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Dank bisherigem Recht: Aufwertung am Rhein als Entgelt für neue Konzession Kraftwerk Eglisau. © aquaviva

Naturzerstörung durch Wasserkraftwerke soll verewigt werden

Hanspeter Guggenbühl /  Sie wollen die Wasserkraft weiterhin rücksichtslos ausbeuten. Dazu planen die rechten Parteien eine Schwächung des Naturschutzes.

Die meisten Wasserkraftwerke in der Schweiz wurden zwischen 1945 und 1970 gebaut. Die Standortgemeinden oder Kantone erteilten den Stromfirmen dazu befristete wasserrechtliche Konzessionen, ohne ihnen wesentliche ökologische Auflagen zu machen. Denn Gesetze zum Schutz von Gewässern, Natur und Landschaft beschlossen oder verschärften Bund und Kantone erst später, meist nur auf Druck von Umwelt- oder Fischereiverbänden.

Nutzung der Wasserkraft auf Kosten der Natur

Der hemmungslosen Nutzung der Wasserkraft fielen Auenwälder, Moore und andere Naturlandschaften zum Opfer, die für die Vielfalt an Tieren und Pflanzen besonders wichtig sind. Das Ausmass dieser Naturzerstörung erfasste 2015 eine Studie des Büros Ernst Basler und Partner. Demnach erfüllen nur noch vier Prozent aller Schweizer Fliessgewässer die ökologischen Anforderungen, welche die heutigen Gewässer- und Naturschutz-Gesetze stellen.

Die heutigen Gesetze verlangen zwar, dass Wasserkraft-Nutzer die von ihnen zerstörten Naturräume ökologisch wieder sanieren oder andernorts Ersatz schaffen. Solche Ersatzmassnahmen müssen Stromfirmen aber erst umsetzen, wenn die alten, in der Regel 80 Jahre gültigen Konzessionen ablaufen und durch neue ersetzt werden. Die meisten Konzessions-Erneuerungen werden im Zeitraum zwischen 2025 und 2050 fällig. Ab dann wäre eine deutliche Gesundung der von der Wasserkraft beeinträchtigen Naturräume zu erwarten.

Bürgerliche Parteien wollen Naturschutz aushebeln

Wäre – der obige Satz steht im Konjunktiv. Denn die Wasserkraft-Lobby, angeführt von Nationalrat und SVP-Präsident Albert Rösti, will jetzt die ökologischen Pflichten bei Neukonzessionierungen und damit insbesondere die heutigen Regeln im Natur- und Heimatschutz-Gesetz aushebeln. Die bürgerlichen Mehrheiten in den Energiekommissionen von National- und Ständerat unterstützen diese Absicht. Bis 15. Februar 2019 läuft die Vernehmlassung zur einer entsprechenden Parlamentarischen Initiative.

Ein Aufschrei der Öffentlichkeit gegen diese Unterminierung des Naturschutzes blieb bisher aus. Die Medien, ausgenommen wenige Fachzeitungen, informierten nicht darüber. Das liegt möglicherweise an der Formulierung der Initiative, die so kompliziert ist, dass Medienschaffende und andere Laien die Folgen kaum durchschauen können. Oder sich im Zeitalter von Aufmerksamkeits-Wettbewerb und Klickjagd nicht damit befassen wollen.

Die Wolfs-Initiative im Schafspelz …

Die Verharmlosung beginnt schon im Titel des Geschäftes mit der Nummer 16.452: «Parlamentarische Initiative Ausbau der Wasserkraft zur Stromerzeugung und Stromspeicherung. Anpassung der Umweltverträglichkeitsprüfung». Dahinter steckt eine Änderung des «Bundesgesetz über die Nutzbarkeit der Wasserkräfte (Wasserrechtsgesetz WRG)», und zwar mit folgender Neuformulierung des Absatzes 5 in Artikel 58 a des WRG:

«Konzessionserneuerung. Als Ausgangszustand im Sinne von Artikel 10bAbsatz 2 Buchstabe a des Bundesgesetzes über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 gilt für die Festlegung von Massnahmen zugunsten von Natur und Landschaft der Zustand im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung.»

Wer diese Juristensprache verstehen will, muss den erläuternden 20-seitigen Bericht der Energiekommission des Nationalrates lesen, den wohl ein Fachspezialist der Bundesverwaltung formuliert hat. Dann erfährt er auf mühsame Weise, worum es geht, nämlich: «Dies führt dazu, dass Landschaftsabschnitte nicht aufgewertet werden.» Dieses entscheidende Eingeständnis über die «Auswirkungen auf die Umwelt» erfährt der Leser erst auf Seite 17.

