Sperberauge

Todesanzeige greift Alt-Bundesrat an

Sperber Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine © Bénédicte Sambo

Red. /  Ein «restlos entnervter» BR Kaspar Villiger habe den Verstorbenen aus dem Amt gejagt, klagen Hinterbliebene.

Die Todesanzeige erschien am 11. Juli 2016 in der NZZ, dem Tages-Anzeiger, dem Berner Bund und möglicherweise in andern Zeitungen. Verstorben ist Hans-Rudolf Walter Strasser, ausgebildeter Jurist und PR-Berater. Er arbeitete mit Decknamen «Franz» in der Widerstands-Organisation des Eidgenössischen Militärdepartements EMD und war Stabsmitglied der streng geheimen Nachfolgeorganisation «P-26».
Dies bis zum 11. Dezember 1990, als «Franz» «verraten und durch Radio DRS enttarnt wurde», heisst es in der Todesanzeige. Und weiter: «Sein Departementschef, der ohnehin durch die Fichenpsychose im Parlament restlos entnervte Bundesrat Kaspar Villiger, jagte ihn unverzüglich aus dem Amt.»
Die Todesanzeige ist unterschrieben von Heinrich Eichenberger von der «Ehemaligenvereinigung der Kader-Organisation für den Widerstand im feindbesetzten Gebiet» und von Felix Werner Nöthiger des «Musée Résistance suisse in der Führungsanlage des Projektes-26 ‹Schweizerhof› in Gstaad».

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29 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.07.2016 um 12:45 Uhr
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    Weit davon entfernt, den Leuten von P 26 einen Heldenstatus einzuräumen, einzelne von ihnen waren mir persönlich bekannt und ich wusste, das so etwas Ähnliches gab, so glaube ich doch anerkennen zu müssen, dass diese Sorte Abwehr zu allen Zeiten, zumal zur Zeit des 2. Weltkrieges und des Kalten Krieges, nicht grundsätzlich falsch war. Vielleicht mehr wert als ganze Bataillone einschliesslich Kampfflugzeuge. Vor allem häten sie es verdient, von der oberen Führung wenn nicht verteidigt, so doch in die geteilte Verantwortung aufgenommen zu werden. Trotzdem war es unfair, in der Todesanzeige den Namen Kaspar Villiger zu nennen. Die Todesanzeige wäre ohne Namensnennung glaubwürdiger geblieben, man hätte trotzdem gewusst, um wen es geht. Sofern Landesverteidigung noch einen Sinn macht, wird es immer, wie bei der Terrorbekämpfung, Kräfte geben, die nicht voll transparent arbeiten können, für das Land lediglich eine Art Hinterhand darstellen. Eine absolute Garantie, dass Geheimkräfte ihr Amt nicht missbrauchen, gibt es aber nie. Volle Unschuld und Militär ist nicht möglich.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.07.2016 um 14:36 Uhr
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    Korr., Zeile 2: Ich wusste, dass es so etwas Ähnliches gab.

  • am 11.07.2016 um 16:32 Uhr
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    Die P-26 war eine stümperhafte Geheimarmee, die allen den Krieg erklärte, die politisch links der Mitte standen: links-Liberale, SPler. Die P-26 stand u.a. im Zentrum der Fichenaffäre. Von vielen aus meiner Generation wurden Dossier angelegt. Oft verloren sie deswegen ihre Arbeitsstelle. Ich raufe mir die Haare, wenn ich nur daran denke, es hätte wirklich Krieg gegeben. Dieser erbärmliche Haufen hat kaum etwas zur Sicherheit unseres Landes beigetragen. Wie saublöd sich die Drahtzieher der P-26 anstellten, kam z.B. in der Affäre Bachmann/Schilling an den Tag: Der «Geheimdienst"-Hauptmann Schilling wurde auf einem Misthaufen nahe der der Stadt St.Pölten festgesetzt. Zuvor hatte er ein Manöver des österreichischen Bundesheeres ausspioniert. Beim Grenzübertritt verhielt er sich bereits so auffällig, dass die dortige Polizei auf ihn aufmerksam wurde. (Hinweis: Die Geheimdienste – es gab mehrere – waren eng mit der P-26 verbandelt. Hohe Offiziere, Wirtschaftsführer, aber auch zahlreiche Underdogs = Handlanger waren Teil der P-26.) Einer der übelsten Zeitgenossen von damals: Ernst Cincera, Top-Zuträger der P-26. Dank des Einbruchs von Freunden in das Cincera-Archiv bin ich frühzeitig, lange bevor die P-26 aufflog, über meine Ficheneinträge informiert worden. Eine idiotische Zusammenstellung von Aktivitäten und Lebensdaten, was mir erlaubte, Massnahmen dagegen zu ergreifen. Ich weihte meinen Arbeitgeber, einen Oberst, ein. Er stellte sich vor mich. Für ihn war Cincera ein Gräuel.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.07.2016 um 16:43 Uhr
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    @Hertig. Die Sache ist um einiges komplizierter. Kurz nach der Wahl von Kaspar Villiger in den Bundesrat, im März 1989, kam bei Radio DRS eine sehr kritische Sendung über die Familiengeschichte der Villiger, bei der allerdings kaum berücksichtigt wurde, dass eine von einem Pensionierten verfasste Betriebsgeschichte nicht mit einer historisch-kritischen «Bergier"-Aufarbeitung (kam später) zu verwechseln ist.

