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Auch nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse kehrt keine Ruhe ein: wegen des Mosambik-Skandals. © SRF

Die CS-Verantwortlichen kommen noch immer nicht an die Kasse

Thomas Kesselring /  Die Bundesanwaltschaft klagt eine weitere Angestellte der ehemaligen CS im Kasus Mosambik an. Zum Hintergrund des Skandals.

Die Geschichte ist inzwischen bekannt: Die Credit Suisse hat mit der Vergabe von Milliardenkrediten an eine libanesische Schiffbaufirma namens «Privinvest» auf Kosten von Mosambik dabei mitgewirkt, das afrikanische Land in die Insolvenz zu treiben. Soziale Unruhen sind die direkte Folge des Skandals. Die Filmemacher Simon Helbling und Arthur Rutishauser («Game Over – Der Fall der Credit Suisse») betonen, dass der von der CS mit diesem Geschäft angerichtete Schaden objektiv der grösste und gravierendste sei, den die Bank in ihrer Geschichte je verursacht habe.

Nachdem 2010 vor der mosambikanischen Küste ein riesiges Gasvorkommen entdeckt worden war, wollte die Schiffbaufirma dem Land ein Küstenschutzprojekt und nebenbei auch eine Thunfischfangflotte andrehen (die Flotte existiert tatsächlich, ist aber nicht hochseetauglich und verrostet im Hafen von Maputo). Das Geschäft war garniert mit ziemlich viel Korruption: 200 Millionen Dollar wurden an Schmiergeldern bezahlt. Das Parlament, das das Geschäft hätte bewilligen müssen, wurde umgangen, die Staatsgarantie des Wirtschaftsministers war verfassungswidrig, und der IWF, der vertragsgemäss hätte informiert werden müssen, wurde belogen.

Als die Angelegenheit im April 2016 aufflog, stoppten der IWF und die Geberländer ihre Budgethilfe an Mosambik. Das Land schlitterte in die Zahlungsunfähigkeit und geschätzte ein bis zwei Millionen Menschen fielen unter die Grenze zur absoluten Armut.

Im Jahr 2019 machte ein New Yorker Gericht im Auftrag des amerikanischen Department of Justice (DoJ) drei ehemaligen Bankern der CS London den Prozess. Es handelt sich um einen Neuseeländer, eine Bulgarin und einen indischstämmigen Engländer. Es wurden also keine Personen mit Schweizer Pass «behelligt». Jedenfalls bisher.

Oder vielleicht doch? Die Bundesanwaltschaft erhob nun Anklage gegen eine Mitarbeiterin der einstigen CS. Der Grund: unterlassene Meldung einer verdächtigen Zahlung an die Geldwäscherei-Aufsicht (MROS). Die Zahlung stand im Kontext des Mosambik-Skandals. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt soll eine Mitarbeiterin der CS aus dem gleichen Grund angeklagt, inzwischen aber wieder freigesprochen worden sein.

An die Kasse kommt jetzt also tröpfchenweise das ausführende Personal aus den unteren Bank-Etagen, kommen aber nicht die Vorgesetzten, die wirklich Verantwortlichen …

Die Chefs haben immer ihre Unschuld beteuert: «Wir haben es nicht gewusst!»

Im Dezember 2016 publizierte der «Rat Kontrapunkt» einen offenen Brief an die CS-Chefetage zum Mosambik-Geschäft. Die Fragen wurden nie beantwortet. Im April 2017 besuchte ich deshalb die CS-Generalversammlung und stellte weitere Fragen. Verwaltungsratspräsident Urs Rohner antwortete ausweichend, machte aber nicht den Eindruck, dass er die Tragweite des Skandals erfasst hätte. Ich stellte Fragen, dann ein zweites und ein drittes Mal.

