Kommentar
Wer hat Recht – die Börse oder die Grossbanker?
Bei der Diskussion über eine mögliche Aufstockung des geringen Eigenkapitals der UBS fällt auf, dass zwei wesentliche Überlegungen erstaunlicherweise fehlen.
Nämlich die Frage, wie Eigenkapital überhaupt gemessen wird, sowie die Tatsache, dass sein Wert im zeitlichen Verlauf höchstwahrscheinlich erheblich schwanken kann, vor allem in kritischen Phasen.
Was bringt es dann, eine Erhöhung in Betracht zu ziehen, wenn die Bewertung nur ungenau ist und zu selten erfolgt?
Die Börsenkurse stehen – solange die Finanzmärkte geöffnet sind – fortlaufend zur Verfügung, wohingegen die Geschäftszahlen bestenfalls vier Mal pro Jahr veröffentlicht werden.
Diese Diskrepanz ist nicht folgenlos.
Wenn beispielsweise Anfang April 2025 nach den Ankündigungen von Donald Trump zu einer drastischen Erhöhung der Zolltarife der Kurs der UBS-Aktien stark sank: Wie stand es dann um das Eigenkapital?
Die Quartalszahlen von Ende März waren zu dem Zeitpunkt nicht mehr aktuell genug. Wie wirkten sich Trumps Erklärungen auf die Aktivseite der Bilanz aus?
Sanken die Aktiva, weil eine derartige Zollerhöhung die Geschäfte diverser grosser, exportorientierter Unternehmen, die Kunden oder Schuldner bei der UBS sind, beeinträchtigen und ihr Ausfallrisiko potenziell steigern könnte?
Wenn dem so ist, dann wäre das Eigenkapital ebenfalls gesunken, bevor es dann wahrscheinlich Ende April oder Anfang Mai wieder anstieg.
Aber dazu gaben weder die Bank noch die sogenannten Regulierungsbehörden irgendeine Auskunft.
Zur Verdeutlichung meiner Aussage kann vielleicht folgender Vergleich dienen: Man stelle sich vor, die Geschwindigkeitskontrollen im Autoverkehr würden nur viermal jährlich erfolgen, an einem bereits vorher feststehenden Datum und anhand der Eigenerklärung des Fahrers.
Es wäre garantiert ein durchschlagender Erfolg bei der Bekämpfung von überhöhter Geschwindigkeit auf den Strassen! Die Angst der Verkehrssünder vor Bussgeldern hielte sich in Grenzen.
Für eine Grossbank wie die naturgemäss komplexe und hoch verschuldete ehemalige Credit Suisse war es nicht glaubwürdig, ein von den abgestürzten Börsenkursen unbeeinträchtigtes Eigenkapital – also die Differenz zwischen den Aktiva und der Summe aller Verbindlichkeiten – auszuweisen.
Wenn man implizit glauben macht, das Eigenkapital sei kurzfristig stabil genug, um es als Messgrösse nur einmal pro Quartal abzubilden, ist das nichts anderes als ein Bluff.
Erst recht seitens einer Bank, die als Too big to fail gilt und deren Risikobereitschaft umso grösser ist, als die Steuerzahler in letzter Instanz dafür geradestehen müssen.
Konkret gesprochen ist zwischen 2000 und 2023 das in den Bilanzen der CS aufgeführte Eigenkapital gestiegen, während ihr Börsenwert zum Schatten seiner selbst verkümmert war. Man finde den Fehler!
Diese Realitätsverweigerung setzte sich bis hin zum Schlussakt fort.
Hatten die FINMA und die SNB noch am 15. März 2023 behauptet: «Die für die Schweizer Finanzinstitute geltenden strengen Kapital- und Liquiditätsanforderungen sorgen für die Stabilität der Institute. Credit Suisse erfüllt die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen an Kapital und Liquidität», so wurde nur vier Tage später, am 19. März, auf einer Pressekonferenz in Bern der Zusammenbruch der Bank mitgeteilt.
In Anwesenheit der Präsidenten eben dieser beiden Einrichtungen.
Welche Zahlen wurden denn zu Grunde gelegt, als sie sich am 15. März so zuversichtlich gaben, während die CS doch schon in Auflösung begriffen war?
Die von Ende Dezember 2022, die bereits überholt waren, oder die von Anfang März 2023? Wenn letzteres der Fall war, hätten diese Zahlen publik gemacht werden müssen.
Tatsache ist jedoch, dass die Zahlen von März 2023 einen Börsenwert aufzeigen, der weit niedriger ist als das in den Büchern ausgewiesene Eigenkapital.
Nach Einschätzung der Investoren war dieses demnach in Wahrheit viel niedriger als behauptet, wie ich es auch in meinen eigenen Arbeiten nachgewiesen habe.
Da die in diesem Artikel aufgeworfenen Fragen unbeantwortet bleiben (und das wahrscheinlich noch lange), sind unabhängige Bewertungen der einzig gangbare Weg, um all das aufzudecken, was unter dem Vorwand der Komplexität aufwändig verschleiert wird.
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Die französische Fassung dieses Artikels ist am 29.5.2025 in Le Temps erschienen. Die deutsche Version erschien auf Inside Paradeplatz.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Handelsblatt Jakob Blume 31.08.2023 – 13:45: «UBS erzielt 29 Milliarden Dollar Gewinn»
Eine sehr beachtenswerte Aussage im Artikel: «Konkret gesprochen ist zwischen 2000 und 2023 das in den Bilanzen der CS aufgeführte Eigenkapital gestiegen, während ihr Börsenwert zum Schatten seiner selbst verkümmert war. Man finde den Fehler!»
Könnte wohl die hypothetische Möglichkeit bestehen: global-denkende-clevere Investmentbanker könnten erkannt haben, dass die dahinsiechende Credit Suisse eine goldene Ganz ist, wenn dafür gesorgt werden könnte, den Börsenwert kontinuierlich in den Keller sausen zu lassen, um das Objekt der Begierde zum Schnäppchen-Preis von 3 Milliarden übernehmen zu können und so einen Gewinn von 29 Milliarden machen zu können mit möglichen Dankes Boni-Zahlungen. weil die globale Sichtweise das Geschäft ermöglichte und nicht der Paradeplatz-Horizont.
Gunther Kropp, Basel