    Sicher scheint, dass Villiger sich wegen seiner nicht ganz grundlos angreifbaren Familiengeschichte wohl unter Druck gesetzt fühlte und in Äusserungen über diese Zeit so wenig wie möglich in eine noch grössere Umstrittenheit hineingeraten wollte. Was er im Berner Münster sagte, war kein Kniefall, sondern mehr oder weniger das, was damals als korrekt verlangt wurde und wohl die Meinung des Bundesrates war. Es ist durchaus mit dem Verhalten von Bundespräsident Weizsäcker vergleichbar. Die Weizsäcker haben 70 Jahre lang immer das gesagt, was sie zur jeweiligen Zeit am wenigsten angreifbar machte, wobei sie zu jeder Zeit Vorsicht walten liessen, so, dass es am Ende der Karriere nicht noch schadet. Dabei würde ich jedoch aus dieser Familie Carl Friedrich von Weizsäcker als einen sehr hoch bedeutenden Mann einschätzen, übrigens verheiratet mit einer Enkelin von General Wille. Sie erzählte mir Interessantes über ihren Meinungsaustausch mit Niklaus Meienberg.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 11.07.2016 um 18:40 Uhr
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    @Beutler. Cincera kannte ich sehr gut, er war wie wenige zum Beispiel über die Zürcher Freisinnigen im Bild, hielt mich mit guten Informationen davon ab, einen Artikel zur Verteidigung von H.W. Kopp zu schreiben, wofür ich ihm immer noch dankbar bin. Die blamable Geschichte mit dem Spionieren Oesterreich-Schweiz wäre indes eher Gegenstand einer Filmkomödie. Was indes Cincera betraf, so arbeitete er ähnlich wie die Verfasser des Feindlexikons von den Unheimlichen Patrioten, die dann immerhin zum Teil in den Medien Karriere gemacht haben. Unter diesen ist unterdessen aber, wie ich finde, Jürg Frischknecht seinerseits einen Weg gegangen, mit dem er beu mir als Publizist unterdessen Achtung erworben hat. Man muss diese Geschichte aus der damaligen Zeit her begreifen. Selbstverständlich gab es zur damaligen Zeit in allen Lagern Leute, die sich in ein völlig extremistisches diktatorenfreundliches Lager verirrten. Der in der Regel gutinformierte Kleinbürger Cincera war, wie Frischknecht, ein unbequemer Demokrat, der im Einzelfall über das Ziel hinausgeschossen hat.

  • am 12.07.2016 um 12:30 Uhr
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    Lieber Herr Meier. Sie verbreiten immer wieder, wie viele Persönlichkeiten Sie persönlich gekannt haben. Das kann zwei Gründe haben. Entweder Sie möchten bekannt machen, wie stolz Sie darauf sind, oder Sie wollen damit Ihre Meinung als richtiger und authentischer darstellen. Letzteres überzeugt mich nicht. Im Gegenteil. Das persönliche Kennen kann die nötige Distanz zum Urteilen verhindern. Subjektive, emotionale Eindrücke können der bestmöglichen Objektivität entgegenstehen. Ihr Verständnis für die illegale «P26» teile ich jedenfalls nicht. Und die Verharmlosung der Fischen-Sammlung auch nicht. Zu viele hatten Stellen verloren oder nicht erhalten, weil Arbeitgeber Zugang zu diesen Fichen hatten. Betroffene hatten keine Möglichkeit, die vielen falschen Einträge zu korrigieren. Cincera mit Frischknecht zu vergleichen, ist ein starkes Stück.

