Kommentar

Umdenken bei der Medienförderung

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. Der Jurist Peter Studer war Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» und des Schweizer Fernsehens. Später präsidierte er ©

Peter Studer /  Die Eidgenössische Medienkommission (EMEK) schlägt neue Massnahmen zur Medienförderung vor. Dagegen wehren sich die Verleger.

Kaum war der 22 Seiten starke, von Professor Otfried Jarren verantwortete Bericht der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK) über Stand und Zukunft der «überwiegend werbefinanzierten Zeitung» erschienen, heulte ein Chor kritischer Verleger los. Einmal mehr wurde das Mantra vom «bösen Staatseinfluss» bei der Medienförderung beschworen.

Die EMEK hielt fest, die Zeitungen steckten in einem «unumkehrbaren Transformationsprozess». Aus «demokratiepolitischen Überlegungen» müsse dieser Prozess «unterstützend begleitet» werden. Denn das Publikum benötige «publizistische Massenmedien» – mit informierenden wie auch kommentierenden Berichten, nach beruflichen Standards von Journalisten hergestellt – für seine Willensbildung und Entscheidung. Inhaltlich sei «Aktualitätsbezug mit Relevanzorientierung» gefragt. Die Redaktionen stellten mit beträchtlichem Aufwand «Vertrauensgüter» her. Die aktuelle Presseförderung «indirekter» Natur – mit Posttaxenverbilligung, Mehrwertsteuerreduktion und etwas Ausbildungshilfe – «berücksichtigt dieses Bedürfnis zu wenig», zumal die Anzeigenerlöse – und bei schwach redigierten Blättern auch die Leserzahlen – einbrechen.
Unter «direkten» Fördermassnahmen empfiehlt die EMEK die teilweise Finanzierung «der Weiterentwicklung von Qualitätsmedien und Qualitätsjournalismus», zum Beispiel Startup-Projekte im Internet, Beiträge für den Einsatz von Sonderkorrespondenten, Einrichtung eines Fonds für gattungsunabhängige Recherchen.
Aber wie finanzieren, ohne die Staatsunabhängigkeit zu gefährden? Hier schwebt der EMEK eine Stiftung Medienförderung Schweiz vor; Modelle hierzulande sind vorhanden: die öffentlichrechtliche, staatsfinanzierte Stiftung Pro Helvetia (Kultur) oder die privatrechtliche Stiftung des Schweizer Nationalfonds (Wissenschaft). Beide berufen sich ebenfalls auf Staatsunabhängigkeit.
Gemäss Duden steht «Mantra» (aus dem Sanskrit) für einen als wirkungskräftig geltenden religiösen Spruch. In der Tat wird das Gespenst der Staatsunterjochung des Journalismus durch eine solche Stiftung von den Verlegern mit religiöser Inbrunst beschworen. «… schnell erledigte [Vorschläge]. Sowohl die Verleger wie auch alle Parteien in Bern, mit Ausnahme der Grünen und der SP, sind gegen direkte Presseförderung…ein veritabler Rohrkrepierer» (Andrea Masüger, Somedia – vormals Südostschweiz Medien).
«Wer fördert, fordert [Gegenleistung]», befürchtet Veit Dengler (CEO der NZZ-Mediengruppe). Würde das aber nicht auch für Aspekte der indirekten Presseförderung gelten? Dengler argumentiert weiter: Alle müssten die Herausforderung der [vom Internet ausgelösten Transformationskrise] aus eigener Kraft bewältigen. «Warum sollten gerade journalistische Medien in diesem Prozess staatlich gefördert werden? Warum nicht die Buchbinder, Strassenmusikanten, Reisebüros?» Wegen der eingangs erwähnten Rolle der Medien in der politischen und gesellschaftlichen Debatte eben. Herr Dengler ist erst kürzlich aus Österreich an die Spitze der staatstragenden Qualitätsgruppe NZZ gelangt. Wohl deshalb ist ihm die Begründung der «gewährleisteten» Medienfreiheit (Art. 17 BV) noch nicht so ans Herz gewachsen. Es ist genau die politisch-gesellschaftliche Funktion, die Journalisten/Redaktionen schützt und Zensur verbietet – anders als bei Buchbindern und Reisebüros, die sich mit der Wirtschaftsfreiheit begnügen müssen (Art. 27 BV).
In der «NZZ am Sonntag» wurde auch noch die alte Reminiszenz gegen Pro Helvetia aufpoliert: Die Bundesparlamentarier hätten die Kulturstiftung mit Budgetkürzung abgestraft, nachdem sie 2004 in einer Ausstellung von Thomas Hirschhorn eine Pinkelandeutung auf ein Blocher-Bild zugelassen habe. Das ist verjährt, seit 2004 nie mehr vorgekommen und beim vierjährlichen Finanzierungsturnus laut Kulturförderungsgesetz (2009) auch kaum mehr möglich.
Keiner der Warner vor staatlicher Mediendiktatur hat sich weiter umgeschaut. Die EMEK unterliess es leider, die Verleger daraufzustossen. Professor Manuel Puppis – Spezialgebiet Medienförderung und Selbstregulierung – hat mit ausführlichen Beschreibungen dargetan, dass viele westliche Länder direkte Förderungsmassnahmen kennen («Lebenshilfe für die Presse», «NZZ» vom 30.7.2013). Gängelung durch den Staat? Mitnichten. Die skandinavischen Staaten erscheinen in den sorgfältigst erstellten Ranglisten der Pressefreiheit regelmässig an der Spitze der Tabelle («Freedom of the Press» 2014).
Ohne hier diese vielen Modelle aufzählen zu wollen – das Mantra sollte endlich ausgedient haben.

