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AKW-Betreiber müssen das Risiko von Grossraumflugzeugen überprüfen © Klaus Brüheim

Atomaufsicht Ensi veröffentlicht «Vertrauliches»

Kurt Marti /  Auf Geheiss des Eidgenössischen Datenschützers stellte die Atomaufsicht Ensi mehrere «vertrauliche» AKW-Verfügungen online.

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) setzt gern auf Geheimhaltung und Vertraulichkeit, wenn es um Ensi-Dokumente geht. Doch neulich musste die Atomaufsicht auf Geheiss des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Datenschützer) einmal mehr zurückkrebsen. Ende September berichtete Infosperber über das Gesuch des AKW-Kritikers Peter Sager, der vom Ensi Einsicht in die Verfügungen an die AKW-Betreiber bezüglich des Risikos von Grossraumflugzeugen verlangte.

Ensi verlangt Simulations-Analysen

Weil das Ensi sich weigerte, die Verfügungen herauszurücken, gelangte Sager an den Datenschützer. Nach anfänglichen Obstruktionen des Ensi verlangte der Datenschützer unmissverständlich die Publikation der vier «vertraulichen» Verfügungen (siehe Infosperber: «Atomaufsicht Ensi perfektioniert die Geheimhaltung»). Jetzt hat das Ensi der Empfehlung des Datenschützers Folge geleistet und die Verfügungen online gestellt (siehe Link unten).

In den vier inhaltsgleichen Verfügungen verlangt das Ensi von den AKW-Betreibern eine Simulations-Analyse zum «gezielten Anflug von Flugzeugen auf Kernkraftwerke». Laut Verfügung des Ensi sind seit 2001 «neue Flugzeugtypen in Betrieb genommen worden und die Navigationstechnik in der zivilen Luftfahrt hat sich weiterentwickelt».

Bisherige Studien müssen überprüft werden

Das Ensi stützt sich dabei auf das Kernenergiegesetz (KEG), das die AKW-Betreiber verpflichtet, während der ganzen Lebensdauer der Atomkraftwerke «Nachprüfungen und systematische Sicherheits- und Sicherungsbewertungen durchzuführen» und die «Entwicklung von Wissenschaft und Technik» zu verfolgen. Deshalb erachtet es das Ensi «als notwendig», dass die AKW-Betreiber «anhand von Versuchen in Simulatoren, welche zur Ausbildung von Berufspiloten eingesetzt werden, die bisher angenommenen Grenzanfluggeschwindigkeiten für automatische sowie für pilotengesteuerte gezielte Anflüge von Grossraumflugzeugen erneut überprüfen».

Dabei sind laut Ensi folgende Aspekte zu behandeln:

  • Identifizierung relevanter Anflugrouten und damit verbundene Grenzanfluggeschwindigkeiten auf das Reaktorgebäude
  • Darlegung der Wahl der für die Simulation verwendeten Flugzeugtypen
  • Identifizierung baulicher Hindernisse, welche einen Einfluss auf die Kerosinverteilung und/oder auf die Reaktorgebäudetreffermöglichkeit haben

Am Schluss der Verfügung verlangt das Ensi von den AKW-Betreibern die Überprüfung der Aktualität der «hierzu bereits vorliegenden Studien zum vorsätzlichen Flugzeugabsturz». Falls notwendig, seien «die bisherigen Studien zu aktualisieren» und zu prüfen, ob «weitere Massnahmen zur Erhöhung des Schutzes angezeigt sind». Dabei handelt es sich vor allem um eine Studie aus dem Jahre 2003, die von der Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen (HSK, Ensi-Vorgängerin) stammt und die schon damals «nicht der aviatischen Realität» entsprach, wie der Atomkritiker und Flugexperte Max Tobler festhält (siehe Infosperber: «Schweizer AKW halten Flugzeugangriff nicht stand»).

Widerspruch zu früheren Verlautbarungen

Der Inhalt der Ensi-Verfügungen an die AKW-Betreiber ist höchst erstaunlich, insbesondere im Lichte früherer Ensi-Verlautbarungen:

  • Und im letzten Juni stellte das Ensi sogar fest, die Forderung nach einem Schutz vor Flugzeugabstürzen von grossen Zivilflugzeugen (B747, A380) gehe «weit über die gesetzlichen Anforderungen hinaus». In der Schweiz gelte nämlich «die Massgabe, dass der Nachweis des ausreichenden Schutzes gegen Flugzeugabsturz auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Baubewilligungsgesuchs im Einsatz befindlichen militärischen oder zivilen Flugzeugtyps zu führen» sei. Anfragen von Infosperber wimmelte das Ensi mit dem Verweis auf die Geheimhaltung ab (siehe Infosperber: «Schweizer AKW: Kein Schutz gegen neue Flugzeuge»).

Die AKW-Betreiber müssen die Simulations-Analysen bis Ende 2014 beim Ensi einreichen. Sie überprüfen sich also selbst beziehungsweise lassen sich in Eigenregie überprüfen. Auf ausdrücklichen Befehl des Ensi müssen sie die Analysen als «GEHEIM» klassifizieren. Informieren will das Ensi die Öffentlichkeit nicht vor Ende 2015, wie Ensi-Sprecher Sebastian Hueber gegenüber dem Beobachter erklärte. Die AKW-Betreiber dürfen mit gütiger Mithilfe des Ensi weiterhin auf Zeit spielen. Höchstes Misstrauen ist angebracht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Ensi

Atomaufsichtsbehörde Ensi

Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi entscheidet darüber, ob AKWs noch sicher genug sind.

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Eine Meinung zu

  • am 16.10.2014 um 22:28 Uhr
    Permalink

    Und ich dachte bis heute, wir hätten eine Armee und einen NDB der einen solchen GAU verhindern würde…..

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