Ukraine_russische_Panzer

Rechts das Bild der "russischen Panzer in der Ukraine" des WDR, links die alte Vorlage von n-tv. © Tagesspiegel

Ukraine: Lügen über Lügen – in Wort und Bild

Christian Müller /  Die Berichterstattung über den Konflikt in der Ukraine ist ein Musterbeispiel, wie unseriös mit Fakten umgegangen wird.

Viele Aussagen von Putin und seinen Leuten zum Konflikt in der Ukraine sind Lügen. Das sagen zumindest unsere (westlichen) Medien – und es gibt tatsächlich wenig Anlass, daran zu zweifeln. Sind die Meldungen aus dem Westen aber zuverlässiger?

Zweifel sind angebracht. Die Quellen der News zur Ostukraine sind meist Aussagen – nennen wir sie vorsichtigerweise lieber Behauptungen – ukrainischer Politiker, von Poroschenko zum Beispiel und seinen Bediensteten, und die sind alle Partei. Verbreitet werden sie über westliche Nachrichtenagenturen und westliche Medien, die keinen Anlass sehen, an den Aussagen eines Pro-Westlers zu zweifeln. Aber sogar in den einzelnen Medien fehlt nicht nur die nötige Sorgfalt und Skepsis gegenüber News aus Kiew, es wird auch handfest manipuliert, um die Aggressivität Russlands zu «beweisen».

Ein Beispiel: Der Westdeutsche Rundfunk WDR illustrierte den – wahren oder vermeintlichen – Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine am 19. August mit einem Bild russischer Panzer. Die Bildunterschrift dazu: «Russische Kampfpanzer fahren am 19.8.2014 noch unter Beobachtung von Medienvertretern in der Ukraine.» Was braucht es, denkt man, an weiteren Beweisen, wenn man es doch im Bild sehen kann?

Doch nicht alle Medienkonsumenten sind gutgläubig oder dumm. Denn schon bald stellte sich heraus, dass das Bild gut und gerne fünf Jahre alt war und schon im Jahr 2009 zu russischen Manövern im Kaukasus vom deutschen Fernsehsender n-tv gezeigt worden war. Der WDR, im vorliegenden Fall WDR 5, hat schlicht und einfach manipuliert. Zwischenzeitlich hat er den «Fehler» auch eingestanden.

Kein Einzelfall

Wochen zuvor schon hatte ARD einen aus der Ukraine gemeldeten Helikopter-Abschuss mit einer Sequenz eines Videos von einem Helikopterabsturz in Syrien illustriert – und dies zwischenzeitlich auch eingestehen müssen.

Ungeprüfte Aussagen auch von offizieller Seite

Einfacher als mit Bildern ist das Manipulieren und Lügen natürlich mit Text. Ein Beispiel vom 3.9.2014, rechtzeitig zum Nato-Gipfel in Wales:

«Während am Mittwoch Meldungen über einen allfälligen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine für Verwirrung sorgten, sagte Amerikas Präsident in Tallinn, dass Moskaus Agieren eine Bedrohung für den Frieden in ganz Europa darstelle. Er zweifle nicht im Geringsten daran, dass die russischen Soldaten sich auf ukrainischem Territorium befänden, um zu kämpfen: ‚Es sind russische Streitkräfte mit russischen Waffen in russischen Panzern’, sagte Obama.» So meldete es NZZ Online am 3.9.2014. Die Aussage Obamas wurde auch in vielen anderen Medien zitiert.

Auf der Website der OSZE, deren Präsident gegenwärtig der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter ist, stand am gleichen Tag (3.9.2014) allerdings etwas ganz Anderes: «In dieser Woche hat das Beobachtungsteam eine Netto-Zunahme von jungen Leuten (Männer und Frauen) festgestellt, die die Grenze in beiden Richtungen in Kleidern im Military-Look überschritten haben, aber das Beobachtungsteam hat keine Waffen in diesen Gruppen feststellen können.» Siehe alle Details auf der (englischsprachigen) Website der OSZE.

Der Schweizer OSZE-Beobachter Thomas Greminger antwortete in einem Interview mit der Schweiz am Sonntag vom 7.9.2014, angesprochen auf Bilder zum Konflikt in der Ostukraine: «Wie in jedem Krieg ist der Konflikt in der Ostukraine auch ein Krieg der Bilder. Wir verlassen uns bei unseren Beurteilungen ausschliesslich auf Beobachtungen unserer Mission.»

Die Schweiz am Sonntag hakte nach: «Ex-US Geheimdienstmitarbeiter warnten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel davor, Satellitenbilder, die den Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine zeigen sollen, als Beweis zu akzeptieren. Haben diese Aufnahmen tatsächlich keine Beweiskraft?»

Gremminger von der OSZE: «Auch diese Aufnahmen sind Teil des Kriegs der Bilder. Sie stammen von privaten Satelliten. Dies muss man bei der Interpretation berücksichtigen.»

Wem darf man in der ganzen Sache noch glauben?

Wahrscheinlich niemandem. Und schon gar nicht den Medien.

Über die Manipulation des WDR berichtete in Deutschland der Tagesspiegel.

Über die Widersprüche zwischen den Aussagen Obamas und den Beobachtungen der OSZE berichtete ausführlich die kanadische Website Global Research (in englischer Sprache).


