Hicham El Ghaoui

Der Walliser Allgemeinmediziner Hicham El Ghaoui engagiert sich für Hilfslieferungen per Schiff in den abgeriegelten Gaza-Streifen © RTS

Ein Walliser Hausarzt will mit Gaza-Hilfsaktion Druck machen

Pascal Derungs /  Eine Flotille aus Dutzenden Booten mit Nahrungsmitteln soll die Gaza-Blockade der israelischen Armee durchbrechen.

Aktivisten aus der ganzen Welt haben sich in Tunis getroffen, um das internationale Projekt einer humanitären Seebrücke zur Nahrungshilfe für Gaza zu organisieren. Helfer aus rund fünfzig Ländern sind in der «Global Sumud Flotilla» engagiert. Den Schweizer Beitrag hat der Walliser Hausarzt Hicham El Ghaoui initiiert und dafür eigens den Verein «Waves of Freedom – Swiss coordination»  gegründet. «Unser Ziel ist es, fünf Boote zu kaufen und Milchpulver zu den Säuglingen in Gaza zu transportieren», zitiert ihn die Zeitung «Le Journal du Jura» im Interview. Jedes Boot koste 60’000 Franken und ermögliche es, eine Tonne Lebensmittel nach Gaza zu transportieren.

In einer Pressemitteilung vom 4. August kündigen die Organisatoren an, dass mehr als 44 Länder beteiligt sind. Die ersten Boote sollen am 31. August von Spanien aus starten, weiter sollen am 4. September in Tunis und anderen Orten am Mittelmeer in See stechen. Die Boote sollen nicht nur Nahrungsmittel transportieren, sondern auch medizinisch und juristisch geschulte Hilfspersonen.

Die Flottille soll helfen und medienwirksam provozieren

Eine erste Flottille für Gaza, an der die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg teilgenommen hatte, war im vergangenen Juni von Israel gestoppt worden. Dem neuen Projekt droht das gleiche Schicksal. «Das Risiko, blockiert zu werden, ist beträchtlich,» räumt der Walliser Arzt Hicham El Ghaoui im Zeitungsinterview ein. Doch er hoffe auf mediale Präsenz und den Druck der Öffentlichkeit. «Ein Boot anzuhalten ist etwas, fünfzig anzuhalten ist etwas anderes.» Sie handelten in Übereinstimmung mit internationalen Gesetzen, während das Stoppen eines Bootes in internationalen Gewässern eine illegale Handlung sei, die der Piraterie ähnle, sagte der Arzt. Er hoffe auch auf eine offizielle Unterstützung des Bundes. «Es ist das Fehlen von Massnahmen, die uns zum Handeln antreibt“, schliesst Hicham El Ghaoui im Interview.

Sein ärztliches Gewissen ist El Ghaouis Antrieb

El Ghaoui praktiziert seit mehr als zehn Jahren als Hausarzt in Verbier. Als solcher hat er bereits an mehreren medizinisch-humanitären Missionen in Gaza teilgenommen. In einem Interview auf dem Videokanal der unabhängigen Medienorganisation «TheSwissBox Conversation» und in Sendungen des Westschweizer Fernsehens RTS berichtete er ausführlich über das brutale Vorgehen der israelischen Armee, seine erschütternden Erfahrungen und das Leiden der Zivilbevölkerung.

Ein erster Versuch mit dem Weltmarsch scheiterte

Im vergangenen Juni wollte er mit einer spektakulären Aktion die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die katastrophale Situation im palästinensischen Gebiet lenken. Er war einer der Hauptinitianten des Weltmarsches nach Gaza. Tausende Menschen aus aller Welt versammelten sich zu diesem Zweck in Ägypten. Am 15. Juni endete dieses Abenteuer mit der kurzzeitigen Verhaftung El Ghaouis in Kairo und seiner darauffolgenden Abschiebung in die Schweiz. Auf Druck Israels unterbanden die ägyptischen Sicherheitsbehörden den Marsch von mehreren Tausend Menschen zum Grenzübergang von Rafah.

Bei der Bilanz dieser Operation spricht Hicham El Ghaoui von einem relativen Misserfolg. «Der Marsch war eine Möglichkeit, das Schweigen zu brechen. 4’500 Menschen haben sich in vielen Ländern mobilisiert, das ist fantastisch. Das Ziel, die Blockade zu durchbrechen, wurde jedoch nicht erreicht.» Schon Ende August soll der neue Versuch über den Seeweg starten.

Der Druck auf Israel ermöglicht wieder humanitäre Hilfslieferungen

Seit Kurzem lässt Israel wieder Hilfsgüterlieferungen, wenn auch noch ungenügende, per Lastwagen nach Gaza passieren. Allerdings will Israel die Lieferungen nur über Privatunternehmen abwickeln lassen. Die Zuständige Behörde Cogat in Israel erklärte am 5. August das Ziel dieser Methode: «Die Menge der in den Gazastreifen gelangenden Hilfsgüter zu erhöhen und gleichzeitig die Abhängigkeit von Hilfslieferungen der Vereinten Nationen und internationaler Organisationen zu verringern». Die Bezahlung dieser Güter müsse «ausschliesslich per Banküberweisung unter Kontrolle und Aufsicht» erfolgen. Deutschland, Frankreich und andere Länder haben begonnen, Nahrungsmittel aus Flugzeugen über Gaza abzuwerfen.

Es ist fraglich, wie sinnvoll die private Initiative der Gaza-Flotille «Waves of Freedom» aktuell sein kann. Schliesslich birgt eine solche Aktion auch Risiken für die Teilnehmenden. Eine entsprechende Anfrage von Infosperber hat Hicham El Ghaoui bislang nicht beantwortet.


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