Roundup6

Roundup von Monsanto/Bayer AG ist das bekannteste Herbizid mit dem Wirkstoff Glyphosat. © cc

«Monsanto» betrieb Schmutzkampagnen gegen Kritiker

Tobias Tscherrig /  Der Konzern «Monsanto» betrieb ein «Fusion Center» mit dem Ziel, Journalisten und Kritiker gezielt zu diskreditieren.

Der Saatgutkonzern «Monsanto», der 2018 von der «Bayer AG» übernommen wurde und unter anderem Herbizide auf der Basis des umstrittenen Wirkstoffs Glyphosat herstellt, kommt nicht aus den schlechten Schlagzeilen. Kürzlich wurde publik, dass der Konzern ein sogenanntes «Intelligence Fusion Center» betrieb, um Journalisten und Kritiker gezielt zu diskreditieren. Der Name des Centers scheint Programm: Er wird manchmal von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden verwendet, die unter demselben Namen zur Bekämpfung einer oder mehrerer Bedrohungen dauerhaft zusammenarbeiten.

Die Enthüllungen, über die die britische Tageszeitung «The Guardian» berichtet hatte, stammen aus internen Dokumenten, die in einem Verfahren als Beweismaterial gelten. Sie zeigen, dass der milliardenschwere Konzern viel Zeit, Geld und Personal aufbrachte, um unliebsame Journalistinnen und Journalisten zum Schweigen zu bringen. «Monsanto» soll auch den Technologiekonzern «Google» bezahlt haben, um unliebsame Suchergebnisse zu unterdrücken.

«Monsanto» hat aber nicht nur gegen Journalistinnen und Journalisten Massnahmen ergriffen. Zu den Zielen gehörten zum Beispiel auch der Musiker Neil Young, der als überzeugter Gegner von gen-modifizierter Nahrung gilt.

Das «Intelligence Fusion Center» soll vor allem zwischen 2015 und 2017 tätig gewesen sein.

Mehrgleisige, gezielte Strategien
«The Guardian» hat die Dokumente über das «Intelligence Fusion Center» von «Monsanto» untersucht und ist dabei auf ausgefeilte Strategien zur Vermeidung von Kritik und zur Diskreditierung von Kritikerinnen und Kritiker gestossen:

  • Die Reuters-Journalistin Carey Gillam recherchiert seit längerem über den Unkrautvernichter «Roundup» und über seine Verbindungen zu Krebserkrankungen. Ihre Recherchen veröffentlichte sie 2017 im Buch «Whitewash: The Story of a Weed Killer, Cancer, and the Corruption of Science». Bereits vor der Veröffentlichung des Buches habe «Monsanto» 23 Aktionen geplant, um das Buch und seine Verfasserin zu diskreditieren. So seien zum Beispiel Argumentarien publiziert worden, die es Drittpersonen erlauben sollten, das Buch zu kritisieren. Ausserdem habe «Monsanto» eine Anleitung zu Handen von Industrie- und Bauernkunden veröffentlicht, die veranschaulichte, wie negative Rezensionen verfasst werden.
  • Gemäss «The Guardian» soll «Monsanto» den Technologiekonzern «Google» bezahlt haben, damit als Ergebnisse auf die Suchbegriffe «Monsanto Glyphosate Carey Gillam» Artikel und Internetseiten auftauchen, in welchen die Arbeit von Gillam kritisiert wird. Ausserdem seien Texte gepusht worden, die Glyphosat als «sicher» darstellten.
  • Die PR-Mitarbeiter von «Monsanto» hätten auch intern diskutiert, wie sie anhaltenden Druck auf «Reuters» ausüben könnten.
  • Die Angestellten des «Intelligence Fusion Center» schrieben einen ausführlichen Bericht über die Anti-Monsanto-Kampagne des Sängers Neil Young, überwachten im Internet die Reaktionen auf sein kritisches Album «The Monsanto Years» und hätten sich auch überlegt, rechtliche Schritte einzuleiten.
  • Auch «US Right To Know», eine Nichtregierungsorganisation, die sich für Wahrheit und Transparenz bei der Lebensmittelproduktion einsetzt und wöchentliche Berichte über die Online-Aktivitäten von «Monsanto» publizierte, sei überwacht worden.
  • Wie «The Guardian» schreibt, seien Angestellte von «Monsanto» wiederholt besorgt über die Veröffentlichung von Dokumenten gewesen, in welchen die finanziellen Beziehungen zu Wissenschaftlern dargelegt worden seien. Die Aufzeichnungen zeigten auch, dass Anfragen, die auf der Grundlage des «Freedom of Information Act» an «Monsanto» gestellt worden waren, dem Konzern ein Dorn im Auge waren.