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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8 Meinungen

  • am 8.09.2014 um 13:19 Uhr
    Permalink

    Sehr geehrter Herr Müller,

    Sie schreiben: «Viele Aussagen von Putin und seinen Leuten zum Konflikt in der Ukraine sind Lügen. Das sagen zumindest unsere (westlichen) Medien – und es gibt tatsächlich wenig Anlass, daran zu zweifeln."

    Warum gibt es «tatsächlich wenig Anlass, daran zu zweifeln"?

    Darf ich Sie in diesem Fall bitten, ein bis drei Beispiele für Lügen von Putin anzuführen. Bitte nennen Sie jeweils die Originalquelle, also z.B. ein Redemanuskript von Putin oder die Aufzeichnung einer Pressekonferenz, und nicht eine Referenz von westlichen Politikern oder Medien (à la «Putin habe gesagt…").

    Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich habe bislang keine einzige Lüge von Putin identifizieren können, trotz kritischer Prüfung. Am nähesten dran war er aus meiner Sicht, als es um den Einsatz des russischen Militärs im Vorfeld der Krimabstimmung ging – aber wenn man sich die die Original-Frage des Reuters-Journalisten und Putins Antwort darauf anhört, muss man zugeben: Putin ist etwas ausgewichen, aber er hat selbst in diesem Punkt nicht gelogen.

    Falls Sie keine Lüge von Putin finden können, würde ich mich damit zufrieden geben, wenn Sie eine Lüge auf rt.com finden. Auch hier konnte ich bislang nichts finden. Manchmal wird über etwas nicht berichtet oder nur am Rande, aber ich konnte bislang keine Lügen identifizieren. Im nationalen russischen Fersehen mag es anders sein, das habe ich nicht geprüft, aber auf dem international relevanten rt.com fand ich bislang nichts.

  • am 8.09.2014 um 13:28 Uhr
    Permalink

    2/2

    Umgekehrt musste ich nach kritischer Prüfung leider zum Schluss kommen, dass wir von westlichen Politikern und Medien nahezu ausschliesslich entweder unbelegte Unterstellungen und Anschuldigungen, tendenziöse Behauptungen, gezielt einseitige Darstellungen oder eben gar handfeste Lügen serveriert bekommen. Sie haben hierzu einige Einzelfälle genannt, aber das ist noch nicht mal die Spitze des Eisberges. Für die deutschen Medien wird dies täglich protokolliert auf

    propagandaschau.wordpress.com

    Ich würde mich über Ihre Rückmeldung freuen. Falls Sie bei Putin und auf RT keine Lügen finden, müsste die Einleitung zu Ihrem Artikel richtigerweise heissen: «es gibt jedoch Anlass, daran zu zweifeln."

    Mit anderen Worten: Selbst die Behauptung, der Putin lüge, ist meines Wissens eine Lüge. Die westlichen Politiker und Medien, inklusive den Schweizer Medien, bleiben sich also in ihrer eigenen Lügerei treu. Aus meiner Sicht ist dies eine Schande, spezielll für die Schweiz.

  • am 8.09.2014 um 18:21 Uhr
    Permalink

    @Roelli: da wird Herr Müller wohl kaum was finden, bin gespannt…

  • am 10.09.2014 um 08:53 Uhr
    Permalink

    Hallo,
    nach lesen einiger Beiträge zum Thema Russland möchte ich dem Betreiber dieser
    Seite nur kurz mitteilen, dass die hier aktiven Personen in höchstem Maße dankbar sein können, für die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit, welche ein hohes Gut ist.
    Diese Seite in Russland, mit der selben kritischen Ausseinandersetzung im Bezug auf die russischen Staatsmedien wäre nach wenigen Stunden entfernt und die Straflager hätten ein paar helfende Hände mehr.
    Wenn ich die Berichte zum Thema Russland im Umgang mit seinem Nachbarn Ukraine anschaue, möchte ich doch gerne Herrn Putin zum Friedensnobelpreis vorschlagen.

  • am 13.09.2014 um 00:11 Uhr
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    Kriegsrethorik, das sollte bei der Lektüre der jeweiligen Nachrichten als Filter dienen. Beide Seiten nutzen dies um Mehrheiten und Unterstützung in der Bevölkerung zu gewinnen.
    Hingegen ist das oben verlinkte Video tendenziös und schlussendlich auch eine reine Werbebotschaft für das ominöse BüSo (Bürgerrechtsbewebung Solidarität) in Deutschland. «(Deutschland) raus aus der EU, raus aus der NATO …» tönt nicht gerade nach sachlicher Information und benutzt damit das gleiche Instrumentarium. Der Link sollte entfernt werden – ist des infosperber nicht würdig.

  • am 14.09.2014 um 14:18 Uhr
    Permalink

    Die Challenge bezüglich «Putins Lügen» habe ich offenbar gewonnen.

    Fazit: Es gibt immer Anlass, zu zweifeln. Ganz besonders, wenn das «Imperium der Lügen» sagt, jemand lüge. Der psychologische Trick ist dieser: Jemand klaut Ihr Portmonnaie und schreit gleichzeitig, dass *Sie* *ihm* das Portmonnaie geklaut hätten! Während Sie sich verteidigen müssen, ist er schon lange weg, und der Zuschauer völlig verwirrt. Und so steht denn jetzt auch nicht die russische Armee in der Ukraine, wohl aber die amerikanische (im Rahmen der NATO-Manöver). Vor einem halben Jahr wäre sowas noch eine «Invasion» gewesen…

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