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Ihre Nachfahren sind am Drücker: Die Helden der Revolution auf einem Kinoplakat. © Peter Achten

Parteitag in Peking (II): Elf exklusive Anwärter

Peter G. Achten /  Sachgeschäfte und und Polit-Strategien werden in China durch einen privilegierten Personenkreis entschieden. Dazu ein paar Namen.

Interessant werden am KP-Parteitag, der am 8. November beginnt, gewiss die Rechenschaftsberichte und Reden in der Grossen Halle des Volkes sein. Aber die Analytiker werden sich post festum auf die wenigen Namen des Ständigen Ausschusses des Politbüros stürzen. Sie sind das Salz in der Suppe. In die Kränze kommen – neben dem gesetzten Xi Jinping als Parteichef – unter anderem folgende Herren und, zum ersten Mal in der Geschichte der Volksrepublik, vielleicht auch eine Frau:
Li Keqiang, 58 Jahre alt, wird Premier Wen Jiaobao ersetzen. Er kommt aus einfachen Verhältnissen, kennt die Nöte des Laobaixing (des Durchschnittschinesen) und ist beim Volk beliebt.
Wang Qishan, im Westen recht bekannt, da er in Verhandlungen über globale Ökonomie und die Wirtschaftsbeziehungen mit den USA präsent ist. Er war Bügermeister von Peking, ist wie Xi ein «Prinzchen» und verheiratet mit der Tochter des ehemaligen mächtigen Vize-Premier Yao Yilin.
Li Yuancho, als Chef des Organisations-Departements der Partei in einer mächtigen Position. Als Sohn eines ehemaligen Bürgermeisters von Shanghai auch er ein «Prinzchen». An der Fudan-Universität hat er in Mathematik und an der Peking-Universität in Wirtschaft einen Grad errungen und danach an der Zentralen Parteischule in Rechtswissenschaften promoviert. An der Kennedy Shool for Government in Harvard hat er Management und Führungskurse durchlaufen. Er gilt laut Insidern als Konsensfaktor zwischen den Fraktionen .
Zhang Dejiang. Nach dem Fall des beliebten Bo Xilai wurde Zahng Parteichef in Chongqing. Er gilt als gewiefter Krisenmanager. Studiert hat er im nordkoreanischen Pjöngjang.
Liu Yandong. Sie ist derzeit die einzige Frau im 24-köpfigen Politbüro. Vielleicht gelingt es ihr, ganz nach oben zu kommen. Auch Liu hat hochrangige Vorfahren. Sie studierte an der Tsinghua-Uni, und ist seither mit dem derzeitigen Staats- und Parteichef Hu Jintao durch die Kommunistische Jugendliga verbunden. Sie gilt als kulturelle Brückenbauerin.
Liu Yunshan, ist Chef der Propaganda-Abteilung der Partei und eng liiert mit Staats- und Parteichef Hu Jintao. Zeit seines Lebens in den Medien tätig, liebt er die sich langsam in China einschleichende Offenheit durchs Internet nicht besonders. Immerhin sagte er neulich: «Ich denke, die Internet-Nutzer sollten den Informationsaustausch auf dem Internet frei benutzen, doch sie sollten gewisse Regeln beachten.» Das tönt gut, die Regeln freilich diktiert die Partei.
Yu Zhensheng. Er ist Parteichef von Shanghai. Auch er in «Prinzchen» mit engen Beziehungen zu Hu Jintao, dem ehemaligen Staats- und Parteichef Jaing Zeming sowie zur Familie der grossen Revolutionärs und Reformers Deng Xioaping.
Wang Yang. Er wird besonders im Ausland als das Gesicht des jungen, reformfreudigen China wahrgenommen. Er ist kein «Prinzchen», sondern Sohn eines einfachen Arbeiters. Als Parteichef in der Südprovinz Guangdong hat er im vergangenen Jahr soziale Konflikte gelöst, auf «unchinesische» Art, nämlich nicht arrogant, auf die Leute zugehend, den Kompromiss und Ausgleich suchend.
Zhang Gaoli. Parteichef der unweit von Peking gelegenen grossen Hafenstadt. Enge Beziehungen zum früheren Staats- und Parteichef Jiang Zemin.
Meng Jainzhu. Derzeit Minister für Öffenliche Sicherheit. Ob es ins Sanctum des Ständischen Politbüroausschusses reichen wird, ist offen
Hu Chunhua. Der 49 Jahre alte Parteichef der Autonomen Region Innere Mongolei ist einer der jüngsten unter den hohen Kadern und mit viel Vorschusslorbeeren bedacht. In zehn Jahren bei der nächsten Wachablösung könnte er der Kronprinz sein. Hu ist kein «Prinzchen», sondern ein Kind von bescheidenen Arbeitern. Hochintelligent brillierte er an der Elite-Universität Beida in Peking und machte danach unter Hu Jintao Karriere. Daher auch sein Name «der kleine Hu».

