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Künftige unbekannte Änderungen des Kleingedruckten muss man auch gleich akzeptieren. © apple

Darum ist die Konsumentenlobby so schwach

Red. /  Die SKS feiert ihr 50-Jahr-Jubliläum. Der «Beobachter» wollte wissen, weshalb Konsumenten im Google-Zeitalter noch Schutz brauchen.

Red. Der «Beobachter» hat den früheren Kassensturz-Leiter Urs P. Gasche und heutigen Infosperber-Redaktor über den Zustand des Konsumentenschutzes in der Schweiz befragt. Anlass ist das 50-Jahr-Jubiläum der Schweizerischen Stiftung für Konsumentenschutz, das die SKS am 20. Juni feiert. Im Folgenden das «Beobachter»-Interview.

«DAS KONSUMENTENFORUM KF IST DAS TROJANISCHE PFERD DER WIRTSCHAFT»
Beobachter: Das Internet ermöglicht es den Konsumenten, Preise und Angebote sehr genau vergleichen zu können, und über miese Anbieter bricht sofort ein Shitstorm hinweg. Braucht es da überhaupt noch den Konsumentenschutz?
Urs P. Gasche: Mehr denn je! Mit einem falschen Mausklick kann man ein Mehr-Jahres-Abo auslösen. Oder finden Sie mal heraus, welches das günstigste oder das beste Bündel-Angebot von Internet, Fernsehen und Telefonie ist! Die Werbeflut gaukelt uns viel vor und täuscht über die sehr unterschiedlichen Leistungen und Bedingungen hinweg. Dazu kommt, dass die Anbieter immer mehr in internationalen Konzernen organisiert sind.
Wenn ein Deutscher in einem Internetshop etwas bestellt, hat er automatisch ein 14tägiges Rücktrittsrecht. Als Schweizer Konsument habe ich das nicht. Warum hinkt der Konsumentenschutz in der Schweiz dem Ausland so hinterher?
Weil die Lobby für Konsumentenanliegen in der Schweiz viel schwächer ist als in den meisten industrialisierten Ländern. Einige Fortschritte zugunsten der Schweizer Konsumenten – etwa bei der Produktehaftpflicht oder im Reiserecht – kamen nicht auf Druck der Konsumenten-Lobby, sondern auf Druck der EU zustande. Der Rückstand im Konsumentenschutz ist gegenüber dem Ausland immer noch sehr gross. In anderen Bereichen spräche die Wirtschaft von Handelshemmnissen, weil die Bedingungen in der Schweiz nicht gleich sind. Aber wenn Gesetze Konsumenten schlechter stellen, ist das offensichtlich nicht so tragisch.
Liegt es nicht auch daran, dass der Konsumentenschutz in der Schweiz so zersplittert ist – es gibt 4 Organisationen, die sich untereinander gar nicht hold sind.
Ich sehe keine Zersplitterung; es gibt pro Sprachregion je eine Organisation. In der Deutschschweiz ist das die Stiftung für Konsumentenschutz SKS. Das Konsumentenforum kf ist ein trojanisches Pferd der Wirtschaft – ich sage das so lange, wie das kf nicht transparent macht, woher ihr Stiftungsgeld stammt.
Nur gerade eine Million Franken pro Jahr ist dem Bund der Konsumentenschutz jährlich wert – 0,0015 Prozent des ganzen Budgets.
In Deutschland gibt der Staat pro Kopf der Bevölkerung etwa zehnmal mehr Geld aus für Konsumentenschutz, in Frankreich fünfmal so viel. Dabei ist die Schweiz erst noch dreisprachig.
Mehr Geld für Konsumenten-Organisationen führt zu besser informierten Konsumentinnen und Konsumenten. Diese lassen sich weniger täuschen und kaufen jene Produkte und Dienstleistungen, die ihre Bedürfnisse wirklich befriedigen. Anbieter von geeigneten Produkten würden belohnt, schlechte aus dem Markt verdrängt. Das senkt die volkswirtschaftlichen Kosten.
In Deutschland haben die Stiftung Warentest und die Verbraucherschutzverbände eine ungemein starke Stellung, auch weil sie von der Wirtschaft ernstgenommen, bisweilen gar gefürchtet werden. Was müsste hierzulande geschehen, damit die Spiesse zwischen Konsumenten und Wirtschaft gleich lang würden?
In Deutschland erhalten Verbraucherverbände extra Subventionen, um Firmen, die mit unlauteren Methoden arbeiten, abzumahnen. Wenn diese Firmen nicht einlenken, kommt es zu einem öffentlichen Gerichtsfall – ein bewährtes System. In der Schweiz schützt das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb die Konsumenten ähnlich gut, aber nur auf dem Papier, denn dem Konsumentenschutz fehlt das Geld, um gegen unlautere Machenschaften von Konzernen vorzugehen. Was nützt ein Gesetz, wenn es die schwächere Seite nicht anwenden kann?
Welches ist Ihrer Meinung die grösste Ungerechtigkeit, die Schweizer Konsumenten derzeit erleiden?
Das hängt von den Lebensumständen jedes Einzelnen ab. Wer wenig Geld zur Verfügung hat, für den ist wichtig, dass die Hochpreisinsel geschleift wird. Dazu müssen Parallelimporte uneingeschränkt erlaubt und das Kartellgesetz verschärft werden. Auch bei den Medikamenten ist Luft drin: Obwohl viele Arzneien in der Schweiz hergestellt werden, müssen die Krankenkassen europaweit die höchsten Preise zahlen. Ein Dauerärger ist auch irreführende Werbung. Ob die Werbesprüche wahr sind, wird mit andern Ellen gemessen als Aussagen in einem Zeitungsartikel. Werbung soll nicht in erster Linie verführen dürfen, sondern wahrheitsgetreue und lautere Aussagen machen müssen. Nur dann kann Werbung ihren volkswirtschaftlichen Zweck erfüllen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Urs P. Gasche, 69-jährig, leitete und moderierte von 1986 bis 1996 die TV-Sendung «Kassensturz», bis 2004 war er Mitherausgeber der abonnierten Konsumenten-Zeitschriften «K-Tipp», «Puls-Tipp» und «Bon à savoir». Von 2000 bis 2012 war Gasche Mitglied des Stiftungsrats der SKS. Seiter ist er freier Publizist und Redaktor der Informationsplattform infosperber.ch.