  • am 12.07.2016 um 13:26 Uhr
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    Danke, Urs P. Gasche.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 12.07.2016 um 14:09 Uhr
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    Danke, Urs P. Gasche, aber über Cincera u. Frischknecht müsste nun wirklich noch erforscht werden. Was Sie schreiben, müsste wirklich im Detail aufgearbeitet werden.. Das ist im Moment noch nicht ausreichend der Fall. Andererseits bleibe ich dabei, dass nun mal Anhänger von Diktatoren, wie Ho Chi Minh und Mao, grundsätzlich durchaus denunziert werden durften, wobei jedoch der Übereifer in Bekämpfung des politischen Gegners in jedem Fall falsch bleibt. Im Gegensatz zu Frischknecht hat Cincera meines Wissens keine illegalen Methoden angewandt. Selber hat mir übrigens die Würdigung als «unheimlicher Patriot», erst noch mit falschen Angaben über meine Person, in einem Bewerbungsfall nachweisbar beruflichen Schaden angerichtet, dies nach einem 1. Rang in einer Probelektion in meinem Heimatkanton. Es ist nun mal so, dass das Bedürfnis nach Berufsverboten bei Linken, aber auch bei Frommen und Rechten vergleichsweise weit verbreitet war und wohl noch ist. An dieser Intoleranz bzw. dieser inquistorischen Einstellung waren jedoch Cincera bzw. Frischknecht nur bedingt schuld, sondern die entsprechenden Verantwortlichen. Gesinnungsverbrechen gelten auch heute noch nicht als harmlos und haben nach wie vor entsprechende Konsequenzen. Gerade weil ich das heute flächendeckend so sehe, befasse ich mich z.B. mit Konrad Farner, den ich nicht persönlich gekannt habe, über den ich aber einzigartiges Originalmaterial aus der DDR besitze. Es beweist, dass er kein stalinistischer Schuft war.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 12.07.2016 um 14:11 Uhr
    Permalink

    … müsste nun wirklich noch geforscht werden. (nicht: erforscht).

  • am 12.07.2016 um 16:48 Uhr
    Permalink

    @Peter Beutler: Sie vermischen hier einiges, das nun definitiv nicht zusammengehört.
    1.) Das Projekt 26, die Kaderorganisation für den Widerstand im Besetzungsfall, hatte nun aber gar nichts mit den Fichen der Bundesanwaltschaft zu tun.
    2.) Auch mit der Affäre Bachmann/Schilling hat P-26 nichts zu tun. Der einzige Zusammenhang besteht darin, dass Albert Bachmann als Chef des Spezialdienstes sowohl den ausserordentlichen Nachrichtendienst als auch die Widerstandsvorbereitungen leitete. Beide Zweige des Spezialdienstes hatten grundsätzlich unterschiedliche Aufgaben. Im Übrigen wurden Bachmann 1979 von Cattelan abgelöst bevor es zu Schillings Auffliegen in Österreich kam.
    3.) Auch Cincera hatte nichts mit der P-26 zu tun. Er wusste nicht einmal davon.

    P.S. Gerade weil den Mitgliedern der P-26 allerhand in die Schuhe geschoben wird, können Beurteilungen über Mitgliedern, wie sie Pirmin Meier äusserte, hilfreich sein, um (falsche) Geschichtsbilder von 1990 ins richtige Licht zu rücken. So wie die Schweiz im Zweiten Weltkrieg nicht einfach nur schwarz-weiss war, so war sie es auch nicht während des Kalten Krieges.

  • am 12.07.2016 um 17:53 Uhr
    Permalink

    Geheimarmeen der Nato und das CH-Réduit:
    Was bei allen Konflikten seit Jahrhunderten gleich geblieben ist, ist die Vergeltung der Stärkeren.
    Siehe Gaza usw…
    Auch das Guisan’s Réduit hätte deshalb nicht funktioniert. Was hätten unsre tapferen Soldaten im Gotthard gemacht, wenn die Besatzer jeden Sabotage-Ausfall mit der Ausradierung einer Siedling beantwortet hätten. Ich hoffe, sie hätten die Ausweglosigkeit schnell erkannt.

