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Die neue IWF-Chefin Kristalina Georgieva am Jahresmeeting in Washington. © IMF Mediacenter

Neue Töne vom IWF: Mehr Sozialausgaben, höhere Reichensteuern

Monique Ryser /  Die neue Direktorin Kristalina Georgieva baut den Währungsfonds weiter um und setzt auf sozialen Ausgleich statt Austerität.

«Um Ungleichheiten anzupacken braucht es ein neues Denken», schreibt Kristalina Georgieva, geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds IWF, in ihrem neusten Blog. Seit Oktober letzten Jahres im Amt, ist sie entschlossen, dem IWF ein neues Gesicht zu verpassen. Der IWF wurde gegründet, um zusammen mit der Weltbank (Bretton-Woods-Institutionen) für die finanzielle Stabilität der Weltwirtschaft zu sorgen. Jahrzehntelang wurde dem IWF von Kritikern vorgeworfen, er gebärde sich als neoliberaler Moloch. Als Gegenleistung für Hilfskredite an notleidende Länder verordnete er diesen Sozialprogramme zu streichen, zu privatisieren und strengste Budgetvorgaben einzuhalten. Diese Austeritätspolitik sei ein Grund für das Erstarken populistischer Bewegungen, monieren Kritiker.
Doch schon Georgievas Vorgängerin, Christine Lagarde, begann, die mächtige Institution neu auszurichten. Sie wollte die unterstützten Länder nicht mehr länger als Bittsteller, sondern als Partner behandeln und sie setzte Geschlechtergerechtigkeit und den Klimawandel auf die Agenda. Diesen Weg scheint die 66-jährige Bulgarin als ihre Nachfolgerin nun konsequent weitergehen zu wollen. Dabei fasst sie auch heisse Eisen an: «An der Spitze der Einkommensverteilung können die Steuersätze erhöht werden, ohne dass das Wirtschaftswachstum darunter leidet», schreibt sie. Progressive Steuern seien ein «Schlüsselfaktor einer effektiven Steuerpolitik». Bei den Reichsten könnten geringfügige Erhöhungen der Steuersätze ohne Probleme eingeführt werden. Denn, so Kristalina Georgieva, die Ungleichheiten bei den Einkommen und den Vermögen seien allgegenwärtig und «unglücklicherweise – steigen in vielen Ländern an.»

Mehr Ausgaben für Soziales
Die neue IWF-Direktorin fordert auch höhere Sozialausgaben. Wenn die Sozialausgaben nicht reichten, «um einen Grossteil der Armen und Verletzlichen zu schützen», dann müssten sie erhöht werden. Ziel müsse immer sein, die von der UNO erarbeiteten Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen. «Die Ausgaben müssen effizient eingesetzt und nachhaltig finanziert sein», betont sie aber auch. Sie will sich dabei auf die Strategie über Sozialausgaben abstützen, die der IWF Mitte letzten Jahres verabschiedet hat. Die neue Strategie reiht sich ein in ein Umdenken, das drei Jahre zuvor mit einem vielbeachteten Artikel von drei IWF-Ökonomen eingeläutet worden war. Die Kürzung von Sozialausgaben und die freien Kapitalmärkte seien nicht die Heilsbringer für Wachstum, sondern würden die Ungleichheit fördern, verlautete es plötzlich und überraschend aus dem Headquarter in Washington. Dieses Papier sorgte damals für grosses Erstaunen und einen Aufschrei in neoliberalen Kreisen. Doch die Ökonomen argumentierten, dass sich Politiker und Institutionen wie der IWF nicht von Glauben leiten lassen sollten, sondern von Daten und Fakten.