Zum Infosperber-Dossier:

Tasche_Hintergrund

Konsumentenschutz

Einseitige Vertragsklauseln. Täuschungen. Umweltschädlich. Hungerlöhne. Erschwerte Klagemöglichkeiten.

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2 Meinungen

  • am 15.06.2014 um 21:19 Uhr
    Permalink

    Informatives Interview, Danke!
    Verlage liefern in die Hochpreisinsel CH zu überhöhten Preisen. Ich kündigte deshalb das LinuxUser, obwohl ich es sehr schätzte. 40% mehr bezahlen (Auslandporto berücksichtigt) ist klar über der (emotionalen) Schmerzgrenze.
    Nicht nur Deutsche Verlage schöpfen ungehörig Kaufkraft ab, sogar Schweizer Firmen verlangen von Schweizer Kunden viel mehr als von Kunden des benachbarten Auslandes!
    Lubera, eine sehr gute Baumschule produziert in der Scheiz (Buchs) zu Schweizer Löhnen und ebenso Lohnnebenkosten….
    Beispiel: ein Lapins Kirschbäumchen kostet in Buchs CHF 69.90, das gleiche Bäumchen in der Lubara-Filiale in Feldkirch kostet EUR 34.95, was etwa CHF 44.00 sind, inklusive gesetzlicher MwSt A von 20% ebenso CH aber nur 8%.
    Lubara verschenkt also unsern lieben Nachbarn das, was diese Firma den Schweizer Kunden zuviel abknöpft!
    Schaaade! Einde sehr gute Firma macht ein beleidigendes Marketin für uns.
    http://www.lubera.com/ch/shop/suesskirsche-lapins_produkt-272.html
    Lösung: Besichtigung in Buchs, kaufen in Feldkirch und erst noch die A-MwSt zurückerhalten…. einkaufen zum halben Preis!
    Die Verkaufsstrategie wird sich wohl ändern, aber erst, wenn es genügend CH-Kunden so machen.

  • am 18.06.2014 um 12:45 Uhr
    Permalink

    Vielleicht wäre die SKS auch stärker, wenn sie sich vermehrt auf ihre Wurzeln in der bereits 1954 gegründeten und später leider aufgelösten «Aktionsgemeinschaft der Arbeitnehmer und Konsumenten» besinnen würde und wieder stärker mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten würde. Gerade bei Fragen rund um die öffentlichen Versorgungsbetriebe werden auch die Positionen der SKS leider bereits seit den Zeiten von Simonetta Sommaruga von einem wenig konsumentenfreundlichen Glauben an die alleinseeligmachende Wirkung des «Markts» getrübt.

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