    «Unsere Welt gerät aus den Fugen . . . und Grenzen werden verändert.» Die demokratischen Rechtssysteme seien bedroht. In Bezug auf den Krieg in der Ostukraine meinte Regli: «Putin hat den Krieg zurückgebracht nach Europa.» Und zudem: «Russland hat grosses Interesse an Syrien.»

    Das ist zwar nicht ganz falsch, aber sehr einseitig. Solche Kriegshetzer im eigenen Nachrichtendienst zu wissen, ist eine schwere Hypothek! Ist ein Dienst «geheim» gibt es keine demokratische Kotrolle.

    http://www.fridolin.ch/uploads/PDF-Zeitung-Archiv/20151126/Seite_01.pdf
    http://www.gog-glarus.ch/event/wer-bedroht-die-schweiz/

    Offiziere unserer neutralen Demokratie helfen ganz einseitig mit den USA und der NATO Spannungen zu schüren.
    Spannungen verleihen jeder Verteidigungsarmee ihre Existenzberechtigung.
    Armee stärken heisst demnach Feindbildpflege und Aufhetzung. Das ist einfacher als Entspannung und stärkt zudem das Selbstbewusstsein alter Krieg der Schreibtische.

  • am 12.07.2016 um 18:50 Uhr
    Permalink

    @Lachenmeier:
    1.) Zwischen P-26 und den Stay-behind-Vorbereitungen der NATO-Länder gab es keine Beziehungen oder Absprachen.
    2.) Die Guisan’sche Reduitkonzeption war in erster Linie eine geniale Dissusionsstrategie und kein operativer Kampfplan. Wichtig war den Kriegführenden Mächten zu demonstrieren, dass das wichtigste Pfand der Schweiz, die Alpentransversalen, bei einem Angriff durch die Achsenmächte für diese verloren wären und gleichzeitig die Schweiz als neutrales Land garantiert, dass sie nicht für Truppenverschiebungen der Achsenmächte nutzbar sind. Schliesslich konnte mit dem Reduit auch der Defaitismus der Schweizer nach der Niederlage Frankreichs etwas entgegengesetzt werden.
    3.) Die demokratische Kontrolle geheimer Staatsaktivitäten ist richtig. Es handelt sich damit aber um eine Forderung neueren Datums. Im Zuge der Affäre Bachmann/Schilling 1979/81 foderte Nationalrat Müller-Marzohl eine parlamentarische Oberaufsicht über die geheimen Dienste, was jedoch vom Parlament abgelehnt wurde. Das Urteil darüber, inwiefern die Kritik der PUK am Bundesrat für das Fehlen einer solchen Kontrolle redlich ist, sei jedem selber überlassen.
    4.) Gerade weil die Bevölkerung im Besetzungsfall Repressalien ausgesetzt ist, waren Sabotageakte erst in der Phase der Wiederbefreiung zur Unterstützung der befreienden Truppe vorgesehen gewesen.

  • am 12.07.2016 um 19:18 Uhr
    Permalink

    Statt den Verstorbenen aus der Öffentlichkeit zu halten wurde er durch die Unterzeichnenden der Todesanzeige ein weiteres Mal in der Öffentlichkeit, mit seiner nicht so ruhmreichen Vergangenheit, der Lächerlichkeit preis gegeben. Und die Unterzeichnenden zeigen, dass sie sich noch immer im Kalten Krieg befinden – und nichts gelernt haben.
    Vor Jahren hatte ich mit einem der beiden Unterzeichnenden zu tun. Er wollte uns quasi beim «Vorbeigehen» seine, aus meiner Sicht, verschobenen Ansichten «näher bringen». Seine Aufgabe war eigentlich eine andere…
    Später fiel er mir auf, als er an einer Pressekonferenz mit maskierten Polizisten auftrat. Irgendwie krud.
    Dann von Fichenpsychose zu schreiben passt zu diesen Figuren. Keine Reue für diese gesetzwidrige Ungeheuerlichkeit gegenüber den unbescholten Fichierten. Selber war ich auch betroffen und konnte mir dann Bild über den Irrwitz machen. Beim Lesen meiner Fiche musste ich feststellen, dass die mehr über mich wussten als ich selber…
    Nein, wir haben einen Rechtsstaat in dem solche Patrioten keine Platz haben dürfen. Die Versuche, man solle das Ganze mit den Augen jener Zeit zu sehen, ist für mich absolut nicht nachvollziehbar und verhöhnt mit dieser Einstellung die Betroffenen!

