschluckende Beläge – so genannte Flüsterbeläge – eingebaut. Zudem hat sie im Herbst 2023 auf 60 Prozent der Hauptverkehrsachsen Tempo 30 eingeführt. Das Ergebnis erfüllt die Verantwortlichen mit Stolz.
«Äusserst positiv»
In einer Medienmitteilung schreiben sie: «Die Resultate sind äusserst positiv. Die Messungen haben ergeben, dass dank dem Tempolimit 30 der Strassenlärm erheblich gesenkt werden konnte (minus 2,1 Dezibel im Tagesdurchschnitt, das entspricht in der Wahrnehmung einer Reduktion des Verkehrs um 40 Prozent).»
Nur acht Messstellen berücksichtigt
Die Werte stimmen nicht. Die Reduktion beträgt im Durchschnitt der neun Messstellen tagsüber bloss 1,7 Dezibel, nachts sogar nur 1,4 Dezibel, wie Recherchen von Infosperber zeigen.
Die Stadt Freiburg hat für die Berechnung des Durchschnitts die Messstelle an der Avenue de l’Europe gestrichen. «Diese Messstation wurde aufgrund der Arbeiten am Fernwärmenetz nicht berücksichtigt, da der Baulärm die Ergebnisse stark beeinflusst hätte», schreibt die städtische Medienstelle.
Zudem hat die Stadt den Durchschnitt der Lärmreduktion nur anhand der Messwerte am Tag errechnet. Hätte sie auch die Nacht berücksichtigt, wäre sie auf eine Reduktion von nur 1,6 statt der ausgewiesenen 2,1 Dezibel gekommen.
Grenzwerte überschritten
So oder so sind die Folgen des Flüsterbelag-Einbaus und der Temporeduktion nicht so erfreulich, wie es die Stadt Freiburg darstellt. Der Lärm ist zwar geringer. Aber die Immissionsgrenzwerte für Wohnzonen, die in der Lärmschutz-Verordnung festgeschrieben sind, werden noch immer an allen Messstellen überschritten. Die Alarmwerte an zwei Messstellen.

Die Stadt relativiert allerdings: «Die Sensoren wurden möglichst nahe an der Strasse aufgestellt, um einzig den Strassenlärm und keine anderen Lärmarten zu messen.» Es sei «folglich normal, dass die Werte höher ausfallen». Klar sei aber, «dass weniger Personen von einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte betroffen» seien. Wie viele es sind, weiss die Stadt allerdings nicht.

«Freiburg als Vorbild»
Das durchzogene Ergebnis hinderte die «Freiburger Nachrichten» nicht daran, in die Behörden-Euphorie einzustimmen. Sie schrieben: «Die Einführung von Tempo 30 auf 60 Prozent des Freiburger Stadtgebiets zeitigt die erwünschten Wirkungen. Analysen belegen unter anderem, dass der Lärm abnimmt.» Kein Wort davon, dass die Grenzwerte der Lärmschutz-Verordnung noch immer überschritten werden. Vielmehr titelten die «Freiburger Nachrichten»: «Freiburg als Vorbild.»
Interaktive Karte
Die Tamedia-Zeitungen haben eine interaktive Karte programmiert, auf der sich für jede Adresse die Lärmwerte ermitteln lassen. Sie zeigt auch, dass im «Vorbild Freiburg» 39,2 Prozent der Bevölkerung nachts einem Strassenverkehrslärm ausgesetzt sind, der über dem Grenzwert für Wohnzonen liegt. Tagsüber sind es «nur» 4,4 Prozent.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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