Kommentar

Dummheit ist doch strafbar

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. René Zeyer, ist Autor des Bestsellers «Bank, Banker, Bankrott». Er arbeitete als Journalist für den ©

René Zeyer /  Das beweisen die neusten Razzien bei deutschen Kunden der Crédit Suisse.

Steuerhinterziehung mit Versicherungsmänteln ist ein alter Hut. Wenn dann noch die Kundenliste den Weg zu deutschen Steuerfahndern findet, kracht’s. Das ist, allerdings nur für Banker, natürlich «unvorhersehbar».

Schon lange warnten Bankkritiker vor der Verwendung von «Schlaumeier-Lösungen» (Rudolf Strahm) wie Versicherungs-Wrapper, um Geld vor dem Fiskus in Sicherheit zu bringen. Aber auch hier gilt natürlich die Banker-Regel: Heute Kommission verdienen und Bonus kassieren ist das Allerwichtigste auf der Welt. Die Folgen sind doch legal, illegal, egal.
Schlag auf Schlag

Erst vor wenigen Monaten hatte sich die CS mit einer Busse von 150 Millionen Euro an das Land Nordrhein-Westfalen von der weiteren Strafverfolgung in Sachen Beihilfe zur Steuerhinterziehung freigekauft. Die UBS zahlte sogar 780 Millionen Dollar Busse an die USA, um aus deren Schwitzkasten rauszukommen. Fall erledigt, wir haben gelernt, kommt nicht mehr vor. Lachhaft. In Deutschland stehen wieder mal Steuerfahnder vor der Türe von Tausenden CS-Kunden, in Frankreich werden die Räume von UBS-Filialen durchsucht. In beiden Fällen lautet der Verdacht gegen die Schweizer Grossbanken: mögliche Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Und es gibt insgesamt rund 190 Staaten auf der Welt …

Was ist so ein Wrapper?

Wie jede Schlaumeierei ein Gebastel. Kunde Meier aus Bochum lässt seine Vermögenswerte bei einer Schweizer Grossbank von einem Versicherungsmantel, eben dem Wrapper, umhüllen. Da es sich meist um Lebensversicherungen handelt, können damit legal, aber ziemlich kitzlig Steuervergünstigungen bei Altersvorsorge ausgenützt werden. Oder aber, vor allem, wenn der Wrapper aus den Bermudas oder Liechtenstein stammt, wird wohl mehr Wert auf seine Auswirkung gelegt, dass der Name Meier aus den meisten Unterlagen verschwindet und durch den Namen der Versicherungsgesellschaft ersetzt wird. Wenn die aber zum Beispiel Credit Suisse Life Bermuda Ltd. heisst, dann müsste ein Steuerfahnder noch dümmer als ein Banker sein, um da nicht misstrauisch zu werden.

Sträfliche Dummheit

Lassen wir die moralisch-ethische Bewertung und die Schuldzuweisung an Kunde oder Bank beiseite. Wirklich erschütternd ist: Offensichtlich sind die beiden Banken noch dümmer und gefährlicher, als man meint. Dumm, weil es den mit Anwälten wohlbestückten Legal Department entgangen ist, dass auch Schlaumeiereien wie Versicherungs-Wrapper dem Ansturm von notleidenden europäischen Finanzämtern nicht standhalten werden. Gefährlich, weil offensichtlich zumindest die CS nicht in der Lage ist, das Heiligste einer Bank, die Kundendaten und -namen, vertraulich und geschützt aufzubewahren. Und was der UBS in Frankreich noch alles droht, werden wir demnächst erleben.

Der Schlag ins Kontor

Was sind die Pfunde, mit denen Schweizer Banken wuchern können? Tradition, Stabilität, Kompetenz, Vertrauen. Weltweit einmalig ist der Rechtsstaat Schweiz seit über 150 Jahren von Umsturz, Krieg, Geldentwertung, Diktatur und wuchtigen sozialen Unruhen verschont geblieben. Ebenso von skandalösen Bankenzusammenbrüchen, rabiaten Gesetzesänderungen, Enteignungen und gravierenden Verstössen gegen die Rechtssicherheit. Beste Voraussetzungen, um weiterhin einer der grössten Vermögensverwalter der Welt zu bleiben. Wenn da nicht die modernen Gierbanker wären, die für kurzfristige Extraprofite alle diese Wettbewerbsvorteile zuschanden reiten.

Die Risikoverteilung

Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Profite der beiden Grossbanken im Ausland generiert und dort auch versteuert werden. Die Risiken fallen aber in der Schweiz an, am Hauptsitz der beiden Bankmonster. Ebenso können Verluste in die Schweiz transferiert werden, wodurch sowohl UBS wie CS seit der Finanzkrise 1 keine Steuern mehr bezahlen müssen, dank dem etwas merkwürdigen Schweizer Modell, dass angefallene Verluste der letzten sieben Jahre auf zukünftige Gewinne verrechnet werden dürfen. Und das Risiko des Totalschadens, ob der durch Investmentbanking in den USA, Libor-Manipulationen in London oder die Beihilfe zu Steuerhinterziehung irgendwo auf der Welt anfällt, trägt die Schweiz. Genauer: der Schweizer Steuerzahler.

Was braucht es noch?

Der Aktienkurs von UBS und CS dümpelt seit der Finanzkrise 1 im Keller. Die Risiken im Investmentbanking wurden zwar etwas abgebaut, sind aber weiterhin gigantisch. Die Eigenkapitaldecke ist nach wie vor erschreckend dünn, ein Gesamtverlust von mehr als 2 Prozent der Bilanzsumme reicht, und die Bank ist blank. Die Reihe von Skandalen reisst nicht ab. Werte wie Tradition, Stabilität, Kompetenz, Vertrauen befinden sich in einem Allzeittief. Und das Allerschlimmste: Selbst bei grösstem Optimismus ist kein einziges Zeichen der Veränderung erkennbar. Was braucht es also noch, damit die Grossbanken als die gefährlichste Bedrohung für die Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg erkannt und zerschlagen werden? Eigentlich nur die Einsicht ins Unvermeidliche.

Dieser Beitrag erschien auch auf Journal21.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. René Zeyer, ist Autor des Bestsellers «Bank, Banker, Bankrott». Er arbeitete als Journalist für den «Stern», «Geo», «FAZ», «Das Magazin», «Schweizer Illustrierte» und war mehrere Jahre Auslandkorrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung». Als langjähriger Kommunikationsberater in der Finanzbranche gehört er zu den Insidern. Zeyer lebt in Zürich.

Zum Infosperber-Dossier:

3065502515_fcf0d5f0f2

Die Euro- und Währungskrise

Noch mehr Geldspritzen und Schulden bringen die Wirtschaft nicht mehr zum Wachsen. Sie führen zum Kollaps.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.