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 13.07.2016 um 11:07 Uhr
    Permalink

    Über diese Sache kann man erst urteilen, wenn alle Archive offen und frei zugänglich sind und wenn die Forscher einigermassen unparteiisch vorgehen. Ich fürchte jedoch, dass das Ergebnis zu einem für die lebenden und mit der Zeit toten Beteiligten blamabel herauskommen könnte.

  • am 13.07.2016 um 17:17 Uhr
    Permalink

    @Pirmin Meier: Inwiefern erwarten Sie eine Blamage und welche Seite der Beteiligten dürfte ihrer Meinung nach davon betroffen sein?
    Was das Urteilen angeht, so teile ich Ihre Ansicht. Urteile in der Geschichte sind jedoch immer schwierig, da sie massgeblich vom Zeitgeist und der Position des Urteilenden abhängen – nur zu rasch kann deshalb aus einer Beurteilung eine Verurteilung werden.

  • am 13.07.2016 um 18:20 Uhr
    Permalink

    @Titus Meier. Das P-26 hat sehr wohl mit der Affäre Schilling/Bachmann zu tun. Nach dem Skandal Schilling/Bachmann wurden die Geheimdienste reorganisiert und in P-26 und P-27 umbenannt. Ab 1979 baute Efrem Cattelan, Oberst im Generalstab, das Projekt 26 bzw. die Organisation P-26 auf. Gleichzeitig wurde der neue Nachrichtendienst unter der Bezeichnung Projekt 27 (P-27) installiert. Ob Cincera vom P-26 wusste oder nicht, ist völlig irrelevant. Das P-26 hatte unbeschränkten Einblick in die Fischen und sich auch an Cinceras Archiv verköstigt. Diejenigen, die die Fischen auswerteten sowie die P-26 Macher waren untrennbar miteinander verbunden. Zur unsäglichen Todesanzeige. Das P-26 war illegal, undemokratisch, in keiner Weise für die Sicherheit unseres Landes notwendig. Es hat hunderttausende unbescholtene Bürger klammheimlich als Gefahr für unser Land verunglimpft, oft ihre Berufskarriere zerstört. Als subversiv galt zum Beispiel, wer die Hinrichtung des linken Chilenischen Präsidenten Allende bedauerte und dessen Mörder Pinochet als Verbrecher verurteilte, wer Franco als faschistischen Diktator hinstellte, wer die Apartheidschergen Südafrikas als unmenschlich brandmarkte. Es ist ein geradezu unverschämter Zynismus, die Strippenzieher des P-26 als aufrechte Vaterlandsverteidiger auf ein Podest zu heben. Die Betroffenen des Fischenskandals, ich gehöre auch dazu, lassen es nicht zu, dass kriminelle Aktivitäten dermassen in Heldentum umfunktioniert werden

  • am 13.07.2016 um 21:03 Uhr
    Permalink

    @Peter Bettler: Sie schreiben es richtig. Wie ich schon erwähnte, gehöre ich ebenfalls zu den Betroffenen. Und es stört mich gewaltig, dass Geschichtsklitterer versuchen das gesetzwidrige Tun dieser seltsamen Patrioten, wie Sie schreiben, zum Heldentum umzufunktionieren.
    Aus den gemachten Erfahrungen habe ich auch grösste Vorbehalte gegen dem BÜPF. Und generell gegen die Datensammelwut. Wie uns der Fichenskandal lehren sollte, können jederzeit – und gerade beim neu blühenden Nationalismus – solche Mittel (ausspionieren von Bürgern) zum Schaden der grundlos Ausspionierten missbraucht werden. Oder noch schlimmer mit den neuen staatlich bewilligten Mitteln: es können missliebige Bürger zu schuldigen «umfunktioniert» werden.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 13.07.2016 um 21:13 Uhr
    Permalink

    @Dietschi. Büpf. Da liegt wohl ein Hase im Pfeffer. Beim Ausspionieren der Bürger snd im Moment als Betroffene die Rechten dran; es gab heute in Deutschland umfassende Hausdurchsuchungen bei Leuten, denen einschlägigte Hassmails vorgeworfen werden. Es handelt sich dabei um ein überpolitisches allgemeinmenschliches keineswegs harmloses Potential, wobei Verfolger mit gutem Gewissen und staatlicher Legitimation auf Dauer wohl noch gefährlicher sind, weil sie Gott und das Jüngste Gericht spielen. Es ist die Gedankenpolizei, vor der Orwell gewarnt hat.