Nachdem im Dezember 2018 die drei erwähnten CS-Banker angeklagt worden waren, konnte man auf der Chefetage nicht mehr länger leugnen, dass da ein Problem existierte. Bei meinem vierten Anlauf (an der Generalversammlung im April 2019), erinnerte ich Herrn Rohner an seine früheren Antworten und fragte, wieso er sich dem Problem nicht gestellt habe. Die Antworten des obersten CS-Chefs Rohner und seines Chefjuristen Cerutti lauteten übereinstimmend – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: «Wir haben es nicht gewusst!». Begründung (sinngemäss): «Wir haben es erst durch die Anklageschrift aus den USA erfahren.» Das «Dealteam» (das heisst: die drei angeklagten Bankangestellten) habe das Geschäft nämlich auf privaten Computern eingefädelt.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn es gilt nur für den so genannten. «Ematum-Kredit» (von insgesamt 850 Millionen Dollar) vom Sommer 2013. Die gleiche Gruppe (mindestens der Haupttäter) war schon vorher (ab Februar 2013) federführend bei der Vergabe des so genannten «Pro-Indicus»-Kredits von über 300 Millionen Dollar an denselben libanesischen Schiffbauer und zulasten des Staates Mosambik. Dieser Kredit wurde bereits kurz darauf auch noch massiv aufgestockt, und zwar nicht über private Computer. Ein libanesischer Mitarbeiter der CS London, der über die Gepflogenheiten der Schiffbaufirma informiert war, hatte schon vor der Schnürung des ersten Kredits vor dem Deal gewarnt und seine Warnungen mit Presseberichten unterlegt: Der Gründer und Chef der Schiffbaufirma, Iskandar Safa, sei nicht vertrauenswürdig. Als dieser Mitarbeiter nicht einknickte, musste er die Bank «wegen einer internen Umstrukturierung» verlassen (so die Formulierung in der CS-Verteidigungsschrift gegen die Klage des Staates Mosambik).

Abgesehen davon: Das Personal auf der Chefetage hätte von Anfang an wissen müssen, dass Kredite in dieser Grössenordnung dem IWF gegenüber meldepflichtig waren und vom Landesparlament hätten bewilligt werden müssen – all das war aber schon bei der ersten Kreditvergabe nicht geschehen.

Last but not least wurde im März 2016 der Ematum-Kredit umgeschuldet, weil Mosambik für die Rückzahlung eine Fristverlängerung benötigte. Die Credit Suisse war an dieser Umschuldung notabene beteiligt. Der IWF war in dieser Angelegenheit schon mindestens neun Monate zuvor nervös geworden.

Im März 2025 schickte das eidgenössische Finanzdepartement an Lara Warner, Mitglied im CS-Aufsichtsrat und Compliance-Chefin, einen Busszettel von 100’000 Franken (ein Klacks im Vergleich zum Gehalt, das Frau Warner bei der CS bezogen hatte). Ihr wurde angelastet, eine Überweisung von 7,86 Millionen Dollar auf ein CS-Konto auf den Namen der Firma Palomar Advisors, die damals in Zürich ansässig war, vor der Geldwäscherei-Aufsicht verschwiegen zu haben. Der Chef der Firma war derselbe Andrew Pearse, der zuvor als Investmentbanker bei der CS in London gewirkt hatte, und zwar als Haupttäter beim Mosambik-Schlamassel. Nachdem die ersten 500 Millionen des Ematum-Kredits ausbezahlt waren (im Sommer 2013), verliess er die CS und gründete in einer romantischen Altstadtvilla in Zürich die Firma Palomar Advisors – als Zweigstelle des libanesischen Schiffbauunternehmens Privinvest, die für diese Firma die Finanztransfers zum Mosambik-Geschäft abwickeln sollte. Diese Zahlung stand also eindeutig im Kontext des Skandals. Lara Warner hatte aber keine Warnung abgesetzt, und natürlich ging sie gegen die Busse in Berufung. Sie fühlt sich unschuldig.

Davon, dass die Verantwortlichen in der CS-Chefetage jemals zur Rechenschaft gezogen werden könnten, hört man immer noch: rein gar nichts!

Folgen für die Bevölkerung Mosambiks

Auch bei der Schiffbaufirma gibt es Verantwortliche (der Gründer und langzeitige Chef, Iskandar Safa, verstarb im Januar 2023). Der Chef-Verkäufer Jean Boustani wurde im Dezember 2018 zusammen mit dem «Deal-Team» von einem New Yorker Gericht angeklagt. Nach einem sechswöchigen Prozess entschieden aber die Geschworenen, das amerikanische Gericht sei für den Fall Boustani nicht zuständig …

In Mosambik gibt es ebenfalls Verantwortliche. Dort wurden manche verurteilt, zum Beispiel der Sohn des damaligen Präsidenten Guebuza. Es heisst, er sitze in einem Nobelgefängnis eine mehrjährige Haftstrafe ab oder pendle zwischen seinem Domizil und dem Gefängnis. Nicht angetastet wurde dagegen der nächste Präsident, Filipe Nyusi, der zur Zeit des Skandals als Verteidigungsminister ziemlich im Zentrum des Geschehens gestanden und ausserdem für seine Wahlkampagne vom libanesischen Schiffbauer siebenstellige Summen bezogen hatte. Nach eigener Aussage will er aber nie etwas gewusst haben.