… und wie sie den Naturschutz aufweicht

Nachstehend fassen wir die heutige Regelung sowie die von der Parlamentarischen Initiative 16.452 angepeilte Aufweichung des Naturschutzes zusammen:

o Für die Neukonzessionierung eines bestehenden Wasserkraftwerks braucht es eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Diese muss sich auf heute geltende Gesetze stützen, im Wesentlichen auf das nationale Umweltschutz-Gesetz von 1983, auf mehrmals revidierte nationale und kantonale Gewässerschutz-Gesetze sowie auf das nationale Natur- und Heimatschutz-Gesetz (NHG).

o Gemäss diesem NHG sind Auen, Riedgebiete, Moore und andere artenreiche Gebiete im Uferbereich von Gewässern speziell zu schützen. Werden solche Gebiete durch die Nutzung der Wasserkraft beeinträchtigt, müssen sie wieder hergestellt oder andernorts ersetzt werden.

o Als Grundlage für die Wiederherstellung oder den Ersatz von beeinträchtigten Gebieten gilt bei neuen Wasserkraftwerken und andern Anlagen der ursprüngliche Zustand. Das gleiche Prinzip wenden Bundesamt für Umwelt sowie kantonale Umweltfachstellen auch bei Konzessions-Erneuerungen von bestehenden Wasserkraftwerken an; dies basierend auf einem Urteil des Bundesgerichts. Konkret: Wer die Konzession für sein bestehendes Wasserkraftwerk erneuern will, welches mit dem Segen der alten Konzession schützenswerte Naturlandschaften beeinträchtigte oder zerstörte, muss dafür sorgen, dass der Zustand vor dem Bau des Wasserkraftwerks wieder hergestellt oder entsprechend Ersatz geschaffen wird.

Beispiel nach bisherigem Recht: Als Entschädigung für die Konzessionsverlängerung im Jahr 1998 für ihr Wasserkraftwerks in Eglisau bezahlte die Axpo Ersatzmassnahmen zur Renaturierung im Gebiet Thurmündung in den Rhein (Bild: aqua viva). Wenn das Gesetz gemäss Parlamentarischer Initiativer 16.452 von Albert Rösti geändert wird, gäbe es solche ökologischen Aufwertungen nicht mehr.

o Diese vorbildliche Bestimmung für Wiederherstellung oder Ersatz wird allerdings schon heute aufgeweicht mit der Einschränkung, solche Sanierungen oder Ersatzmassnahmen müssten «dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit» Rechnung tragen. Zudem sollen gemäss revidiertem Energiegesetz bei Interessenkonflikten die Interessen der Stromproduktion aus Wasserkraft neuerdings gleich hoch gewichtet werden wie die Naturschutz-Interessen.

Initiative will befristete Naturzerstörung verewigen

Im Vergleich zur bisherigen Praxis verlangt die Parlamentarische Initiative jetzt folgende wesentliche Änderung: Bei der Neukonzessionierung von bestehenden Kraftwerken soll nicht mehr der ursprüngliche Zustand, sondern der «Zustand im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung» für die Wiederherstellung oder den Ersatz von beeinträchtigten Naturlandschaften massgebend sein. Im Klartext: Die Naturzerstörung, den das vor 80 Jahren konzessionierte Kraftwerk bewirkte, würde verlängert, vorerst auf weitere 50 bis 80 Jahre, danach auf ewig, sofern spätere Generationen diese Aufweichung des Naturschutzes nicht wieder rückgängig machen.

Linke halbherzig, Umweltverbände dezidiert dagegen

Das Risiko besteht, dass beide Parlamentskammern diese einschneidende und bisher wenig beachtete Neuerung zu Lasten der Natur durchwinken. Denn die bürgerliche Mehrheit in den Energiekommissionen sowohl des National- als auch des Ständerats unterstützen die Parlamentarische Initiative von Nationalrat Albert Rösti, der neben der SVP auch den Wasserwirtschafts-Verband präsidiert. Die linke Minderheit der nationalrätlichen Energiekommission lehnt die Neuerungen ebenfalls nicht ab, will sie aber mit einer alternativen Formulierung etwas abschwächen.

Dezidiert gegen die beschriebene Praxisänderung – sowohl gegen die rechte Mehrheit als auch die linke Minderheit der Energiekommissionen – wehren sich die Naturschutz-Organisationen Aqua Viva, Pro Natura, WWF, BirdLife und der Fischereiverband. Ihr zentrales Argument: «Dadurch werden Eingriffe in die Natur, die mit der vormaligen Konzessionsvergabe ausdrücklich nur für eine beschränkte Zeit gestattet wurden, ohne angemessenen Ersatz dauerhaft ermöglicht.»