  • am 13.07.2016 um 21:24 Uhr
    Permalink

    @Peter Beutler: Auf welche Quelle stützen Sie sich mit Ihrer Behauptung, P-26 hätte mit den Fichen und dem Cincera-Archiv zu tun gehabt?
    Die Fichen wurden von der Bundesanwaltschaft im EJPD angelegt und das Projekt 26 war im EMD angesiedelt. Die PUK EMD war ja sehr kritisch gegenüber dem Projekt 26, aber nicht einmal sie haben irgendwelche Verbindungen zu den Fichen finden können. Bitte nennen Sie uns Ihre Quellen.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 13.07.2016 um 21:31 Uhr
    Permalink

    Klar ist die Sache noch nicht genügend erforscht und es kann nicht alles miteinander vermischt werden. Trotzdem bleibt der Hinweis auf BüPF von Dietschi aktuell. Dass man gegen eine Gedankenpolizei ist, heisst natürlich nicht, dass man Hassmails. wie sie in der neuesten Nummer von http://www.woz.ch zitiert sind, gutheisst; es ist möglich, wie die WOZ beweist, diese Sache publik zu machen und gemeinste verbale Primitivitäten so auf angemessene Weise zu denunzieren.

  • am 13.07.2016 um 23:23 Uhr
    Permalink

    Für wie bescheuert, Titus Meier, halten Sie uns eigentlich? Die P-26 Funktionäre mögen kaum die brillantesten Geister in unserem Land gewesen sein, aber derart saublöd waren sie auch nicht, dass sie einen Geheimdienst ohne Fichen zusammengeschustert hätten. So viel weiss man heute wenigsten: Bei Ausbruch von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Nato und dem Warschauerpakt wären die meisten Gewerkschaftsführer, das Kader von SP, PdA und anderen linken Parteien, inkl. Mandatsträger, festgenommen und in Lager eingepfercht worden. Vielleicht sollten Sie, Titus Meier, einmal die Bücher von Jürg Frischknecht, z.B. «Schnüffelstaat Schweiz, hundert Jahre sind genug» durcharbeiten, oder sich im Schweizerischen Sozialarchiv, «Findmittel Schnüfelstaat» umsehen. Es gibt noch zahlreiche weitere Autoren, die sich dieser Sache angenommen haben: Urs Paul Engeler, Thomas Huonker, Regula Ludi, Peter Kreis, Max Frisch sogar, um nur einige zu nennen. Schliesslich kann man ja noch die Weisswaschpostille von Martin Matter über sich ergehen lassen. Fast wünschte man sich, ein pfiffiger Privatfahnder könnte sich Zutritt zu den geheimen Segmenten des Bundesarchivs verschaffen und die versteckten P-26/P-27-Dossiers «abstauben». (Sollen wir tatsächlich noch bis 2041 warten?). Der verwegene Einbrecher könnte uns wohl den lupenreinen Beleg auf dem Tisch legen, dass die Fichenmacher und P-26-Feldherren siamesische Zwilling waren.

  • am 15.07.2016 um 09:33 Uhr
    Permalink

    Wie wäre es gewesen wenn die Geschichte anders herum gelaufen wäre? Was geschah mit den Gegnern von Stalin, Hitler – die NSDAP war ja die „National-Sozialistische Deutsche Arbeiter-Partei“ -, von Mao oder Pol Pot? Ich stelle mir immer wieder die Frage: sind gewisse Länder und Gesellschaften überhaupt regierbar nach den Vorstellungen unserer Generationen unseren politischen Einsichten und Werten?
    Ein weiteres Element sehe ich in im Gesetz von Parkinson. Jede Verwaltung vergrössert sich selbst, rechtfertigt sich selbst und mit zunehmender Grösse verschwindet die Verantwortung des Einzelnen in der Befehlskette. Dazu kommt die Tatsache, dass Recht nicht Gerechtigkeit bedeutet.
    In der Schweiz konnten Vorkommnisse wie die Fichenaffäre weitgehend aufgeklärt und bereinigt werden, weil wir ein relativ kleines Land sind. Ich habe in meinen Augen berechtigte Zweifel, dass das z.B. in einer EU noch möglich wäre. Was ist die Globalisierung und die angestrebte Weltregierung anders als eine Welt-Diktatur?