Wieviele dieser elf Kader es in den Ständigen Ausschuss des Politbüros schaffen, ist ungewiss. Das neuste Gerücht: anstatt neun wie bisher werden es nur noch sieben sein. Das wäre ein Hinweis darauf, dass die Partei nach der Affäre Bo Xilai geschlossener ist als man von aussen annimmt.

Wohin soll der Weg führen?

Grundsätzlich gilt seit Jahrzehnten, dass es verschiedene Meinungen über den künftigen Weg innerhalb der Führungsriege gibt. Es gibt jene, die den bestehenden Kuchen vor weiterem Wachstum zunächst gerechter verteilen wollen – dazu gehörte etwa Bo Xilai – und jene, die diesen Kuchen zuerst grösser machen wollen, bevor er besser, das heisst gerechter verteilt wird. Welche Richtung sich durchsetzen wird, kann an der neuen Zusammensetzung des Ständigen Ausschusses des Politbüros abgelesen werden.

Die von 82 Millionen Parteimitgliedern gewählten 2’270 Delegierten sind der Ansicht, dass der Kongress zu einem kritischen Zeitpunkt kommt, wo China daran sei, eine moderat prosperierende Gesellschaft aufzubauen. Ökonomisch gesprochen jedenfalls heisst die Direktive: weg von der einseitigen Abhängigkeit von Export und Infrastruktur-Investitionen, hin zu mehr Inland-Nachfrage und Konsum. Das bedingt vor allem den Ausbau des sozialen Netzes (Renten- und Krankenversicherung).

Ein Problem: Finanzierung der Sozialwerke

Mit hohen Sparraten suchen die Chinesen – ohne oder nur mit geringen Renten und Krankenkassenschutz versehen – noch immer, für die Zukunft zu sorgen. Seit zwei Jahren sind Partei und Regierung daran, die Situation zu verbessern. Bis ins Jahr 2020 sollen nach den Plänen und bereits erfolgten Massnahmen die wichtigsten Lücken geschlossen sein. Allerdings wird in zwei bis drei Jahrzenten die Finanzierung der sozialen Werke wegen der schnell alternden Bevölkerung (Durchschnittsalter 35 Jahre/ Schweiz 41 Jahre) sehr schwierig werden. China wird mit andern Worten schneller alt als reich, während die Industriestaaten zuerst reich und dann erst alt wurden.

Mit dem neuen wirtschaftlichen Entwicklungsmodell sollen in den nächsten zehn Jahren auch die politischen Rechte der chinesischen Gesellschaft verändert werden. In welcher Richtung bleibt offen. Höhere Kader der Parteischule, aber auch Premier Wen Jiabao haben wiederholt zur Reform des politischen Systems aufgerufen. Was das aber heisst, ist mehr als unklar. Mit Sicherheit wird es nicht zu einer demokratischen Regierungsform im Stile Amerikas oder Europas kommen. Das Machtmonopol der KP ist tabu.

Die Mittelklasse wächst und fordert

Aber mehr Transparenz wird von der Dorf- bis auf Nationsebene eingefordert werden. Eine Mittelklasse im reichen Küstengürtel Chinas zählt bereits heute rund 250 Millionen Menschen (Definition: Jahreseinkommen per capita 10’000 US-Dollar oder mehr). Auch die weit über 200 Millionen Wanderarbeiter, darunter immer mehr ziemlich gut ausgebildete junge Leute, lassen sich nicht mehr alles bieten. Die Kommunikation durch TV und vor allem Internet lässt immer mehr Transparenz zu. Auch im autoritären China können Partei und Regierung nicht mehr ohne Zustimmung des Volkes regieren.

Repäsentative Umfragen gehören zum Arsenal der Regierung vom Zentrum bis in die tiefste Provinz. Und die Mikro-Blogs sind der Puls der Aktualität. Das ist mit auch ein Grund, warum der Prinzling Bo Xilai – ehemaliger Parteivorsitzender von Chongjing und Mitglied des mächtigsten Organs der Volksrepublik, des 25-köpfigen Politbüros – öffentlich demontiert und all seiner Ämter enthoben worden ist. Wegen Korruption und «ernsthafter» Verletzung der Parteidisziplin. Bos Frau wurde wegen Mordes zum Tode mit zweijähriger Bewährung verurteilt, und Bos Polizeichef sitzt für 15 Jahre im Gefängnis. Früher wäre ein solcher Skandal still und heimlich «hinter dem Vorhang» erledigt worden. Aber in Blogs auf dem Web Sina Weibo heisst es frech, Bo Xilais tiefer Fall sei nur die Spitze des Eisbergs. Die Parteikader bis hinunter ins Dorf sind gewarnt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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