Zusammenarbeit fördern
Direktorin Georgieva stellt auch in Aussicht, dass sie vermehrt mit Partnern zusammenarbeiten will. «Die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft, Think Tanks, Gewerkschaften – alle haben eigenes Wissen.» Der Austausch mit ihnen werde die Sicht des IWF bereichern und bessere, länderspezifische Lösungen ermöglichen. In ihren Prognosen sieht Kristalina Georgieva voraus, dass in Schwellenländern im Bereich Gesundheit, Erziehung und Infrastruktur Ausgabenerhöhungen nötig seien und bis 2030 etwa vier Prozent des BIP erreichen sollten. Bei Ländern mit sehr tiefen Einkommen müsste dieser Satz 15 Prozent betragen. Als Beispiele für ihre Vorstellung einer sozialeren Politik nennt Georgieva Ägypten: Dort habe während der Unterstützung durch den IWF der Cash Transfer auf 2,3 Millionen Haushalte verdoppelt werden können. Und in Ghana habe der IWF geholfen, Geld in die Bildung zu investieren, damit das Land die Sekundarstufe für alle anbieten könne.
Mit Vorschlägen zum Gender Budgeting (Überprüfen und gezieltes Einsetzen von Mitteln zur Erreichung von Gleichberechtigung der Geschlechter) will die Direktorin, wie bereits Christine Lagarde, auch die Frauen besser schützen und integrieren. Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass die Alterung vieler Gesellschaften neue Probleme schaffen würde. Als Beispiel nennt sie Japan, wo der IWF in diesem Bereich beratend tätig sei. «Niemandem nützt ein weiterer Bericht auf schönem Papier, der in einer Schublade lagert. Deshalb werden wir unsere Strategie für Sozialausgaben in die tägliche Arbeit einbauen», verspricht Kristalina Georgieva.
Die neue starke Frau des IWF war bereits Geschäftsführerin und interimistisch Weltbankdirektorin, in der Europäischen Union Kommissarin für Internationale Kooperation, humanitäre Hilfe und Krisenbewältigung und danach verantwortlich für den EU-Haushalt. Der IWF beschäftigt 2700 Personen.

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Reich, arm, ungleich

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2 Meinungen

  • am 10.01.2020 um 05:55 Uhr
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    Auch Pablo Escobar spielte Kolumbien vor, sich zu ergeben. Er übergab ein Kokain Labor, auf das sie verzichten konnten, ein paar Kilo Kokain und ein paar Millionen $. Nur um dann von seinem selbst gebauten Gefängnis aus den Kokain Schmuggel auf ein Niveau zu heben.
    Der IWF gehört zerschlagen und die Protagonisten strafrechtlich verfolgt. Ein wenig soziales Blabla aus dieser Ecke sollte uns nicht beruhigen, sondern erst recht misstrauisch machen. Siehe Escobar….

  • am 11.01.2020 um 23:21 Uhr
    Permalink

    Das neoliberale System rast auf den Abgrung zu !

    Seit Thatcher und Reagan bzw. Schröder in Deutschland, sind bei einem großen Teil der Bevölkerung, die Realeinkommen gesunken.
    Die Produktion steigt aber weiter.
    Wir haben also weniger Kaufkraft, aber mehr Produkte.
    Das kann man über Kredite ausgleichen, wohlwissend das diese nicht zurückgezahlt werden können.
    Das Ergebnis zeigt sich in Systemkrisen wie 2008.

    Der Finanzexperte George Soros sagte dazu, das Festhalten am Marktfundamentalismus seit Thatcher und Reagan, führte zu einer Superblase, die nun zu platzen droht.

    Was George Soros meint, erklärt Professor Richrad Wolf von der Massachussets University:
    https://www.youtube.com/watch?v=_cvQjqp2Q70

    "Das System hat keine Lösung»: US-Ökonom Richard Wolff über die Krise in den USA und Europa

    Das ist genau das Gegenteil was Pragmatiker wie Frank Delano Roosevelt ( New Deal ), Lord William Bevridge und Ludwig Erhard wollten.
    siehe «Wohlstand für Alle"

    "Erhard formuliert in seinem Werk das Ziel, breiten gesellschaftlichen Schichten Wohlstand zukommen zu lassen. Nach Erhards Überzeugung könne nur eine freie Wirtschaft Wohlstand für alle schaffen. Diese freie Wirtschaft müsse vor staatlichen Eingriffen sowie vor Kartellen und Monopolen geschützt werden."

    https://de.wikipedia.org/wiki/Wohlstand_f%C3%BCr_Alle_(Buch)

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