Beweismittel vor Gericht
Die internen Dokumente könnten helfen zu untermauern, ob «Monsanto» die Gefahren von Glyphosat – dem weltweit am häufigsten verwendeten Herbizid – herunterspielt. Ein Vorwurf, dem sich «Monsanto» und seit 2018 auch die «Bayer AG» immer wieder ausgesetzt sehen.

Urteile, laut denen die «Bayer AG» für die Krebserkrankungen von Klägern haften muss, bekämpft der Konzern auf rechtlichem Weg. In einer Stellungnahme weist die «Bayer AG» alle Vorwürfe zurück. Darin heisst es unter anderem, «Glyphosat ist ein sicheres, effizientes und etabliertes Mittel für Landwirte, um Ernten zu sichern.» Bei sachgerechter Anwendung sei Glyphosat nicht krebserregend.

Gegenüber «The Guardian» erklärte ein Sprecher der «Bayer AG», man lehne es ab, bestimmte Dokumente oder das «Intelligence Fusion Center» zu kommentieren. Die internen Dokumente zeigten aber, dass die Aktivitäten von «Monsanto» darauf abzielten, einen fairen, genauen und wissenschaftlich fundierten Dialog über das Unternehmen und seine Produkte zu gewährleisten. Es gehe auch darum, eine Reaktion auf erhebliche Falschinformationen zu liefern. Dazu gehörten auch Massnahmen auf die Veröffentlichung eines Buches, das von einer Person geschrieben worden sei, die ein häufiger Kritiker von Pestiziden und gentechnisch veränderten Organismen sei.

«Es zeigt einen Machtmissbrauch»
Die internen Dokumente liefern nicht nur eine seltene Innenansicht von «Monsanto» und den Praktiken, die angewandt wurden, um Kritikerinnen und Kritiker zu diskreditieren. Sie liefern auch einen Einblick in das Weltbild von einigen «Monsanto»-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern. Gemäss «The Guardian» äusserte zum Beispiel ein Angestellter seine Frustration über die Öffentlichkeit, die kritisierte, dass das Unternehmen Akademiker dafür bezahlt hatte, günstige Berichte über dessen Produkte zu schreiben.

Michael Baum, einer der Anwälte, die an den Roundup-Prozessen beteiligt waren, die die Aufzeichnungen enthüllten, sagte laut «The Guardian», dass die Dokumente weitere «Beweise für die verwerfliche und bewusste Missachtung der Rechte und der Sicherheit anderer» seien und dass sie einen laufenden Strafschadenersatz für Menschen unterstützen würden, die nach der Anwendung von Roundup Krebs bekamen.

«Es zeigt einen Missbrauch ihrer Macht, die sie durch die grossen Umsätze erlangt haben», fügte er hinzu. «Sie haben so viel Geld, und es gibt so viel, das sie zu beschützen versuchen.»
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Dossier: Der Unkraut-Killer Glyphosat
Dossier: Die Macht der Konzerne
Dossier: Genveränderte Nahrungsmittel
Dossier: Landwirtschaft


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Glyphosat

Der Unkraut-Killer Glyphosat

Das in Landwirtschaft (mit «Roundup-Ready»-Saatgut) und Hobbygärten versprühte Herbizid ist in der Kritik.