Die Umstände dieses Skandals und seine drastischen Folgen für die 31 Millionen Bürgerinnen und Bürger des afrikanischen Landes brachten wachsende Teile der Bevölkerung gegen die Regierungspartei (Frelimo) auf. Nach den letzten Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober 2024, als mit Daniel Chapo wieder ein Frelimo-Kandidat Präsident wurde, kam es zum Eklat: Während Monaten fanden in mehreren Städten veritable Strassenschlachten statt. Ein Teil der aufgebrachten Regierungsgegner degenerierte – aufgepeitscht vom unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Venâncio Mondlane – zum Mob und demolierte öffentliche Gebäude, auch Schulen und medizinische Einrichtungen. Selbst eines der grössten Medikamentenlager wurde in Brand gesetzt. Die Polizei erschoss Hunderte Zivilisten, auch Frauen und Kinder. Die Lage beruhigte sich erst Ende März 2025, aber in der Bevölkerung gärt es weiter.

Im rohstoffreichen Norden des Landes treiben seit acht Jahren islamistische Freischärler ihr Unwesen und versetzen die örtliche Zivilbevölkerung immer wieder in Angst und Schrecken. Es ist eine Art Krieg auf kleiner Flamme, durch den sich aber die Vorbereitungen für die Förderung des 2010 vor der Küste gefundenen Gases immer weiter verzögern. Das bedeutet, dass sich das erhoffte Milliardengeschäft, von dem die Mosambikaner seit 15 Jahren träumen, immer weiter verschiebt.

Wie geht es mit dem «Ematum»-Kredit weiter?

Wie erwähnt, ist «Ematum» der eigentliche Skandalkredit der CS – derselbe, den Andrew Pearse und seine Getreuen in der CS London auf ihren privaten Laptops auf den Weg gebracht haben. Zu diesem Kredit gibt es immer noch ein ungelöstes Rätsel, von dem aber niemand spricht:

Dieser Kredit betrug ursprünglich 850 Millionen Dollar (das «Dealteam» der CS hatte 500 Millionen organisiert, die russische Staatsbank VTB die restlichen 350 Millionen). Die Kreditsumme war durch Verkauf von Eurobonds aufgebracht worden. Kreditgeber waren also nicht die CS und nicht die VTB, sondern private Investoren, amerikanische Pensionsfonds, diverse Banken und Kleinsparer.

Wegen Zahlungsausfällen wurde der Kredit mehrfach umstrukturiert. 2018 betrug er, nach einigen Teilrückzahlungen, noch 727 Millionen. Wegen der notorischen Zahlungsunfähigkeit Mosambiks wurde er nochmals umstrukturiert und dabei auf 900 Millionen Dollar erhöht. Diese 900 Millionen Dollar stehen trotz des Deals zwischen der UBS und Mosambik auch heute noch zu 100 Prozent in den Schuldbüchern des Landes. Mosambik zahlt dafür jedes Jahr 5 Prozent Zinsen, also 45 Millionen Dollar. Ab dem nächsten Jahr werden es 9 Prozent sein, also 81 Millionen. Der Kredit selbst soll zwischen 2028 und 2031 mittels acht halbjährlicher Teilzahlungen von je 112,5 Millionen amortisiert werden.

Das grosse ungelöste Rätsel lautet: Wie und wann soll dieses krisengeschüttelte Land, das zu den ärmsten der Welt gehört und über dem jährlich ein oder zwei Hurrikane massive Verwüstungen anrichten, diesen Kredit zurückzahlen?

Weiterführende Informationen


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Zum Infosperber-Dossier:

Flagge_Mosambik

Credit Suisse im Mosambik-Skandal

Mit einer russischen Bank hat die CS zwei Milliarden Kredit gesprochen – ohne geforderte Sorgfaltspflicht.

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