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Den Händedruck fürs Fotoalbum kennt er schon: Xi Jinping mit US-Verteidigungsminister Leon Panetta. © Secretary of Defense/flickr/cc

Parteitag in Peking (I): Vom Stall an die Spitze

Peter G. Achten /  China sucht nach drei Reform-Jahrzehnten ein neues Erfolgsmodell. Xi Jinping soll die Volksrepublik in die Zukunft führen.

Der Kongress der allmächtigen Kommunistischen Partei (KP) findet alle fünf Jahre statt. Und neuerdings wird alle zehn Jahre die gesamte Führung ausgewechselt. Für China, aber auch für die Welt, wird der am 8. November in Peking beginnende Parteitag von einiger Bedeutung sein.

Chinas Wachstum ist nicht mehr das, was es einmal war. Noch vor zwei Jahren notierten die Genossen Statistiker eine Vergrösserung des Brutto-Inlandprodukts von 10,3%, nachdem es ein Jahr zuvor mitten in der westlichen Finanz- und Wirtschaftskrise noch mehr als elf Prozentpunkte waren. Im vergangenen Jahr allerdings knickte das BIP-Wachstum auf 9,3% ein und jetzt, wenn nicht alles täuscht, wird es für China gerade noch für magere 7,5 oder 7,8% reichen.

Keine Panik wegen gebremstem Wachstum

Das ist wenig verglichen mit den zeitweise zweistelligen Raten und der Durchschnittsrate von jährlichen 9,5% in den vergangenen 33 Reformjahren. Chinas Wirtschaft steuert kurz vor einem entscheidenden Parteitag auf das schwächste Jahr seit langem zu. In westlichen Medien – vor allem bei jenen, die sich seit Jahrzehnten von hochbezahlten Experten den Zusammenbruch des Reiches voraussagen lassen – wird das mit Stirnrunzeln registriert und kommentiert. In China selbst nimmt man es viel gelassener. Schon am Nationalen Volkskongress im vergangenen März setzte Premierminister Wen Jiabao eine Wachstumsrate von 7,5 % als Ziel, «weiche Landung» eingeschlossen. Pekings Führung weiss, dass sich China neuen ökonomischen und – womöglich weniger enthusiastisch – politischen Realitäten anpassen muss.

Das Reich der Mitte steht vor wichtigen strategischen Entscheidungen. Die Einsicht hat sich durchgesetzt, dass «nachhaltiges», umweltfreundliches, Ressourcen schonendes und sozialverträgliches Wachstum der Weg der Zukunft sein muss. Bislang galt Wachstum um jeden Preis, komme was wolle. Die Führung der Partei arbeitet deshalb seit längerer Zeit an einem neuen Entwicklungsmodell – allerdings, intransparent und abgeschottet von der Öffentlichkeit.

Wichtigste Entscheidungen im kleinen Kreis

Trotz «Reform und Öffnung», wie das im Parteijargon heisst, hat sich eines seit Jahrzehnten nicht um ein Jota bewegt: Die wichtigen Entscheidungen werden nach wie vor und ausschliesslich «en petit Comité» gefasst. Das ist vor allem das 300-köpfige Zentralkomitee, das 24-köpfige Politbüro und die entscheidende Intanz der Partei und Chinas, der sieben-bis neunköpfige Ständige Ausschuss des Politbüros. Nach dem Rücktritt von Partei-, Staats- und Militärchef Hu Jintao und Premier Wen Jiaobao wird zum ersten Mal seit zehn Jahren eine «jüngere Generation» an die Macht kommen. Die neue Nummer 1 wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Xi Jinping.

Der 59-Jährige gehört auch der sogenannten «Prinzchen»-Fraktion an, er ist der Sohn eines ehemaligen hochrangigen Kaders. Xi allerdings hatte es nicht einfach in seiner Jugend. Da sein Vater während einer Mao-Kampagne «gesäubert» worden war, wurde Jung-Xi «aufs Land hinunter geschickt», wo er beim Schweinestall säubern von den «bäuerlichen Massen» lernen musste. Er studierte Chemie an der Tsinghau-Universität in Peking, promovierte später auch als Jurist und belegte verschiedene Provinzposten, bevor er 2007 Parteichef von Shanghai wurde und sich dort mit dem Austrocknen des Korruptionssumpfes seine Meriten verdiente. Vor Jahren schon sagte Xi seinen Untergebenen: «Haltet eure Frauen, Kinder, Verwandten, Freunde und Angestellten im Zaun, seid bedacht, eure Macht nicht für persönliche Vorteile zu missbrauchen.»

660’000 Kader wegen Korruption bestraft

Das sind Qualitäten, die heute – nach dem Fall des korrupten und machtbesessenen Bo Xilai, Parteichef von Chongjing und Politbüro-Mitglied mit noch höheren Ambitionen, besonders gefragt sind. «Keiner steht über dem Gesetz», liess sich vollmundig die amtliche Nachrichten-Agentur Xinhau zum Fall Bo Xilai vernehmen. In den letzten fünf Jahren allein, meldete sich He Guoqiang, zuständig für Parteidisziplin, seien 660’000 Kader der 82 Millionen starken Partei wegen Korruption bestraft worden, neben Bo Xilai auch Eisenbahnminister Liu Zhijun und der Bürgermeister der 12-Millionen-Metropole Shenzhen, Xu Zhongheng.

An die Adresse der Parteimitglieder, vor allem aber an das immer aufmüpfigere Volk gerichtet, sagte Korruptionsvorkämper He Guoqiang aber auch: «Die Partei und Regierung von Korruption zu säubern, das ist in der Tat eine langfristige Aufgabe.» Der ehemalige Parteichef Jiang Zemin nannte Korruption das «Krebsübel der Partei», und Nachfolger Hu Jintao sah in Korruption eine grosse Gefahr für die Erhaltung des Machtanspruchs der Partei.

Wohl nie volle Aufklärung im Fall Bo Xilai

Nach Ansicht ausländischer Beobachter wird der Antikorruptionskampf torzt Lippenbekenntnissen ohne grosse Wirkung bleiben, solange es keine wirklich unabhängige Anti-Korruptions-Behörde gibt. Und die wird es unter dem von der KP beanspruchten Machtmonopol nicht so schnell geben. Politische Abrechnungen und Machtkämpfe sind nicht selten. Die ganze Wahrheit über Bo Xilai wird wohl nie ans Tageslicht kommen.

Heute ist Xi Jinping, der Kronprinz sozusagen, Vize-Staatspräsident und Mitglied des Ständigen Politbüros. Von Kadern in der Parteihochschule wird er als offen und liberal-konservativ eingeschätzt. Wie viele hohe Kader vor ihm hat Xi eine Tochter, die an der Harvard-Universität in den USA studiert. Im übrigen ist Xi Jinpings Frau bei Volk sehr viel bekannter. Sie ist als Volkssängern Peng Liyuan in ganz China berühmt und bliebt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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Chinas Innenpolitik

Hohe Wachstumszahlen; riesige Devisenreserven; sozialer Konfliktstoff; Umweltzerstörung; Herrschaft einer Partei

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