Artensterben: Das Frühjahr wird stiller
Auch wer in einer Stadt lebt, kann es bemerken: Der Frühling tönt weniger laut als auch schon. Dass es immer weniger Insekten gibt, weiss man. Jetzt sind die Vögel dran.
Von 1980 bis 2021 hat ihre Zahl in der EU um 600 Millionen Tiere abgenommen. Das zeigt eine Studie des RSPB Centre for Conservation Science, veröffentlicht in der Fachzeitschrift «Ecology and Evolution». Einst häufige Vogelarten hat es am meisten getroffen. Es gibt nur noch halb so viele Hausspatzen wie vor 40 Jahren und damit 250 Millionen Tiere weniger.
Verloren hat Europa auch 68 Millionen Feldlerchen und 75 Millionen Stare. Schafstelzen, eine weitere stark betroffene Art, besuchen die Schweiz nur auf der Durchreise. Im Vergleich zu 1980 gibt es 100 Millionen weniger von ihnen. Insgesamt ist der Brutvogelbestand um 17 bis 19 Prozent geschrumpft.
Schutzmassnahmen helfen
Neben den Spatzen trifft das Artensterben besonders Arten, die auf offenes Kulturland angewiesen sind und Zugvögel, die auf dem Weg in ihre Winterquartiere weite Wege zurücklegen. Die Studie zeigt aber auch, dass Schutzmassnahmen helfen.
Den Rückgang abbremsen können sie jedoch nicht. Einem Verlust von 900 Millionen Vögeln stand ein Zuwachs von 300 Millionen bei anderen Arten gegenüber. Darunter vor allem solche, die in Wäldern und bei Gewässern leben und von Schutzmassnahmen profitierten, wie Amseln und Zaunkönige. Seit der Jahrtausendwende habe sich der Rückgang auch etwas abgeschwächt, berichtete «Spektrum der Wissenschaft».
Das Frühjahr wird stiller
Dass das Frühjahr tatsächlich leiser wird, zeigte eine 2021 publizierte Studie der University of East Anglia die Vogelgezwitscher in Europa und Nordamerika gemessen hat. Die Forschenden stellen dabei fest, dass die Vögel zunehmend verstummen. Ein Verlust an Natur – und auch ein Verlust an Lebensqualität.
Ob Kinder heute noch «Amsel, Drossel, Fink und Star» singen würden, wisse er nicht, sagte Axel Schonert, Vogelexperte aus Sachsen-Anhalt, im Februar gegenüber dem MDR. Gerade diese Stimmen fehlten ja. Die grösste Bedrohung für Vögel ist seiner Ansicht nach die Klimakrise.
Die anderen Gründe: Felder, Wald und Wiesen werden für Vögel zunehmend lebensfeindlich. In Europa sei «in den letzten Jahren» jeder sechste Vogel verschwunden, in den USA jeder dritte, sagte Livio Rey, Biologe an der Vogelwarte Sempach, im vergangenen Jahr zum SRF. In der Schweiz sei der Rückgang «nicht ganz so stark», aber auch hier seien es weniger Vögel, besonders im Mittelland. 40 Prozent der Brutvögel stünden auf der Roten Liste.
Vögeln fehlt die Ruhe und die Nahrung
Am meisten litten Vögel unter intensiver Landwirtschaft mit viel Dünger und Pestiziden. Es gebe zu wenig Blumen, die Insekten anlockten, keine Bäume und kein hohes Gras, um darin Nistplätze zu bauen. Feuchtgebiete seien zu klein, zu isoliert und zu sehr von Menschen frequentiert. Den Vögeln fehlt die Ruhe, der Platz und die Nahrung.
In privaten Gärten werde zu häufig gemäht, es wüchsen exotische Pflanzen, mit denen Insekten und andere Tiere nichts anfangen könnten. Wer Vögeln helfen wolle, könne am Haus Nischen als Brutplätze anbringen, einheimische Sträucher und Bäume pflanzen und Blumenwiesen länger stehen lassen, riet der Experte. Er lobte zudem das Engagement einiger Landwirte, die viel täten, um die Biodiversität der Vogelwelt zu unterstützen.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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