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4 Meinungen

  • am 18.08.2019 um 12:58 Uhr
    Permalink

    Danke, sehr erfreulich zu sehen, das solche Missbräuche an die Oeffentlichkeit kommen. Mit verbaler Gewalt (Verleumdung, üble unwahre Nachrede, unrechte Rufschädigung) arbeiten viele Konzerne, Gesellschaften, Vereine, und auch Einzelpersonen, um sich im Krieg um Gewinne besser positionieren zu können. Solange unsere Legislative keine Gesetze schafft, welche jede Form von Gewalthandlungen, welche jenseits von Notwehr liegen, unter Strafandrohung verbietet, wird sich nichts ändern. Wir leben in einer gewalttätigen Gesellschaft, wo Gewalt sogar kultiviert wurde und als normal empfunden wird. Es wird tunlichst vermieden, darüber ein Bewusstsein in den Bevölkerungsgruppen über dieses Problem zu schaffen. 73% mehr Tötungsdelikte in Basel seit dem 1.1.2018 durch Messer und Prügel. Schlafen die gesetzgebenden Behörden in Bern?

  • am 18.08.2019 um 16:30 Uhr
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    Hinter der Entrüstung in diesem – natürlich aufschlussreichen – Artikel steckt noch ein gewisser Idealismus was die Wirtschafts-Moral betrifft. Es sollte doch jetzt klar sein, dass grosse Konzerne von quasi Nichts zurückschrecken wenn es um ihren Umsatz geht. Autoindustrien bauen Chips ein, die Abgasmessungen verfälschen; Google und Co umgehen Steuern wo auch immer möglich; damit Benzin-sparende Technologien nicht eingesetzt werden, kauften Öl-Firmen Patente auf von Technologien, die den Benzin-Verbrauch gedrosselt hätten (Wankel – Motor…); und, und und. Es ist gut wenn weiter recherchiert wird, um diese Machenschaften aufzudecken. Aber es besteht dadurch mit Recht ein grundsätzliches Misstrauen allen Beteuerungen von Seiten der Industrien, was die Harmlosigkeit ihrer Produkte betrifft. So auch was die metastasierende Entwicklung der IT angeht – G5 etc.

  • Portrait_Rainer_M_Kaelin
    am 19.08.2019 um 11:00 Uhr
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    Das Problem ist tiefgreifend wie beschrieben, aber bedeutend weitreichender als was lediglich die Wirtschaftsmoral betrifft. Denn durch diese Technik wird in demokratischen Staaten ein Klima geschaffen, in dem das Allgemeine Misstrauen gegenüber Experten und Medienschaffenden die Regel und das Vertrauen in diese Anwälte der objektiven Information die Ausnahme wird. Am Zerstörerischsten wirken sich die «unabahängigen» Experten aus, die es in Wiklichkeit nicht sind. So z.B. Prof. Rylander in Genf der 30 Jahre lang von Philipp Morris bezahlt war (Siehe Malka/Gregori: Vernebelung. Wie die Tabakindustrie die Wissenschaft kauft, Orell Füssli,ZH. 2008) oder die Aerztlichen/Pharma-Experten (Siehe P. Goetsche: «Corporate crime in the pharmceutical industry is common, serious and repetitive. Britsh Medical journal 2012;345:e8462) oder die Falschalarmaschlager der Pandemie-grippe H1N1. Die orchestrierte Desinformation sowohl des Publikums/Konsumenten (= Stimmbürger und Steuerzahler/Versicherungsnehmer) wie auch der politischen Entscheidungsträger ist wohl die effizienteste Sabotage eines demokratischen Staates. Das sollte man den Stimmbürgern erklären können, wenn unsere «Volksvertreter» wiedereinmal gegen jegliche Regel für die Offenlegung ihrer Interessenkonflikte und der Finanzierung der politischen Parteien entscheiden. Rainer Kaelin. Etoy.

  • am 19.08.2019 um 17:29 Uhr
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    Monsanto war immer «ein sicheres, effizientes und etabliertes Mittel» um die Öffentlichkeit anzulügen. Bayer hat die Firma und die Methoden übernommen.

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