  • am 15.07.2016 um 10:41 Uhr
    Permalink

    Herr Hertig. Sie heben die NDAP als «Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei» hervor, mit dem Hintegedanken, sie mit der politischen Linken (in der Schweiz) zu verbinden. Kennen Sie die Namen Krupp, Bayer oder anderer Grossindustriellen? Diese haben die NSDAP finanziert, nicht die SPD, KPD oder die Gewerkschaften. Die erste Regierung Hitler war eine Koalition der NSDAP mit der konservativen bürgerlichen Rechten, die dann als gleich die KPD und die SPD verboten haben. Es kommt nicht auf das Etikett an, sondern auf den Inhalt. Die NSDAP wurden von der deutschen Wirtschaft, den Banken ud rechtsbürgerlichen Kreisen gross gemacht. Ich weiss von keinem ehemaligen Fröntler (Schweizer Nazis), der sich nach dem 2. Weltkrieg der Linken zugewandt hätte, aber von einigen, die danach über die FdP, BGB zur SVP gestossen sind. Als das P-26 ihre Blütezeit hatte, war Stalin längst tot. Es kamen der ersten Reformer Antropow und dann Gorbatschow, der von Innen her das System demokratisieren wollte. Und das heutige China? Kommunistisch, ja. Aber global die zweite Wirtschaftsmacht und erstklassiger Handelspartner der Schweizer Industrie. Made in China! Kritik dagegen kommt höchstens von der Schweizer Linken. Die Schweizer Fichenaffäre aufgeklärt? Ist sie nicht. Sie ist das erst, wenn die entsprechenden Dossiers im Bundesarchivs geöffnet sind, auch die des P-26.

  • am 15.07.2016 um 10:54 Uhr
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    Peter Beutler, ich gehe grundsätzlich von der Vernunft der Menschen aus, insbesondere auch auf infosperber. Dazu gehört auch, dass man sich mit den Positionen anderer auseinandersetzt und eigene Positionen auch kritisch hinterfragt. Wie immer bei kontroversen Diskussionen frage ich jeweils nach den zugrundeliegenden Quellen und ihrer Qualität, da bekanntlich nicht alles, was zwischen zwei Buchdeckeln Platz findet, auch den Tatsachen entsprechen muss. Ich habe mir die Mühe gemacht, einige Ihrer Literaturvorschläge, sofern sie mir nicht schon bekannt waren, zu konsultieren und bleibe bei meiner Beurteilung, dass es zwischen den Fichen der Bundesanwaltschaft oder des EMD und der P-26 keine Verbindung gab. Ich stütze mich dabei u.a. auf den Bericht der PUK EMD sowie auf die Untersuchung von Georg Kreis „Zensur und Selbstzensur“. Beide verfügten über exklusiven Zugang zu den entsprechenden Akten und hätten mit Bestimmtheit auf eine Verbindung zwischen P-26 und den Fichen bzw. Listen hingewiesen. Was die Listen des EMD angeht, so stammten diese aus den 1950er- und 1960er-Jahren – also Jahrzehnte vor der P-26.

  • am 15.07.2016 um 10:58 Uhr
    Permalink

    sorry, zwei Verschreiber. Zeile 5: … bürgerlichen Rechten, die dann (als) gleich die KPD und die SPD verboten haben … (als) bitten streichen.
    Zeile 6, letztes Wort: und statt ud

  • am 15.07.2016 um 11:15 Uhr
    Permalink

    Titus Meier, die P-26 wirkte von 1976 bis 1991. Zwischen 1980 und 1990 wurden am meisten Fichen angelegt. Die PUK EMD (Präs. CVP-Ständerat Carlo Schmid) wurde im Nachhinein sehr kritisch gewürdigt. Sie habe sehr viel aus Rücksicht auf BR Furgler unter den Teppich gekehrt. Die PUK EMD hatte, wenn überhaupt, nur diffuses Licht auf die Fichen/ P-26-Affäre geworfen. Es ist zu vermuten, dass die P-26 Vorgänger hatte. Gar keine Frage: Die P-26 hatte Zugriff auf die Listen des EMD und auf die vor allem nach 1976 angelegten Fichen. Anders hätte diese lächerliche «Operetten-Geheimarmee» noch weniger Sinn gehabt.