Nicht nur ökologisch, auch juristisch sei die Neuerung «höchst bedenklich», ergänzt Aqua Viva-Geschäftsführerin Antonia Eisenhut. Damit werde das umweltrechtlich zentrale Verursacherprinzip verletzt. Zudem entstehe eine ungleiche Behandlung zwischen Besitzern von Wasserkraftwerken wie etwa jenes der Axpo in Eglisau, die ihre Anlagen seit 1985 bereits nach der zurzeit geltenden Praxis neu konzessionieren liessen, und Besitzern von jüngeren Anlagen, die bei einer späteren Neukonzessionierung vom verwässerten Umweltrecht profitieren könnten.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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SolaranlageBauernhof-1

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3 Meinungen

  • am 13.02.2019 um 12:26 Uhr
    Permalink

    Natürlich wäre es schön, die AKW’s abschalten zu können, auf laute und hässliche Windparks verzichten zu können, die Nutzung der Wasserkraft nicht auszubauen und auf alle Ölheizungen zu verzichten. Bei wachsender Bevölkerung, steigendem Stromverbrauch schon allein wegen des Internets, wobei noch die Decarbonisierung der Heizungen, also deren Umstellung auf elektrische Wärmepumpen und die Umstellung auf Elektromobilität hinzukommen, kann die Rechnung niemals aufgehen. Weg von den fossilen Brennstoffen heisst, hin zum Strom. Wir können nicht die AKW’s abschalten, die Wasserkraftnutzung zurückfahren und was Öl leistete, dem Stromsektor überbürden. Entweder verschandeln wir die ganze Landschaft mit lärmigen, vögeltötenden Windturbinen und mit Solarpanels, renaturieren dafür ein Paar Wasserläufe, oder wir bauen Gaskraftwerke. Ob wir wegen des Öls, Urans oder des Stroms auslandabhängig sind, ist einerlei. Die «Wende» hin zu den Erneuerbaren wird nicht ohne massivste Naturzerstörungen und Lebensqualitätseinbussen machbar sein. Es ist verwegen, die AKW’s abschalten und das Öl verbieten zu wollen, die Wasserkraftnutzung einzuschränken und derweil den Stromverbrauch zu vervielfachen. Am Ende wird alles massiv teurer, viel kurzlebiger, noch viel mehr Umwelt zerstört, denn zurückgebaut für zig Milliarden werden allein die 5 AKW’s. Neu gebaut werden Windparks, Solarfarmen und hunderte Stromleitungen. Freuen kann das nur, wen es finanziell bereichert. Alle anderen haben das Nachsehen.

  • am 13.02.2019 um 15:08 Uhr
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    Irgendwoher muss ja das Geld für Macht und Geltung kommen, egal was ansonsten mit Angstmacherei erzählt wird.
    Wer an seine eigenen arglistigen Täuschungen glaubt oder es anderen glauben macht, bezüglich der Auswirkungen von immer mehr Treibhausgasen in der Luft, wird mit dem Bau u. dem Beton nochmal viel Geld machen, die Fehlinvestitionen werden aber über kurz oder lang vergesellschaftet.
    Insgesamt wird es in den Alpen in absehbarer Zeit 25% weniger regnen, besonders in den Sommermonaten viel weniger und im Winter etwas mehr. Die Gletscher schmelzen schneller ab als prognostiziert und seit neuester Erkenntis ist das Gletschereis-Volumen deutlich geringer als bisher geschätzt.
    Jeder kann sehen, wie immer frührer im Jahr das Eis nicht mehr von isolierendem Schnee bedeckt ist. Almbauern haben immer mehr Problem Wasser für ihre Kühe aufzutreiben.

  • am 14.02.2019 um 09:10 Uhr
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    @Lauper – Die Quadratur des Kreises. Nur Solarpanels montieren und Windparks bauen ohne das Speicherproblem gelöst zu haben, funktioniert nie und nimmer. Die günstigsten Gross-Speicher sind Stauseen. Und die haben einen Impact auf die Natur. Den noch grösseren Impact haben die Windparks, welche ganze Landschaftszüge verschandeln und den Lärmteppich erhöhen. Diese Energiewende, so grossartig wie sie versprochen wurde, wird teuer, sehr teuer. Ob damit der Gletscherschwund und der CO2-Gehalt in der Luft messbar reduziert werden können, ist mehr als fraglich.

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