Dieser Artikel ist erschienen auf www.medienspiegel.ch


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Jurist Peter Studer war Chefredaktor des «Tages-Anzeigers» und des Schweizer Fernsehens. Später präsidierte er den Schweizer Presserat. Er schreibt über Medienrecht und Medienethik.

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Eine Meinung zu

  • am 22.10.2014 um 13:43 Uhr
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    Es ist löblich, dass sich die Eidgenössische Medienkommission mit solchen Fragen auseinandersetzt. Keine Frage, dass echte Demokratien, die Medien brauchen – sofern sie unabhängig sind und einen Qualitätsjournalismus liefern.

    In den meisten Fällen scheint mir, sind diese Attribute nicht mehr gewährleistet. Was dann zur Frage führt, warum ich mir ein nicht billiges Jahres-Abonnement einer Tageszeitung leisten soll. Leider sind viele Medien einschließlich TV austauschbar.

    Wie richtig bemerkt, lehnen sich die Verleger momentan auf. Aber wenn der «Zahltag» kommt, dann sind sie vermutlich dabei. Ob aber dann automatisch Unabhängigkeit und Qualitätsjournalismus entstehen, wage ich zu bezweifeln. Unabhängigkeit und Qualitätsjournalismus sind für ein demokratische Gesellschaft systemrelevant – das ist der eine Punkt.

    Für eine Mediengruppe, die eine großen Teil des Medienmarktes beherrscht, besteht die Systemrelevanz lediglich für die Gruppe, weniger für die Gesellschaft. Daher ist nicht unbedingt einzusehen, dass ihre Finanzprobleme mit Steuergeldern «sozialisiert» werden sollen. Die Grundidee, Ausbildung und Start-ups staatlich zu fördern, hat etwas Vernünftiges an sich, aber damit sind am Ende Unabhängigkeit und Qualitätsjournalismus noch nicht gewährleistet. Nicht zu vergessen: Der Verleger, der Chefedaktor und die Inserenten haben das Sagen, von Staat und Lobbyisten ganz zu schweigen.

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