  • am 17.07.2016 um 14:03 Uhr
    Permalink

    Es gibt von mir keinen politischen Hintergedanken. Die SPS steht zu unseren gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Realitäten wie die SVP oder die FdP oder die CVP. Meines Wissens hat sie auch noch Arbeiter unter ihren Mitgliedern. Die KPD und vermutlich Teile der SPD wollten eine Revolution im Sinne der kommunistischen Partei Russlands. Die NSDAP und mit ihr Teile der Arbeiterschaft wollten das nicht. Die politischen Extreme berühren sich und fressen sich. Hätte die KPD den Machtkampf gewonnen wären die Leute der NSDAP in die KZ’s gezwungen oder umgebracht worden.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 17.07.2016 um 14:46 Uhr
    Permalink

    @Hertig. Was Sie sagen, stimmt eher nicht, Nationalsozialisten hatten oft kaum Probleme, sich an neue ideologische Verhältnisse anzupassen. Eine Spezialität des Kommunismus, zumal in China, waren Christenverfolgungen. Generell hat die Angst vor Christenverfolgungen Christen z.T. veranlasst, den NS als harmloser einzuschätzen. Die Einschätzung der Zahl der Opfer des Kommunismus u. des Nationalsozialismus hängt stark von der weltanschaulichen Zählmethode ab, es waren aber objektiv viel zu viele. Bei einigen zählen nichtjüdische Opfer in der Wahrnehmung generell weniger. Doch kann man z.B. bei Stalin eine sechsstellige, zumindest fünfstellige Zahl jüdischer Opfer annehmen.

    Opfer von Christenverfolgungen werden seit ca. 100 Jahren und besonders in der Gegenwart nicht sehr ernst genommen, gehören oft in die Kategorie derjenigen, die man «als selber schuld» einschätzt, die hatten doch in China und in Afrika nichts verloren, zum Teil haben sie ihrerseits Schuld auf sich geladen. Interessant ist, dass in Polen bei Auschwitz lange die christlichen und polnischen Opfer mehr galten als die jüdischen. Auch das ist eine ideologische Frage. Nahe liegt, dass man Sozialismus, Faschismus, Kommunismus, Nationalismus, Katholizismus, nicht zu vergessen Islam und Islamismus so analysieren sollte, dass man die Bedingungen ihrer Gefährlichkeit je nach historischem Umfeld möglichst realistisch einzuschätzen lernt. Dabei wird nicht gesagt, alle seien sowieso gleich gefährlich und quasi identlisch.

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 22.07.2016 um 13:26 Uhr
    Permalink

    Im Zusammenhang mit Cincera diskutierten wir oben auch über Jürg Frischknecht, über den ich ausdrücklich bekannte, dass er als Publizist unterdessen meine Achtung gewonnen habe. Was wir vor 10 Tagen nicht wussten, war, dass dieser Publizist, übrigens wenige Tage älter als ich und mir auch aus dem Seminarbetrieb an der Uni ZH um 1968 bekannt, damals mit dem Tode rang und unterdessen an einer Krebserkrankung verstorben ist.

    Dieser Hinschied, nach Mitteilung der WOZ am letzten Montag erfolgt, scheint mir als politisch nicht Gleichgesinnter nun umso bewegender, als Frischknecht nicht auf seinem Hobby als Rechtenjäger stehen geblieben ist, sondern als Publizist zum Teil preiswürdige Bücher einer kritischen Heimatkunde verfasst hat. Ein Gebiet, auf dem ich ihn als vorbildlich bezeichnen würde, zugleich ein Beispiel, dass Sachbücher zum Thema «Heimat» nicht aus einer bestimmten politischen Ecke stammen müssen. Ich habe als Lehrerfortbildner wiederholt auf die Bücher von Jürg Frischknecht hingewiesen und diese empfohlen. Sein Ableben erfolgte nach menschlichem Ermessen zu einem beklagenswert frühen Zeitpunkt. Jürg Frischknecht wäre noch einiges von bedeutender Qualität zuzutrauen gewesen. Obwohl er in jeder Hinsicht ein politischer Mensch war, beweist er mit seiner Lebensleistung mithin, dass der politische Gesichtspunkt für die Einschätzung eines bedeutenden menschlichen und publizistischen Formates nicht genügt.

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