Bauarbeiter

Ausländische Arbeitskräfte: Ohne sie läuft auf dem Bau gar nichts © Cegoh/Pixabay/cc

Schweiz verlagert Arbeit auf Ausländer

Hanspeter Guggenbühl /  Die Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Arbeitskräften hat massiv zugenommen. Sie erledigen einen Drittel unserer Arbeit.

Das Schweizer Volk gehört zu den fleissigsten in ganz Europa. Und es wird immer fleissiger. Das zeigen die neusten Daten über das Arbeitsvolumen, die das Bundesamt für Statistik (BFS) letzte Woche veröffentlicht hat: Im Jahr 2014 leisteten Angestellte und Selbständige in der Schweiz insgesamt 7,713 Milliarden Stunden bezahlte Arbeit. Das sind 1,2 Prozent mehr als im Vorjahr und 12 Prozent mehr als im Jahr 2000.
Dieses Wachstum ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Konsumierenden mit viel Gratisarbeit – sei es mit dem Eintippen von Einkäufen im Coop, dem Import von Lebensmitteln per Personenwagen oder als Staumelder fürs Schweizer Radio – der produzierenden Wirtschaft immer mehr Arbeit abnehmen.
Ausländer arbeiten immer mehr
Ein Blick auf die Verteilung relativiert allerdings den nationalen Arbeitseifer. Denn noch arbeitsamer als die Eingeborenen und Eingebürgerten sind in der Schweiz die Ausländerinnen und Ausländer:
● Rund 32 Prozent aller Arbeitsstunden innerhalb der Schweiz entfallen heute auf ausländische Arbeitstätige, obwohl der Anteil der Ausländerinnen und Ausländer nur 24 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz ausmacht. Der Hauptgrund: Der Anteil der Ausländer, die 20- bis 65-jährig und damit arbeitsfähig sind, ist höher als jener der Schweizer, bei denen der Rentneranteil zunimmt.
● Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung, die hierzulande arbeitet, ist nicht nur grösser. Im Durchschnitt arbeitet eine ausländische Arbeitskraft auch zwölf Prozent länger als eine schweizerische. Denn es gibt immer mehr Schweizerinnen und Schweizer, die ein Teilzeitpensum wählen.
● Ins Auge sticht die mittelfristige Entwicklung: Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Arbeitsstunden von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz um stolze 40 Prozent gestiegen, jene der Schweizerinnen und Schweizer im gleichen Zeitraum lediglich um 3 Prozent. Folge: Der Anteil der Ausländer an der Arbeit in der Schweiz erhöhte sich von rund einem Viertel im Jahr 2000 auf annähernd einen Drittel im Jahr 2014. Das zeigt: Die Abhängigkeit der Schweiz von ausländischen Arbeitskräften hat sich massiv verstärkt.

Alle Säulen sind im Jahr 2014 höher, weil die Zahl der geleisteten Erwerbsarbeits-Stunden insgesamt zugenommen hat.
Einfluss aufs Wachstum
Weitere Erkenntnisse bringt die Arbeitsstatistik, wenn man sie mit der Entwicklung von andern Wirtschaftsdaten vergleicht. Beispiele:
Das Arbeitsvolumen in der Schweiz wuchs von 2000 bis 2014 um 12 Prozent, das teuerungsbereinigte Bruttoinlandprodukt (BIP real) laut neuesten (nach oben korrigierten) Daten um 28 Prozent.

Daraus lässt sich grob schliessen: Die Hälfte des Wirtschaftswachstums in der Schweiz resultiert seit 2000 aus zusätzlicher Arbeit, die andere Hälfte aus der Steigerung der Produktivität. In den Jahrzehnten zuvor hingegen, so zeigte eine Studie der ETH, nahm die Produktivität weit stärker zu als das Arbeitsvolumen. Grund: Die Automation in der Industrie erlaubte damals starke Produktivitätssteigerungen und eine deutliche Verkürzung der Arbeitszeit. Die Zunahme des Dienstleistungssektors bis hin zur Krankenpflege erlaubt weniger Produktivitätssteigerung.
Die Zahl der Berufstätigen in der Schweiz ist seit 2000 ebenfalls etwas stärker gewachsen als das Arbeitsvolumen. Grund: Die durchschnittliche Arbeitszeit pro erwerbstätige Person ist seit 2000 leicht gesunken, allerdings weit weniger stark als in den vorangegangenen Jahrzehnten.
Gegentrend im Ausland
Dank Fleiss und geringer Arbeitslosigkeit sind in der Schweiz 82 Prozent aller Personen im Alter zwischen 20 und 64 Jahren erwerbstätig. Das ist Europarekord. In unseren Nachbarstaaten schwankt diese Erwerbsquote zwischen 61 Prozent in Italien und 77 Prozent in Deutschland.
Und im Unterschied zur Schweiz hat das Arbeitsvolumen, gemessen in Arbeitsstunden, in den meisten europäischen Staaten in den letzten Jahren stagniert oder sogar abgenommen. Eine Ausnahme bildet der europäische «Wachstumsmotor» Deutschland: Hier lag das Arbeitsvolumen im Jahr 2014 über dem Niveau des Jahres 2000, allerdings nur um zwei Prozent.
Fazit: Dank Zuwanderung blieb die Schweiz das Arbeitsparadies in Europa – sofern man viel Arbeiten als paradiesisch beurteilt.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

Bildschirmfoto20111221um18_39_50

Führt Wachstum zu Glück oder Crash?

Geht uns die Arbeit aus, wenn wir nicht ständig mehr konsumieren? Oder sind die Renten in Gefahr?

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

  • am 30.05.2015 um 21:42 Uhr
    Permalink

    Arbeit ist paradisisch….?
    Arbeiten ist von beiten abgeleitet und beiten bedeutet warten.
    Arbeitsplatz demnach ein Warteplatz (öppe)
    Schaffen hingegen bedeutet etwas, meist etwas brauchbares kreieren.
    Eine Schöpfung, beispielsweise ein Liegestuhl ist eine Wertschöpfung.
    Die grössten Gewinne werden aber mit Wert-Abschöpfung erzielt.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...